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Schwierige Integration

In Dächer integrierbare Photovoltaikanlagen sind en vogue. Das zeigen die vielen Neuheiten, die diverse Hersteller bei den jüngsten Messen präsentierten. Die Bezeichnungen sind unterschiedlich: Indachanlage, Indachmodul, Solardachstein, Solardachfolie oder hinterlüftetes Indachsystem. Gemeinsam ist den Produkten, dass sie selbst die Dachabdeckung bilden und auf das für Aufdachmontagen charakteristische Trägersystem als Unterkonstruktion verzichten. Zudem erfüllen sie zwei Funktionen: Einerseits schützen sie das Gebäude vor Witterungseinflüssen, andererseits dienen sie unmittelbar der solaren Stromerzeugung. Ein interessantes Beispiel ist das seit Sommer 2010 mit 114 Indach-Solarmodulen eingedeckte Dach des Vermessungsamts im bayerischen Memmingen. Ähnliche Projekte wurden auch in anderen Bundesländern realisiert.

Allerdings hatten es dachintegrierte Photovoltaikanlagen bisher zumindest im steuerlichen Vergleich schwer, mit Aufdachanlagen zu konkurrieren. Denn die Finanzämter mussten sich mit der Frage beschäftigen, ob das jeweilige (Indach-)Produkt als unselbständiger Gebäudebestandteil oder als selbständig bewertbare Betriebsvorrichtung zu beurteilen war. Die Antwort auf diese Frage ist ertragsteuerlich von enormer Tragweite, davon hängt sowohl die Art der Absetzungen für Abnutzung sowie die Anwendung der Rücklage (Paragraf 7g Einkommensteuergesetz, EStG) ab. Gilt die Anlage beispielsweise als unselbständiger Gebäudebestandteil, hat das zur Folge, dass das (Indach-)Produkt das Schicksal der Abschreibung für das Gebäude zu tragen hat, also die degressive Abschreibung und die genannte Rücklage nicht anwendbar sind.

Anlagen vor Gericht

Zwei Beispiele aus der Rechtsprechung: In Ehingen endete die Auseinandersetzung zwischen einem Betreiber einer Indachanlage und dem Finanzamt mit einem Vergleich. Darin wurde die Entscheidung des Finanzamtes bestätigt, nach der eine Indach-Solarstromanlage über 50 Jahre abzuschreiben sei. Allerdings konnte das Finanzamt die vorangegangenen und bereits rechtskräftigen Steuerbescheide nicht rückwirkend ändern, so dass für den Anlagenbetreiber immerhin keine Verschlechterungen eintraten. Und in einem anderen Fall hatte das Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Urteil vom 19. März 2007, Aktenzeichen 5 K 1639/05) entschieden, dass – ganz konkret – eine Dachziegel-Photovoltaikanlage kein bewegliches Wirtschaftsgut sei. Die Dachziegel-Photovoltaikanlage sei weder Scheinbestandteil im Sinne des Paragrafen 95 BGB noch Betriebsvorrichtung, weil die Solarziegel (auch) die Funktion eines üblichen Hausdaches erfüllen, welches regulär mindestens 20 Jahre genutzt wird.

Bei Aufdachanlagen ist die Situation anders (siehe photovoltaik 02/2008 und 03/2008). Eine Aufdach-Photovoltaikanlage ist als selbständig bewertbares, abnutzbares und bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu beurteilen; die jeweiligen Anschaffungskosten einer Photovoltaikanlage sind auf die Nutzungsdauer zu verteilen. Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um die Photovoltaikanlage zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie der Photovoltaikanlage einzeln zugeordnet werden können. Die Nutzungsdauer beträgt nach der amtlichen AfA-Tabelle 20 Jahre, der jährliche AfA-Betrag ist entweder gemäß der linearen oder der degressiven AfA-Methode (siehe Paragraf 7 Absätze 1 oder 2 EStG) zu ermitteln.

Hingegen gelten für Gebäude oder für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, abweichende Regelungen (vergleiche Paragraf 7 Absätze 4 oder 5a EStG). Für Gebäude, soweit sie zu einem Betriebsvermögen gehören und nicht Wohnzwecken dienen und für die der Bauantrag nach dem 31. März 1985 gestellt worden ist, beträgt der AfA-Satz jährlich drei Prozent; dies entspricht einer Nutzungsdauer von 33 Jahren. Für Gebäude, soweit sie die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllen und nach dem 31. Dezember 1924fertiggestellt worden sind, beträgt der AfA-Satz jährlich zwei Prozent; dies entspricht einer Nutzungsdauer von 50 Jahren – wurden sie vor dem 1. Januar 1925 fertiggestellt, beträgt der AfA-Satz jährlich 2,5 Prozent; dies entspricht einer Nutzungsdauer von 40 Jahren. Beträgt die tatsächliche Nutzungsdauer eines Gebäudes weniger als 33, 40 oder 50 Jahre, so können die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden.

Beweglich oder unbeweglich?

Der Begriff des Wirtschaftsguts setzt dessen selbständige Bewertbarkeit voraus. Das Einkommensteuerrecht nimmt eine Abgrenzung der beweglichen von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern auf der Grundlage des bürgerlichen Rechts über die wesentlichen Gebäudebestandteile und Scheinbestandteile (Paragrafen 93 ff. BGB) und des Bewertungsrechts vor (vergleiche Paragraf 68 Absatz 2 Nummer 2 und Paragraf 99 Absatz 1 Nummer 1 Bewertungsgesetz (BewG) sowie die gleichlautenden Erlasse der oberstenFinanzbehörden der Länder vom 15. März 2006 im Bundessteuerblatt Teil I Seite 314). Nach der Legaldefinition des Paragrafen 93 BGB sind „wesentliche Bestandteile“ einer Sache anzunehmen, wenn sie voneinander nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder der andere zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Nach Paragraf 94 Absatz 2 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen. „Eingefügt“ sind danach alle Sachen, ohne die das Gebäude nach der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung des Willens des Errichtenden nicht fertig ist. Auf eine feste Verbindung kommt es bei der Einfügung nicht an. Danach ist beispielsweise das Wirtschaftsgut Dachziegel ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes. Gleiches gilt für einen Solardachziegel.

Zu den unbeweglichen Wirtschaftsgütern zählt das Grundvermögen, zu dem auch Gebäude gehören. Für die Ertragsteuer ist vom Gebäudebegriff nach der Verkehrsauffassung auszugehen. Danach ist ein Bauwerk als Gebäude anzusehen, wenn es nicht nur fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist, sondern auch Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt und den Aufenthalt von Menschen gestattet. Schutz gegen Witterungseinflüsse bietet auch das Dach mitsamt seinen Konstruktions- und Eindeckungsmaterialien. Die Dacheindeckung gewährt dabei dem Gebäude den nötigen Schutz gegen Witterungseinflüsse. Die Verwendung von Solardachziegeln, die darüber hinaus noch eine Zusatzfunktion – die solare Stromerzeugung – haben, führt zu keiner anderen Beurteilung. Ein Dach ist somit wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes.

Nicht in das Grundvermögen einbezogen und damit als bewegliche Wirtschaftsgüter zu qualifizieren sind hingegen Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile im Sinne von Paragraf 94 BGB sind. Sie werden Betriebsvorrichtungen genannt. Zu ihnen gehören alle Vorrichtungen, mit denen ein Gewerbe unmittelbar betrieben wird. Für die Feststellung im Einzelfall sind die Anweisungen in den gleichlautendenErlassen der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend die Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 31. März 1992 (Bundessteuerblatt Teil I Seite 342) maßgebend. Außerdem sind Scheinbestandteile (Paragraf 95 BGB) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch steuerrechtlich stets als bewegliche Wirtschaftsgüter anzusehen.

Neuer Ansatz der Finanzbehörden

Im Steuerrecht ist grundsätzlich jeder Einzelfall gesondert zu würdigen. Somit können unterschiedliche Indach-Produkte abhängig von ihrer Bau- und Ausführungsart durchaus zu unterschiedlichen steuerlichen Ergebnissen führen. Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben sich vor Kurzem dieser Problematik angenommen und erörtert, ob Finanzämter weiterhin jeden Einzelfall mit einer dachintegrierten Photovoltaikanlage gesondert zu betrachten haben oder ob die für die Auslegung des Steuerrechts relevanten Bestimmungen einer generellen Betrachtung zugänglich sind. Sie haben sich für letztere Lösung ausgesprochen und entschieden, dass eine dachintegrierte Photovoltaikanlage wie ein selbständiges, bewegliches Wirtschaftsgut zu behandeln sei. Damit haben sie eine Fiktion geschaffen, durch die dachintegrierte Photovoltaikanlagen ungeachtet ihrer bewertungsrechtlichen Zuordnung zu den Gebäudebestandteilen für ertragsteuerliche Zwecke wie Betriebsvorrichtungen zu behandeln sind. Dies gilt allerdings nur für das Photovoltaikmodulselbst. Nicht zur Photovoltaikanlage, sondern zum Gebäude gehört dagegen die Dachkonstruktion. Die darauf entfallenden Aufwendungen sind daher dem Gebäude entweder als Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten oder als Erhaltungsaufwendungen zuzurechnen. Soweit durch eine dachintegrierte Photovoltaikanlage Aufwendungen entstehen, die ausschließlich der solaren Stromerzeugung dienen, sind diese Aufwendungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen. Das Gleiche gilt auch für Mehrkosten, die gegenüber einer Dacheindeckung ohne Photovoltaikanlage entstehen. Die Finanzämter haben die Entscheidung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zu beachten.

Zu dieser Thematik einschlägige aktuelle Veröffentlichungen der Steuerverwaltung treffen keine näheren Aussagen zur Abgrenzung eines „unselbständigen wesentlichen Gebäudebestandteils“ von einer „selbständig bewertbaren Betriebsvorrichtung“. Ländererlasse wenden diesen Beschluss auf Photovoltaikanlagen an, die anstelle der Dachhaut eingesetzt werden. Zudem werden in einigen Erlassen Solardachziegel erwähnt.

Fazit: Mittlerweile gibt es ertragsteuerlich eine klare Rechtslage für dachintegrierte Photovoltaikanlagen, sie sind mit Aufdachanlagen gleich zu behandeln. Allerdings gelten für andere Steuerarten wie Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer andere Ausführungen. In eine Wirtschaftlichkeits- und Liquiditätsberechnung sollten daher finanzielle Auswirkungen durch steuerliche Beurteilungsunterschiede einfließen.

Die Aufwendungen für eine dachintegrierte Photovoltaikanlage, bei Solardachziegeln nur die Aufwendungen für das Photovoltaikmodul, sind Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein selbständig bewertbares, abnutzbares und bewegliches Wirtschaftsgut. Für diese Behandlung ist unmaßgeblich, ob die Anlage im Zuge der Neuerrichtung eines Gebäudes oder im Zuge einer Dachsanierung angeschafft beziehungsweise hergestellt wird.

Dachintegrierte Photovoltaikanlagen oder Solardachziegel sind als notwendiges Betriebsvermögen dem Gewerbebetrieb „Solare Stromerzeugung“ zuzurechnen. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dachintegrierter Photovoltaikanlagen oder von Solardachziegeln sind auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nach der amtlichen AfA-Tabelle von 20 Jahren abzuschreiben. Der jährliche AfA-Betrag ist entweder gemäß der linearen oder der degressiven AfA-Methode (siehe Paragraf 7 Absätze 1 oder 2 EStG) zu ermitteln. Die degressive AfA-Methode gilt nur für Photovoltaikanlagen, die nach dem 31. Dezember 2008 und vor dem 1. Januar 2011 angeschafft worden sind.

Die Bildung von Rücklagen ist unter den Voraussetzungen der einschlägigen Paragrafen möglich. Beispielsweise kann für die geplante Anschaffung einer dachintegrierten Photovoltaikanlage ein Investitionsabzugsbetrag nach Paragraf 7g Absatz 1 EStG im Jahr vor der Inbetriebnahme gebildet werden. Ebenso sind Sonderabschreibungen nach Paragraf 7g Absatz 5 EStG für die Anschaffungs- oder Herstellungskosten einer dachintegrierten Photovoltaikanlage möglich.

Nicht zur Photovoltaikanlage, sondern zum Gebäude gehört dagegen die Dachkonstruktion. Die darauf entfallenden Aufwendungen sind daher dem Gebäude entweder als Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten oder als Erhaltungsaufwendungen zuzurechnen.

Für dachintegrierte Photovoltaikanlagen oder Solardachziegel, bei denen Zweifel in der ertragsteuerlichen Beurteilung bestehen, bieten die vorgenannten Ausführungen zur Abgrenzung von Gebäude und Betriebsvorrichtung eine fundierte Grundlage. Bei verbleibenden Zweifeln können potenzielle Anlagenbetreiber auch Kontakt mit ihrem zuständigen Finanzamt aufnehmen.

Bezeichnungen prüfen

Ein verkaufsfördernder Service wäre es, wenn Anbieter einer dachintegrierten Photovoltaikanlage dafür sorgen würden, dass ihre jeweiligen Produkte aus ertragsteuerlicher Sicht genauso wie Aufdachanlagen behandelt werden dürfen. Die Begrifflichkeiten, die die Steuerverwaltung und die Unternehmen verwenden, sind nicht deckungsgleich. Die Steuerverwaltung spricht von „dachintegrierten Photovoltaikanlagen“ und erwähnt daneben „Solardachziegel“. Zur näheren Definition spricht sie von „Photovoltaikanlagen, die anstelle der Dachhaut eingesetzt werden“. Unternehmen sollten untersuchen, ob ihre Indach-Produkte unter diese Begriffe subsumiert werden können.

Rainer Doemen

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