Eine neue „Losung der Zukunft“ hat der Landesverband Franken der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) ausgerufen: Statt „Vermieten Sie Ihre Dachfläche!“ soll es künftig „Mieten Sie eine PV-Anlage“ heißen – ergänzt um den motivierenden Hinweis: „und reduzieren Sie damit ihre Stromkosten“.
Basis der Idee ist die aktuelle Eigenverbrauchsregelung des EEG in Kombination mit einer klassischen Solardachbörse. Vereinfacht dargestellt mietet ein Gebäudeeigentümer eine Photovoltaikanlage auf seinem eigenen Dach, die ein Investor dort inklusive Zählertechnik für Eigenverbrauch und Netzeinspeisung realisiert hat, und nutzt den auf seinem Dach erzeugten Solarstrom selbst. Dafür muss er zwar einen Bezugszähler einbauen und an den Investor ein Entgelt für die Nutzung der Anlage zahlen, die der Differenz zwischen Eigenverbrauchs-und Einspeisevergütung entspricht, er senkt jedoch gleichzeitig seine Stromkosten: Jede Kilowattstunde aus der Dachanlage kostet den Gebäudeeigentümer dadurch nur 16,38 beziehungsweise zwölf Cent, und das über die nächsten 20 Jahre. Der Investor wiederum erhält so rechnerisch den gleichen Betrag wie für eine Anlage, die den gesamten Solarstrom ins Netz einspeist, und muss außerdem keine Dachmiete zahlen – „eine klare Win-Win-Situation“, sagt Stefan Seufert, Koordinator der Solarinitiative Nürnberg und Leiter der örtlichen DGS-Solarschule.
Das Modell macht sich neben der EEG-Förderung des Eigenverbrauchs auch Erkenntnisse aus den Standardlastprofilen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zunutze. Vereinfacht gesagt lohnt sich Eigenverbrauch immer dann, wenn die vermiedenenStromkosten plus die Eigenverbrauchsvergütung je Kilowattstunde höher liegen als die übliche Einspeisevergütung – und wenn zum einen die Anlagengröße gut zum Bedarf passt und zum anderen der typische Stromverbrauch im Tagesverlauf gut zu den üblichen Erzeugungszeiten von Solarstrom. Bei Gebäudetypen wie großen Mehrfamilienhäusern, Bürogebäuden oder Gewerbebetrieben ist all das sehr oft der Fall. Zumindest öfter als bei Anlagen auf Einfamilienhäusern, auf die sich der Markt, zumindest noch im Moment, konzentriert.
Haushalte profitieren
Selbst bei privaten Anlagen gilt: Eigenverbrauch lohnt sich nahezu immer, insbesondere ab einer Eigenverbrauchsquote, die über 30 Prozent liegt. Das sagt zumindest Volker Wachenfeld von SMA. Das Unternehmen hat sowohl fürden privaten als auch für den gewerblichen Bereich detailliert berechnet, wie Strombedarf und Solarstromerzeugung zueinander passen. Fazit: Eigenverbrauch wird grundsätzlich immer wichtiger. Denn, so Wachenfeld: „Der Eigenverbrauchsvorteil steigt eins zu eins mit jeder Strompreiserhöhung.“ Die höchsten Strompreise in Deutschland zahlen die privaten Haushalte, daher fällt dort der Eigenverbrauchsvorteil je Kilowattstunde auch am höchsten aus(siehe Tabelle „Einspeisen oder selbst verbrauchen?“). Für einen Musterhaushalt mit vier Personen und einer Fünf-Kilowatt-Solarstromanlage hat SMA errechnet, dass etwa 20 bis 40 Prozent der erzeugten Energiemenge auch direkt verbraucht werden, also Erzeugung und Verbrauch sich zeitlich decken (siehe Grafik „Eigenverbrauchspotenzial im Privathaushalt“). Bei den übrigen 60 bis 80 Prozent passen Produktion und Bedarf nicht zusammen, beispielsweise für das Fernsehen am Abend, den Kaffee am Morgen und den erhöhten Stromverbrauch im Winter. Zwar lässt sich laut SMA diese sogenannte natürliche Direktverbrauchsquote durch geändertes Verbrauchsverhalten um bis zu zehn Prozentpunkte steigern. Einen weiteren Beitrag kann ein intelligentes Energiemanagement leisten, das nicht nur Geräte automatisch schaltet, sondern auch Erzeugungsleistung und aktuellen Verbrauch berücksichtigt. Aber wer noch mehr will, muss Speicher nutzen, was allerdings bislang noch nicht als wirtschaftlich gilt.
Lasten verschieben?
„Ein weiteres Problem ist, dass die Möglichkeiten für das Verschieben von Lasten in Privathaushalten begrenzt sind“, sagt Wachenfeld. Das zeigen auch Untersuchungen des Instituts für Zukunftsenergiesysteme (IZES) der Universität Saarbrücken. Demnach liegt das größte Lastverschiebungspotenzial bei allen Anwendungen, die mit Strom Wärme oder Kälte produzieren – aber wahrscheinlich nicht mehr sehr lange, wie Eva Hauser von IZES erklärt. „Gerade bei diesen Geräten bestehen große Effizienzpotenziale. Und die werden mittelfristig mit Blick auf die Ökodesign-Richtlinie der EU auch umgesetzt werden.“Auch Gewerbe- und Industriebetriebe können Lasten nicht so einfach verschieben, da diese von den laufenden Arbeiten abhängen. In der Regel dürfen Produktionsprozesse nicht gestört und betriebliche Abläufe nicht verändert werden; und zusätzliche Speicherlösungen kosten meist deutlich mehr, als die Erhöhung der Quote wieder einspielen kann. Trotzdem ist nach Berechnungen von SMA je nach Anlagengröße und Lastprofil ein Eigenverbrauch von bis zu 100 Prozent möglich, weil im Vergleich zu Haushalten insgesamt mehr Strom zu anderen Zeiten benötigt wird.
Grundsätzlich gilt: Ist der Energiebedarf ausreichend hoch, können große Anteile des erzeugten Solarstroms direkt verbraucht werden – selbst dann, wenn die Schwerpunkte von Verbrauch und Erzeugung zeitlich weniger gut übereinstimmen. Überwiegt hingegen der genutzte Solarstrom, weil schlicht die Photovoltaikanlage überproportional groß ist, ist der prozentuale Anteil des Eigenverbrauchs am erzeugten Solarstrom in jedem Fall nur gering. Wer in erster Linie die Eigenverbrauchsquote optimieren und nicht so viel Photovoltaik wie möglich auf dem Dach unterbringen will, sollte daher bei Erzeugungsleistung und Energiebedarf auf ein ausgewogenes Verhältnis setzen. Natürlich wirken sich neben der Größe auch Standort und Ausrichtung der Solaranlage auf die Höhe des Energieertrags und dessen Verteilung über den Tag aus. „Bei einem Gewerbe mit überwiegendem Energiebedarf in den Abendstunden könnte allein die Westausrichtung bereits zu einer rund sieben Prozent höheren Eigenverbrauchsquote führen“, haben die SMA-Berechnungen ergeben. Allerdings auch, dass eine bewusste Westausrichtung der Anlage aus diesem Grund wenig sinnvoll ist, denn „der absolute Minderertrag von etwa 15 Prozent wiegt wesentlich schwerer als die um wenige Prozent gesteigerte Eigenverbrauchsquote“.
Lastprofile als Planungshilfe
Die diversen BDEW-Standardlastprofile für unterschiedliche Gewerbezweige und andere Gebäude erlauben eine erste Einschätzung, wie Lastprofil und Solarstromerzeugung zueinander passen (siehe Grafik „Lastprofile und Eigenverbrauchspotenzial von Gewerbebetrieben“). Beispiel Milchviehhaltung (Profil L1): Hier wird vor allem morgens und abends Energie benötigt, für die Melkmaschinen und das sofortige Herunterkühlen der frischen Milch. Für Solarstrom sind diese Zeiten eher ungünstig, daher liegt die mögliche Eigenverbrauchsquote laut SMA nur bei etwa 20 bis 70 Prozent und damit unter dem Potenzial eines durchgehenden Gewerbebetriebs (Pro?l G3). Ein solches Profil hat beispielsweise ein Supermarkt mit diversen Kühltheken, die rund um die Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen Energie benötigen; daher hält SMA hier Eigenverbrauchsquoten von bis zu 100 Prozent für realistisch. Bei typischen Ladengeschäften wie Kauf- oder Möbelhäusern (Pro?l G4) fehlt der Verbrauch am Sonntag, was die maximal mögliche Quote leicht drückt – ähnlich wie bei Bürogebäuden oder verarbeitendem Gewerbe (Profil G1).
Mehr als eine grobe Planungshilfe können diese Standardlastprofile allerdings nicht sein, schließlich entspricht das tatsächliche Verbrauchspro?l eines Gewerbes nie exakt einem der Standardlastpro?le. Genauer wird der Blick beispielsweise mit Hilfe von Simulationssoftware. „Auch unser Programm PV Sol fußt auf Standardlastprofilen für unterschiedliche Gebäude- und Nutzertypen, diese können aber anhand eigener, vorOrt erhobener Verbrauchsdaten weiter angepasst werden“, sagt Silke Reichmann de Salas von Valentin. Das mache nicht nur eine optimale Anlagenauslegung möglich, sondern bilde auch den voraussichtlichen Ertrag und den möglichen Eigenverbrauch genau ab – wichtig für konkrete Aussagen zur Wirtschaftlichkeit der Anlage für den jeweiligen Nutzer.
Denn ob der Eigenverbrauch auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Sinn macht, steht auf einem ganz anderen Blatt: der Stromrechnung. Matthias Reichmuth vom Leipziger Institut für Energie ist der Auffassung, dass nicht nur die Eigenverbrauchsquote ein relevanter Parameter ist, sondern auch der Anteil des genutzten Solarstroms am gesamten Strombedarf, der sogenannte Autarkiegrad. Beispiel Supermarkt: Dort ist die Eigenverbrauchsquote besonders hoch, da insgesamt deutlich mehr Strom verbraucht als erzeugt wird; der Autarkiegrad jedoch ist aus dem gleichen Grund sehr gering – und damit in der Gesamtbetrachtung der Stromkosten auch der betriebswirtschaftliche Vorteil.
Eventuell auch ein Nachteil
Hinzu kommt ein grundsätzliches Problem: „Auch bei gewerblichen Stromnutzern steigt der Eigenverbrauchsvorteil mit jeder Strompreiserhöhung“, sagt Wachenfeld. „Aber dieser Vorteil variiert je nach Stromtarif – er kann auch negativ sein.“ Grund sind die Strompreise, die speziell für Industriekunden niedriger sind als die für Haushaltskunden (siehe Tabelle): Liegt der Preis unter 16,38 beziehungsweise zwölf Cent netto je Kilowattstunde, ist ein Eigenverbrauch grundsätzlich ?nanziell unattraktiv. Damit bleibt für viele Anlagen auf großen Gewerbedächern weiter die Volleineinspeisung die interessantere Variante – und ein langer Hebel zur Entlastung der Netze, dem ursprünglichen Ziel der Eigenverbrauchsförderung, ungenutzt. Aber davon scheint sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ohnehin verabschiedet zu haben: In seinem Eckpunktepapier zur Reform des EEG ist vorgesehen, die Eigenverbrauchsregelung auf Anlagen bis 100 Kilowatt zu begrenzen.
Trotzdem: Stefan Seufert vom DGS-Landesverband Franken ist sicher, dass das neue Modell „PV mieten!“ auf große Resonanz stoßen und den Eigenverbrauch von Solarstrom in Nürnberg und anderswo in die Höhe treiben wird. Zum einen soll „PV mieten!“, zumindest vorerst, vor allem auf öffentlichen Gebäuden in Serie gehen, deren Standardlastprofile (G1) auf eine hohe Eigenverbrauchsquote schließen lassen. Zum anderen macht das Modell, so Seufert, „aus dem passiven Gebäudeeigentümer, der Gefahr läuft, von Investoren übervorteilt zu werden, einen Akteur, der Solartechnik nutzen will, um seine Energiekosten zu senken, und sich dazu eines Investors bedient.“ Juristisch hat die DGS „PV mieten!“ bereits eingehend prüfen lassen, Interessenten können über den Landesverband Franken einen Mustervertrag zum Konzept sowie ein Excel-Tool zur Berechnung des finanziellen Vorteils kaufen. Sorgen macht Stefan Seufert bei dem Thema nur eines: die in diesem Jahr anstehende EEG-Novelle 2012. Denn dann steht die Eigenverbrauchsregelung generell zur Diskussion.
Einspeisen oder selbst verbrauchen? | |||
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Anlagengröße auf und an Gebäuden | bis 30 kW | 30 – 100 kW | 100 – 500 kW |
Vergütung Einspeisung* | 28,74 | 27,33 | 25,86 |
Vergütung Eigenverbrauch bis 30 % (-16,38)* | 12,36 | 10,95 | 9,48 |
Vergütung Eigenverbrauch ab 30 % (-12,00)* | 16,74 | 15,33 | 13,86 |
Eigenverbrauchsvorteil Haushalte (bei Nettopreis Strombezug 20,06) bis 30 %* | 3,68 | 3,68 | 3,68 |
Eigenverbrauchsvorteil Haushalte (bei Nettopreis Strombezug 20,06) ab 30 %* | 8,06 | 8,06 | 8,06 |
Eigenverbrauchsvorteil Gewerbe (bei Nettopreis Strombezug 18,08) bis 30 %* | 1,7 | 1,7 | 1,7 |
Eigenverbrauchsvorteil Gewerbe (bei Nettopreis Strombezug 18,08) ab 30 %* | 6,08 | 6,08 | 6,08 |
Eigenverbrauchsvorteil Industrie (bei Nettopreis Strombezug 10,33) bis 30 %* | -6,05 | -6,05 | -6,05 |
Eigenverbrauchsvorteil Industrie (bei Nettopreis Strombezug 10,33) ab 30 %* | -1,67 | -1,67 | -1,67 |
* Cent/Kilowattstunde, Vergütungssätze gültig bis 30.06.2011. Der Faktor Umsatzsteuer wurde nicht berücksichtigt.Quellen: EEG, BNA, eigene Berechnungen |