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Preiskrieg ist kein Konzept

Durchgearbeitete Nächte und ein Geschäftsführer, der die Aufgaben der Facharbeiter mit übernimmt. Der Vertrieb umschreibt Kunden als „Teenager, die sich zum Abschlussball bitten lassen und keine Termine mit weiteren Verehrern machen möchten“. Und täglich das Damokles-Schwert über dem Kopf: „Wie geht es jetzt weiter? Bei solchen Zahlen muss ich den Laden bald dichtmachen.“ Im Gespräch mit Kunden lauert eine spürbare Weltuntergangsstimmung.

Die Me-too-Falle

Das Nachahmen erfolgreicher Geschäftsmodelle oder Aufspringen auf einen ökonomisch gut befeuerten Zug kann aus Sicht des Unternehmers durchaus Sinn machen. Sobald sich aber politische oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen ändern, Umsatzzahlen stagnieren und das, was lange gut lief, nicht mehr zum Überleben reicht, sind Kurskorrekturen überlebenswichtig. Fährt der Zug der Me-too-Unternehmen weiter in die immer gleiche Richtung, hilft nur eins: abkoppeln.

Wenn viele Unternehmen einen gleichen oder ähnlichen Kundenkreis ansprechen, besteht zudem die Gefahr, in der Masse der Anbieter unterzugehen. Überlebenschancen sind dort am höchsten, wo wir es mit Originalen zu tun haben. Häufig tappen Unternehmen übrigens mehr oder weniger unbewusst in die Me-too-Falle. Wenn Sie der Meinung sind, dass sich Ihr Unternehmen klar von Wettbewerbern innerhalb Ihrer Branche differenziert, vergleichen Sie doch einfach mal die Firmenwebseiten und unterstreichen die Begriffe, die Ihre Wettbewerber ebenfalls verwenden. Alles klar?

Zauberwort Positionierung

Sind die fetten Jahre wirklich vorbei? Können wir einpacken? Was tun? Den Laden dichtmachen? Me too? No way! Wer es bisher versäumt hat, sich auf eine klar umrissene Zielgruppe zu fokussieren oder sich durch eine eindeutige Positionierung gegen seine Wettbewerber zu behaupten, sollte die Schockstarre nun verlassen und sich genau darüber intensiv Gedanken machen. Positionierung ist das Stichwort. Positionierung heißt: Eindeutigkeit, Schärfe, Klarheit – und nicht Bauchladen.

Diesen Fehler können wir immer wieder in konjunkturschwachen Branchen beobachten, nämlich dann, wenn die Produktpalette so weit ausgebaut wird, dass sie dem Tante-Emma-Laden gleicht. Nach der Devise: irgendwie möglichst viele Kunden ansprechen. Das geht auf Kosten eines eventuell bestehenden Expertenstatus.

Wo liegt der Mehrwert?

Schon mal in der Bundesliga einen Experten für Kreuzbandriss gesehen, der plötzlich auf Methadonprogramme für Heroinaussteiger setzt? Zum Glück machen uns das andere vor, diesen Fehler müssen wir nicht wiederholen.

Richten Sie Ihr Produkt und Ihren Vertrieb auf eine Zielgruppe aus, die Sie verstehen und der Sie den besten Nutzen bringen. Machen Sie Kunden zu Freunden. Die Beziehung zu Ihren Kunden ist einer der wichtigsten Faktoren. Kunden möchten nicht mit Sachinformationen überflutet werden. Wir können uns nur auf der Beziehungsebene verständigen.

Eine weitere beliebte Variante, den Wert des eigenen Unternehmens in kürzester Zeit nach unten zu schrauben, ist der Preiskampf. Steigen Sie nicht in den Preiskampf ein! Wenn Sie Ihren Kunden keinerlei Mehrwert bieten können als möglichst geringe Preise, wird sich bestimmt jemand finden, der noch bessere Preise macht. Garantiert.

Emotionen wecken

Geben Sie keine Rabatte. Gehen Sie mit dem Leistungsangebot runter, nicht mit dem Preis. Sie sind Qualitätsanbieter, Ihre Preise spiegeln Ihre Erfahrung wider. Sie sind Verkäufer, es ist in Ordnung, dass Sie verkaufen. Sie sollten sich Gedanken darüber machen: Wie wichtig ist mir die Verhandlung mit dem Kunden? Welche Beziehung habe ich zu meinem Verhandlungspartner? Erstellen Sie eine Liste mit Kunden oder Zielgruppen, die Ihnen sympathisch sind und bei denen Sie wissen, dass es Spaß machen wird, den Kontakt zu pflegen.

Auch bei technischen Produkten sind Emotionen ein wichtiger Aspekt, um das Interesse beim Kunden zu wecken. Machen Sie Ihre Produkte in der Kommunikation zu Erlebnissen. Kunden sprechen oft von Ihrer Position, nicht von Ihren Motiven. Bedürfnisse wie Sicherheit, Unabhängigkeit oder soziales Bewusstsein werden Ihre Kunden mehr ansprechen als reine Renditeversprechen, die schwer greifbar sind. Wenn Sie sich auf Ihre Lieblingszielgruppe konzentrieren, werden Sie automatisch wissen, welche Bedürfnisse im Vordergrund stehen.

Wie aber kann man eine Zielgruppe sinnvoll und nachhaltig erschließen? Zunächst einmal sollten wir uns von Aussagen wie: „Die kaufen ohnehin“ und „Solange sie Umsatz bringen“ verabschieden.

Der Markt wird eng

Haben alle Anbieter dieselbe Zielgruppe, wird der Markt mittelfristig sehr eng. Dass viele Anbieter mitmischen wollen, ist nicht neu. Nehmen wir den Biermarkt: Unter Biertrinkern finden sich solche, die Sport treiben und in diesem Kontext auf Alkohol verzichten wollen. Mit alkoholfreiem Bier und kommunizierten Eigenschaften wie „vitaminhaltig“ und „isotonisch“ lassen sich Hektoliter verkaufen. Wurde dafür das Bier neu erfunden? Oder hat sich der Markt geändert?

Vergleichbares finden wir auch im Bereich der Süßwaren: Im Zuge eines Rebrandings und nach dem Zusatz von Eukalyptus wird aus einem minder erfolgreichen Zuckerklümpchen unter Tausenden anderen ein Heilbonbon mit (zumindest interpretierter) wohltuender Wirkung. Natürlich lässt sich die Branche der Genusswaren nicht eins zu eins auf den Markt der regenerativen Energien übertragen. Doch bleiben die zugrunde liegenden Mechanismen der Positionierung immer die gleichen.

Hobbys bieten neue Perspektive

Spinnen wir die umrissenen Beispiele für unsere Branche einfach weiter: Ein Installateur, der mit Batteriespeichern handelt, könnte den Markt der Modellbauer (ferngesteuerte Autos, Boote etc.) erschließen. Auch so eine scheinbar abgelegene Zielgruppe braucht Energie für ihr Hobby. Das Hobby wird im Freien und bei gutem Wetter ausgeübt. Schon sind Sie mit einer theoretisch einfachen Denkstruktur der Vorreiter auf einem Markt.

Sie haben selber solche Hobbys? Schauen Sie mal genauer hin, denn ein kreativer Blick auf den eigenen Lebenslauf oder das eigene Umfeld eröffnet häufig neue Perspektiven.

Kooperation mit fremden Branchen

Eine weitere erfolgreiche Positionierung ist durch die Kooperation zweier Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen gelungen. Ein Systemanbieter aus der Photovoltaik kooperiert mit einem Hersteller von Whirlpools und erhält Zugang zu neuen Kunden im Segment Wellness und Lifestyle. Das Photovoltaikprodukt ist immer noch das gleiche, die Systemwahrnehmung auf Kundenseite hat sich jedoch verändert.

Das Photovoltaiksystem wird nicht länger als Renditeobjekt wahrgenommen, sondern als integraler Bestandteil eines Luxus-Wellness-Systems. Der Kunde verschwendet Energie, kann sein Gewissen aber beruhigen. Denn er heizt das Wasser mit Sonnenstrom, auch die Pumpen nutzen die Kraft der Sonne. Solche Kunden sind Premiumkunden. Sie sind in der Regel gut betucht und bereit, Geld für hohe Qualität zu zahlen. Ein Preiskampf findet hier nicht statt. Für das Solarunternehmen entsteht ein neuer, lukrativer Absatzmarkt.

Zurzeit sind „Solar Roadways“ ein großer Internethit in allen sozialen Netzwerken. Noch ist die Idee wirtschaftlich problematisch, Straßenbelag mit eingebauten Solarzellen zu versehen und um LED-Beleuchtung zu erweitern. Doch das Beispiel zeigt, dass es viele Wege gibt, die Menschen zu inspirieren. In jedem Fall lohnt es sich, über den Tellerrand zu blicken. Eine Vision zu haben oder neue Wege mutig zu gehen – das bedarf manchmal einer gewissen Kritikfähigkeit und guten Durchhaltevermögens.

Bei den erneuerbaren Energien ist das Potenzial noch lange nicht erschöpft. Der Absprung vom Zug der Me-too-Anbieter und ein frischer, unverstellter Blick auf die eigene Positionierung sind unabdingbar, um mittelfristig im härteren Markt zu bestehen. Proaktivität ist angesagt – jetzt! Sonst stehen Sie vor einem alternativlosen Weg. Dann ist der Zug tatsächlich abgefahren.

Posid

Checkliste fürs Marketing

Die Beratungsfirma Posid aus Hürth hat im Internet eine kostenlose Checkliste veröffentlicht, mit deren Hilfe sich Marketingdefizite von Unternehmen leicht aufspüren lassen. Denn das Photovoltaikgeschäft läuft vor allem über die Installateure und Planer. Alle Versuche, die Endkunden direkt anzusprechen, haben sich für die Industrie nicht mit steigenden Umsätzen ausgezahlt. Nicht die Autoindustrie ist das Vorbild im Marketing, sondern die Sanitärtechnik oder die Heizungsbranche. Auch dort treffen die Kunden ihre Kaufentscheidungen in der Beratung durch den installierenden Fachhandwerker. Er ist die Zielgruppe, in der sich der Markenerfolg eines Herstellers entscheidet.

Denn selbst in schrumpfenden Märkten lassen sich Anteile gewinnen. Auch wenn der deutsche Photovoltaikmarkt im vergangenen Jahr bei der neu installierten Solarleistung deutlich einbrach, so steht dahinter ein wachsender Markt für Eigenverbrauchslösungen. Mittlerweile werden in Deutschland, Österreich und der Schweiz fast nur noch Anlagen für die Selbstversorgung installiert.

https://www.posid.de/

Der Autor

Ulrich Trattmann

ist Geschäftsführer von Posid, einem Beratungsunternehmen aus Hürth. Zuvor leitete er die Geschäfte des Wechselrichterherstellers Mastervolt in Deutschland. Der studierte Elektroingenieur kann auf mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung im Management und im Vertrieb zurückblicken. Der gebürtige Bayer lebt nun in Köln.

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