Die Rückstellungen der Betreiber der deutschen Atomkraftwerke für die Stilllegung und den Rückbau ihrer Anlagen sowie die Entsorgung des Atommülls reichen nicht aus. Experten schlagen zudem die Einzahlung in einen insolvenzsicheren Fonds vor.
Die Rückstellungen der Betreiber der deutschen Atomkraftwerke werden die anfallenden Kosten nach der Abschaltung der Anlagen nicht ausreichen. Zumindest besteht das Risiko, dass die 36 Milliarden Euro, die die Kraftwerksbetreiber bisher für die Entsorgung der Abfälle sowie die Stillegung und den Rückbau der Kraftwerke zurückgestellt haben, nicht ausreichen. Das ist eines der zentralen Ergebnisse einer Studie des Forums ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag des Bundes für Umwelt. Und Naturschutz Deutschland (BUND).
Kostensteigerungen befürchtet
Die Experten des FÖS beziffern die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau der 23 noch zurückzubauenden kommerziellen Kernkraftwerke auf mindesten 48 Milliarden Euro. „Darin sind moderate Risikoaufschläge aufgrund zu erwartender Kostensteigerungen berücksichtigt“, betonen die Autoren der Studie. Die bisherigen Rückstellungen könnten nur ausreichen, wenn wenn keine höheren Kostensteigerungen auftreten und die Betreiber der Kraftwerke eine reale Rendite von deutlich über zwei Prozent bis zur Fälligkeit der Rückstellungen realisieren. „Das Risiko von Kostensteigerungen ist aufgrund der technischen Unwägbarkeiten sowie der geringen Erfahrung bei der nuklearen Entsorgung als besonders hoch einzuschätzen. Damit besteht ein signifikantes Risiko, dass die Atomrückstellungen nicht ausreichen“, fassen die Autoren ihre Ergebnisse zusammen.
Rückstellungen komplett schleierhaft
Zudem ist völlig unklar, wie die AKW-Betreiber ihre Rückstellungen berechnen. Die Höhe fällt je nach Betreiber völlig unterschiedlich aus. Während Vattenfall immerhin 2.000 Euro pro Kilowatt Kraftwerksleistung zurückgestellt hat, begnügt sich RWE mit 1.300 Euro pro Kilowatt. Aber niemand weiß genau, für welchen Zweck, für welches Kraftwerk und für welchen Zeitpunkt die Rückstellungen vorgesehen sind. Auch über Beweggründe für zurückliegende Aufstockungen bzw. Auflösungen der Rückstellungsbeträge lägen kaum Informationen vor, kritisieren die Experten vom FÖS. „Deshalb muss eine unabhängige Prüfung für mehr Transparenz bei den Rückstellungen sorgen“, fordert Bettina Meyer vom FÖS. „Um diese unsichere Ausgangslage zu verbessern, sind neben Transparenz und Fondslösung für die langfristigen Kosten weitere politische Reformen notwendig“, ergänzt Swantje Krüger, vom FÖS und Mitautorin der Studie.
Geld insolvenzsicher parken
Sie schlägt deshalb vor, die Rückstellungen für die langfristigen Verpflichtungen insolvenzsicher in einen öffentlich-rechtlichen Fonds zu überführen. Dazu gehören unter anderem die Kosten für die Endlagerung des Atommülls. „Bleiben die bisher vorhandenen rund 36 Milliarden Euro Rückstellungen für Stilllegung und Rückbau der Atomanlagen und die Atommülllagerung in der Hand der Stromkonzerne, ist die Finanzierung der Folgekosten der Atomenergie infrage gestellt“, kommentiert Hubert Weiger Vorsitzender des BUND. „In den zurückliegenden Jahrzehnten haben die Betreiber deutscher Atomkraftwerke mit den Rückstellungen für die Atommüllentsorgung Zusatzprofite in Höhe von 79 Milliarden Euro erwirtschaftet. Diese Gelder sind jedoch in den Bilanzen und Gewinnen der AKW-Betreiber verschwunden.“
Betreiber könnten sich drücken
Zu befürchten sei auch, dass sich bis zum Zeitpunkt der Zahlungsfälligkeit die AKW-Betreiber bzw. deren Mutterkonzerne umorganisierten, um Zahlungsverpflichtungen zu umgehen. Insolvenzen seien ebenfalls nicht auszuschließen. „Zum Schutz der Rückstellungen vor Insolvenzen muss die Verantwortung der Mutterkonzerne auf lange Zeit garantiert und durch geeignete Instrumente abgesichert werden“, fordert Swantje Krüger. (Sven Ullrich)