Jüngstes Beispiel dafür ist die Fachhochschule Jena, an der ab dem Wintersemester 2008 der Studiengang „Photovoltaik und Halbleitertechnologie“ eingeführt werden soll. Partner sind die Erfurter Ersol, Schott Solar und der Wacker Schott Solar. Sobald die erwartete Zusage des Thüringer Kultusministeriums vorliegt, werde die Detailplanung für das Bachelor-Studium beginnen, sagt Professor Andreas Schleicher von der FH Jena.
Einzigartiger Studiengang
Die Studenten sollen künftig sowohl die Herstellungstechnologie, physikalische Grundlagen, Mechatronik und Messtechnik als auch Grundlagen der Betriebswirtschaft und Produktionsplanung erlernen. Nach Angaben der FH Jena, die das Studium gemeinsam mit dem ebenfalls in Jena ansässigen Institut für Photonische Technologien anbieten wird, ist dieser Studienaufbau bislang in Deutschland einzigartig.
Hintergrund für den neuen Studiengang ist nicht allein der hohe Personalbedarf der Industrie, sondern auch die bisher zu wenig nach deren Bedürfnissen ausgerichtete Ausbildung. „Zu uns kommen Absolventen aller in Frage kommenden Hochschulen", sagt Rüdiger Schulz, Werkleiter bei Ersol in Erfurt. "Doch wir erleben es immer wieder, dass zwischen der dort üblichen Laborarbeit und den theoretischen Kenntnissen in Grundlagenfächern einerseits und den in einem Unternehmen notwendigen Fähigkeiten andererseits noch erhebliche Lücken bestehen.“ Zwar seien Fachschulen bereits dichter an der Praxis als Universitäten, dennoch fehle es den frisch ausgebildeten Ingenieuren vor allem in betriebswirtschaftlichen Bereichen oft an Kenntnissen. „Es bewerben sich viele junge Leute, die alles über Festkörperphysik wissen und am liebsten die Superzelle entwickeln würden, die aber keine Erfahrungen mit unseren Ablaufprozessen haben, die sich ihre Kenntnisse über Fehlermanagement, Qualitätskontrolle und die Betriebslogistik hier erst erarbeiten müssten“, sagt Schulz. Das benötige dann, abhängig vom Talent der Absolventen, einen beträchtlichen Teil Einarbeitungszeit. Angesichts von rund 1.200 geplanten Neueinstellungen bei Ersol bis 2010 ergäbe sich ein hoher Bedarf an Absolventen des Photovoltiak-Studiums.
Ähnlich sieht man das Problem auch bei Wacker Schott Solar in Jena. „Wir werden in den nächsten drei Jahren bis zu 600 neue Stellen besetzen müssen, darunter natürlich auch Positionen für die Entwicklung und Prozesssteuerung, kündigt Patrick Markschläger von Wacker Schott Solar an. Mehr Praxisnähe sei auch für ihn eine wichtige Forderung an die Ausbildung, wobei die Fachhochschule Jena sehr aufgeschlossen für das Projekt des neuen Studiengangs sei. „Wir werden uns selbstverständlich auch als Unternehmen mit einbringen und die Aus bildung durch Plätze für Praktika und durch Vorlesungen unterstützen, sagt Markschläger.
Kampf um Jung-Ingenieure
Beide Unternehmen rechnen damit, durch den frühzeitigen Kontakt mit den Studenten auch einen Vorteil bei der späteren Karriere-Entscheidung der Jung-Ingenieure zu haben. „Es gibt einen harten Wettbewerb um gute Leute, da ist es von Vorteil, wenn man sich bereits aus der Zeit des Studiums kennt, die jeweiligen Forderungen und Möglichkeiten genau einschätzen kann“, erklärt Schulz, der selbst Vorlesungen in Jena halten will. Denn den Absolventen, die bei entsprechenden Leistungen auch noch ein Masterstudium in der Fachrichtung „Scientific Instrumentation“ anschließen können, dürften nicht nur in der Solar-, sondern auch in der Halbleiterindustrie gute Berufsaussichten haben. „Wir haben bereits Signale aus der Branche, dass es da ein großes Interesse gibt“, sagt der Ersol-Manager.
„Natürlich wissen wir, dass gutes Fachpersonal in der Zukunft nicht mehr allein am freien Markt zu bekommen sein wird, deshalb haben wir auch schon vor Jahren mit einer gezielten Kooperation mit Berufsakademien und Hochschulen begonnen“, sagt Markschläger. An der Fachhochschule Jena, die praktisch vor den Toren des Unternehmens liegt, besitze man bereits gute Grundlagen für den jetzt konzipierten neuen Studiengang, zumal die Spezialisierung erst nach dem zweisemestrigen Grundstudium voll greife.