Der erste Entwurf des Gesetzes zur Reform des EEG liegt auf dem Tisch. Gegenwärtig wird er verhandelt, vor und hinter den Kulissen. Ihn zu lesen, ist eigentlich kaum die Mühe wert, die Details sind bekannt. Aber, hoppla! Beim Stöbern liest sich das kundige Auge dann doch fest. „Zugleich macht sie (die Energiewende – HS) die Volkswirtschaft unabhängiger von knapper werdenden fossilen Rohstoffen und schafft neue Wachstumsfelder mit erheblichen Arbeitsplatzpotenzialen“, schreiben die Beamten in ihrer Präambel. „Die Energiewende verbindet daher wirtschaftlichen mit sozialem und ökologischem Erfolg.“ Na, Mensch, da ist doch was angekommen in den Beamtenhirnen. Wir freuen uns mit den Autoren, müssen aber sogleich erfahren: „Vor diesem Hintergrund wird die Bundesregierung die Entwicklung zu einer Energieversorgung ohne Atomenergie und mit stetig wachsendem Anteil erneuerbarer Energie konsequent und planvoll fortführen.“
Planmäßige Beamtenhirne
Das liest sich wie die staubtrockenen Pamphlete, die Ex-Staatschef Erich Honecker während der SED-Parteitage in Ostberlin verkündete. Damals lief alles „planmäßig“ und „konsequent“, von oben nach unten, denn der Markt existierte nicht. Das war Schnee von gestern, sozusagen eine Ausgeburt des faulenden, sterbenden Kapitalismus. Scheinbar existiert der Energiemarkt in den Köpfen der Bürokraten noch immer nicht. Als ob eine Bundesregierung in der Energiewende jemals irgendetwas „planmäßig“ oder „konsequent“ geregelt hätte. Bisher regierte das Chaos, Hin und Her, Hü und Hott, immer neue Konzepte wurden durchs Dorf gejagt wie wilde Säue.
Beispiele gefällig? Wurde der Eigenverbrauch von Sonnenstrom vor kurzem noch ausdrücklich gefördert, soll er nun mit der EEG-Umlage belastet werden. Statt den Einsatz von Speichern (gleichfalls gefördert) zu belohnen, muss der Eigenverbraucher künftig Netzgebühren und Stromsteuer zahlen. Gleichzeitig sind tausende deutsche Betriebe befreit, summieren sich die Privilegien auf mehr als fünf Milliarden Euro. Diese Unternehmen sind von der EEG-Umlage befreit, von Staats wegen ...
Abbau von Überförderung?
Doch weiter in dem hübschen Text: „Zugleich soll diese Novelle die Kostendynamik der vergangenen Jahre beim Ausbau der erneuerbaren Energien durchbrechen und so den Anstieg der Stromkosten für Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher begrenzen.“ Wieder so ein Lapsus, der tiefe Einblicke in die Denkstruktur der Autoren erlaubt. Denn mittlerweile pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien kaum noch Auswirkungen auf die EEG-Umlage und damit auf die Strompreise hat. Mit einer Ausnahme: die Offshore-Windkraft. Sie erhält die höchsten Vergütungssätze, einen Risikoausgleich (als marktwirtschaftliche Beihilfe?!) und durch die hohen Kosten für den Bau neuer Stromtrassen quer durch die Lande. Irgendwo muss der teure Strom von der See ja hin. Und was schreiben unsere Energiewendeplaner? „Um die Ausbauziele kosteneffizient zu erreichen, soll sich der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien auf die kostengünstigen Technologien konzentrieren. Zu diesem Zweck wird mit diesem Gesetz die technologiespezifische Förderung stärker gesteuert, und die Kosteneffizienz wird durch den Abbau von Überförderungen, die Streichung von Boni und eine ambitionierte, stärker an dem tatsächlichen Zubau ausgerichtete Degression der Fördersätze verbessert.“
Kollektiver Unsinn
Eine wahrhaft köstliche Lektüre! Es ist nicht bekannt, ob der erste Entwurf der EEG-Reform von Experten durchgesehen worden ist, und zwar vor der Freigabe für die Abstimmungen der kommenden Tage und Wochen. So viel Unsinn und so viele Widersprüche hat man bisher nicht einmal in einer Vorlage für die Energiewende gefunden. Da entlädt sich der kollektive Unsinn der Amtsschimmel, das Wiehern hallt vom Wirtschaftsministerium von der Berliner Mitte bis nach Pankow, wo früher die SED regierte.
Doch nun der Hammer: „Schließlich sieht die EEG-Novelle Änderungen vor, die zu einer angemessenen Verteilung der Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien führen. Es sollen alle Stromverbraucherinnen und Stromverbraucher in adäquater Weise an den Kosten beteiligt werden, ohne dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der stromintensiven Industrie gefährdet wird. Vor diesem Hintergrund wird die Besondere Ausgleichsregelung anhand objektiver, transparenter und europarechtskonformer Kriterien überarbeitet und eine ausgewogene Regelung für die Eigenproduktion von Strom eingeführt.“
Von wegen Gerechtigkeit
Das spottet dem Begriff der Energiewende Hohn, schreibt es doch den hausgemachten Unsinn dieser Koalition fort. Und klar dürfte sein, dass Europa mit einer solchen „Ausgleichsregelung“ nicht einverstanden ist. Es sei denn, Brüssel übernimmt fortan die Rolle, die früher Moskau und dem Kreml zukam. Aber, ganz am Ende des Traktats, kommt die Katze aus dem Sack: Es geht überhaupt nicht um sinkende Strompreise, um Gerechtigkeit und Ausgleich. „Die bisherige weitgehende Freistellung des Eigenverbrauchs von Umlagen und Abgaben hat den Eigenverbrauch finanziell sehr attraktiv gemacht und dadurch angereizt; dies führt zu Ausfällen bei der Stromsteuer“, schreiben die Beamten. „Durch die anteilige Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage wird diese Entwicklung gebremst, und die Einnahmeausfälle bei der Stromsteuer werden begrenzt.“ Klartext: Der Staat fürchtet um seine Einnahmen! Es geht also um die Diäten der Abgeordneten, die soeben ordentlich erhöht wurden. Dann haben wir bald eine Wärmesteuer, eine Bahnsteuer oder eine Sauerstoffsteuer, eine Steuer für Fernsehen und Rundfunk gibt es ja schon. Oder eine Internetsteuer? Oder eine Steuer zur Aufrechterhaltung der brandenburgischen Tagebaue? Man darf gespannt sein, ob sich die deutschen Gerichte vor diesen ideologischen Karren spannen lassen.
Gewerkschafter fordert Kohlekombinat
Wie krude diese Logik ist, beweist ein Vorschlag, den die Gewerkschaften jüngst unterbreiteten. Traditionell den Sozialdemokraten zugeneigt, schmelzen ihre Mitgliederzahlen gleichfalls wie der Schnee in der warmen Frühlingssonne. In allen deutschen Kohlekraftwerken arbeiten nach ihrer Angabe rund 5.000 Menschen. Die Kraftwerke sollten nun in eine nationale Gesellschaft übergehen, natürlich gegen Geld. Auf diese Weise könne man sie besser auslasten, als wenn sie in Konkurrenz laufen würden, verteilt auf die großen Energiekonzerne. Dieser Vorschlag stammt von Michael Vassiliadis, dem Chef der IG Bergbau, Chemie und Energie. Beim Zechensterben in den 1960er Jahren habe es mit einer solchen Konstruktion gute Erfahrungen gegeben. Der Mann meint das ernst, kein Schärz zur Fassenacht!
Also, Genossen: Vorwärts zur Energiewende, rückwärts um fünfzig Jahre! Mein Vorschlag: Die EEG-Reform behandeln wie seinerzeit die SED. Vom Tisch damit! Schluss mit den Kombinaten! Mehr Mut zum Markt!