100 Experten kamen in den vergangenen zwei Tagen in Leipzig zusammen, um Wege aus der Krise zu finden, in der sich inzwischen nicht nur die deutschen Modulhersteller, sondern auch die Maschinenbauer befinden. Die Tagung wurde von dem Verein Solarinput, einem Kompetenznetzwerk der Solarbranche in Thüringen, und vom Verband der Produktionsmittelhersteller (VDMA) Photovoltaik-Produktionsmittel Ost organisiert.
Auf den ersten Blick sind die Aussichten für die Maschinenbauer zur Zeit duster. Das zeigen die Zahlen von Peter Fath, CTO von Centrotherm und Vorsitzender des VDMA Photovoltaik-Produktionsmittel. „Letztes Jahr wurden deutlich mehr Kapazitäten aufgebaut als benötigt. Der Markt wurde mehr oder weniger verdoppelt“, sagt Fath. Er schätzt die weltweit installiert Modul-Produktionskapazität auf über 60 Gigawatt. Dem steht ein Markt von rund 30 Gigawatt Photovoltaikproduktion gegenüber. Nicht zuletzt deshalb sind zurzeit die Module so billig. Einige Hersteller verkaufen dabei unter Herstellungskosten. Selbst wer eine gute Kostenstruktur hat, könne wohl nicht unter 50 Eurocent pro Watt produzieren.
Auf den zweiten Blick sind die Aussichten laut Fath jedoch deutlich besser. Rund 20 Prozent der Maschinen in den Produktionslinien sei veraltet und würde über kurz oder lang ausgemustert. „Ziehen wir 20 Gigawatt ab, sieht es nicht mehr ganz so duster aus“, sagt er. Asiatische Produzenten brauchten außerdem nur 50 bis 60 Prozent Auslastung, bevor sie wieder investieren können. Berücksichtige man das auch, könne es schon 2014 wieder losgehen. Bis dahin durchzuhalten sei möglich. Allerdings ist es dazu nötig, die Kosten entsprechend zu senken. „Die Kunden werden 2014 sehr anspruchsvoll sein“, sagt Fath.
Die Herausforderung für den deutschen Maschinenbau ist, den Weltmarktanteil im Bereich Photovoltaik von 41 Prozent in 2011 zu halten. Davon hängen nicht zuletzt die rund 12.000 Arbeitsplätze ab, die der VDMA für Deutschland zählt. Die Exportquote beträgt dabei 89 Prozent.
Mehr Kooperation nötig
Die Organisatoren des Workshops wollen dazu vor allem die Kooperation zwischen Maschinenbauern untereinander und den Modulherstellung fördern. Diese war in der Vergangenheit nicht immer gut. Die Modulhersteller hatten zwischenzeitlich Bedenken, wie viel ihres Know Hows nach China fließt, wenn die Maschinen auch dorthin verkauft werden. Allerdings scheinen beide Seiten wieder mehr aufeinander angewiesen zu sein. Auf dem Konferenzflur war zu vernehmen, dass sie seit einem knappen Jahr wieder mehr aufeinander zu gehen und auch Wege finden, das Know How ausreichend zu sichern. „Es gibt eine Zusammenarbeit“, sagt Peter Rau, Gründer Senior Vice President der Roth &Rau AG. „Aber, es gibt klare Regeln. Eine ist, dass man nicht drüber spricht.“
Beide Seiten müssen etwas davon haben. Der Maschinenbauer, weil er bessere Anlagen entwickeln kann, wenn er es in Zusammenarbeit mit in Deutschland ansässigen Herstellern macht. Der Modulhersteller, indem er einen zeitlichen Vorteil bekommt und eine neue Technologie etwas früher als seine Wettbewerber einführen kann. Allerdings kann er sich nicht darauf ausruhen, was der Maschinenbauer ihm liefert. Mittelfristig muss er besser sein als andere Hersteller, die das gleiche Equipment nutzen. „Den Tick oben drauf, den muss der Modulhersteller bringen“, sagt Rau.
Für Peter Fath ist eine bessere Zusammenarbeit essentiell. Pro Jahr soll der Wirkungsgrad der Zellen, die auf den Maschinen von Centrotherm produziert werden, um einen halben Prozentpunkt steigen. Doch wenn ein Entwicklungsschritt früher zwei Millionen gekostet habe, koste er jetzt sieben bis zehn und in absehbarer Zeit vielleicht 20 Millionen. "Das ist eine Herausforderung. Lassen Sie uns zusammenrücken", sagt Fath.
Ulrich Link, COO von Solarwatt, hält die Kooperation mit Maschinenbauern zwar auch für wichtig, sieht jedoch noch nicht wie es gehen kann. Es reiche nicht, auf den Patentschutz zu verweisen, damit Modulhersteller vor dem Know-How-Abfluss geschützt seien. Solarwatt stellt Module her und befand sich wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung im so genannten Schutzschirmverfahren in Eigenverwaltung. Am Dienstag wurde bekannt, dass die Gläubiger dem Restrukturierungsplan zustimmen und das Unternehmen durch den Einstieg von BMW-Erbe Stefan Quandt wieder neues Eigenkapital hat. In Zukunft wird es sich zu einem Systemanbieter wandelt, „das Lösungen statt Module verkauft“. Dazu gehören unter anderem installationsfreundliche Indachsysteme und alles, was dem Kunden hilft, seinen Eigenverbrauch zu erhöhen. Die Module sollen weiter „Made in Dresden“ sein, da Solarwatt nur so die Qualität sicherstellen könne.
Masdar PV setzt dagegen ganz auf Kostensenkung. Es ist eines der wenigen Unternehmen, dass noch auf Sunfabs, deren Verkauf Applied Materials inzwischen eingestellt hat, sechs Quadratmeter große Siliziumdünnschichtmodule produziert. Das Unternehmen besitzt zwei Linien mit zusammen 190 Megawatt Kapazität. Davon läuft jedoch nur eine und die nur zu 30 Prozent. Wolfgang Springer von Masdar PV sieht jedoch noch Kostensenkungspotenzial, unter anderem bei Backrails und Folien und der Glasverarbeitung. Zurzeit haben die Module nach seiner Aussage einen Wirkungsgrad von knapp zehn Prozent. Das Unternehmen will ihn auf bis zu zwölf Prozent steigern, um wieder konkurrenzfähig zu werden.
Im Bereich Siliziumproduktion sind die großen Margen für die Hersteller auch vorbei. Von 70 Euro pro Kilogramm ist der Preis inzwischen auf 18 Euro gefallen, so Hubert Aulich, Vorstandsvorsitzender von Solarinput, von Solarvalley Mitteldeutschland und im Vorstand des Siliziumproduzenten PV Crystalox. Das sei deutlich weniger als bei der Planung der Produktionen erwartet. Die einzige Chance sei, neue Technologien zu entwickeln. Das geschehe in Zusammenarbeit mit dem Maschinenbau.
Antidumping: Diplomatische Lösung bevorzugt
Ihn trieb vor allem die Frage um, was die deutschen Unternehmen in die Krise geführt hat. Egal zu wie niedrigen die chinesischen Hersteller angeblich produzieren könnten, ein Blick in die Bilanzen offenbare, dass die meisten Schulden machten wie die Wettbewerber andernorts, nur dass sie durch eine Industriepolitik der Regierung gestützt würden.
Bei der Frage, ob es dadurch unfaires Dumping gebe oder nicht und wie man damit umgehen solle, traten deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Modulherstellern und Maschinenbauern zutage. Strafzölle – egal ob berechtigt oder unberechtigt – könnten zwar europäische Modulhersteller schützen, jedoch den exportorientierten Maschinenbauer schaden. „Doch auch wenn die EU Strafzölle einführt, werden die Überkapazitäten nicht beseitigt. Das wird den Modulherstellern nicht helfen“, sagt Eric Maiser vom VDMA-PV. Die Strafzölle würden zu Gegenmaßnahmen führen und damit gerade dazu, dass die Märkte nicht so schnell wachsen wie sie ohne Strafzölle könnten. „Marktwachstum ist jedoch das, was wir brauchen“, sagt Maiser.
Wie auch immer die Anwesenden die von Solarworld initiierte Anti-Dumpingklage einschätzten – auch bei der abschließenden Podiumsdiskussion schien niemand glücklich, dass das Thema so an die große Glocke gehängt wurde. Es sei zwar richtig, mögliche Wettbewerbsverzerrungen zu prüfen. Das Problem gehöre dann diplomatisch gelöst, ohne dass jemand das Gesicht verliert. Michael Fuhs