Die Firmen heißen Leo Solar, High Solar oder Phönix Solar, um nur einige zu nennen. Sie beschäftigen eine Handvoll, ein paar dutzend oder hunderte Mitarbeiter. Sie sind Familienbetriebe, GmbHs oder Aktiengesellschaften. Sie beraten, planen oder installieren, und ihr Aktionskreis reicht von lokal bis international. Zwei Dinge haben sie aber gemeinsam: Sie beschäftigen sich vor allem mit Photovoltaik, und sie wurden vor noch nicht allzu langer Zeit in Ulm gegründet. Phoenix Sonnenstrom hat seinen Hauptsitz zwar mittlerweile nach Sulzemoos verlegt, verfügt aber in der schwäbischen Stadt noch immer über eine Technikabteilung mit hochqualifizierten Ingenieuren. Damit sind diese Unternehmen der Beweis für die wirtschaftlich belebenden Effekte, die kommunales Engagement für Photovoltaik vor Ort erzeugt.
„Wir haben früh erkannt, dass die Erneuerbaren gut in unser Wunschprofil als Wissensstadt passen“, sagt Paul Jäger, ehemals Umweltreferent, jetzt Abteilungsleiter strategische Planung der Stadt Ulm sowie Geschäftsführer der örtlichen Solarstiftung. Entscheidend war hier 1996, als Ulm ein kommunales Solarjahr ausrief. „Wir haben damals versucht, durch permanente Aktionen und Information der Bürger Aufmerksamkeit zu erzeugen“, erinnert sich Franz Popp, der heute als Umweltplaner bei der Stadt Ulm tätig ist. Dazu gehörte auch die Anschaffung eines Solarboots, das auf der Donau fährt, oder die Installation solarer Kunst im öffentlichen Raum. Außerdem zahlte Ulm schon lange vor der Einspeisevergütung eine Mark pro erzeugte Kilowattstunde an seine Bürger. Heute sind in Ulm 17 Megawatt Photovoltaik installiert. Das ist genauso viel wie im etwa zehn Mal größeren München.
Was das Engagement für Photovoltaik kommunalökonomisch bedeutet, hat eine aktuelle Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) mit dem Titel „Kommunale Wertschöpfung durch erneuerbare Energien“ durch die Addition aller Wertschöpfungsschritte von der Produktion der Solarzellen bis zum Abschluss der Installation hochgerechnet. Ihr zufolge generiert ein Kilowatt einer Photovoltaik-Kleinanlage nur durch Planung und Installation eine kommunale Wertschöpfung von 300 Euro, ein Megawatt also 300.000 Euro. Nach der Systematik der IÖW-Studie gehört allerdings zum Beispiel auch die meist auswärtige Produktion von Installationsmaterial in diese Stufe, die wirkliche Summe dürfte etwas darunter liegen. Während des laufenden Betriebs kommen jährlich 112 Euro/Kilowatt hinzu. Angenommen, es befänden sich in Ulm ausschließlich Photovoltaik-Kleinanlagen aus dem Jahr 2009, dann wären allein durch Stufe Planung und Installation 5,1 Millionen Euro lokale Wertschöpfung zustande gekommen. Der Betrieb der Ulmer Photovoltaik-Kleinanlagen mit 17 Megawatt generiert nach den IÖW-Daten in 20 Jahren weitere 38 Millionen Euro Wertschöpfung vor Ort.
Ob diese Summen für Ulm tatsächlich stimmen, weiß Jäger nicht genau. Schließlich gehören zu den 17 Megawatt auch größere Anlagen, zum Beispiel auf öffentlichen Gebäuden. Die haben ein anderes Wertschöpfungspotenzial. Das kann sich allerdings ebenfalls sehen lassen: Bei großen Dachanlagen sind es nach der IÖW-Studie für Planung und Installation 304.000 Euro/Megawatt, im Betrieb kommen noch einmal 120.000 Euro/Megawatt jährlich hinzu. Bei Freiflächenanlagen lauten die entsprechenden Werte 264.000 Euro für Installation und Planung und 90.000 Euro/Megawatt für den Betrieb. Die Wertschöpfungsketten und -summen wurden in drei Beispielkommunen unterschiedlicher Größe durch Befragungen verfeinert und angewendet, um sie auf Plausibilität zu prüfen.
Über zwei Milliarden im Jahr
Rechnet man die Photovoltaik-Wertschöpfung der Kommunen auf ganz Deutschland hoch, ergeben sich laut der Studie für das Jahr 2009 knapp 2,4 Milliarden Euro – bei Windenergie, der Nummer zwei der Wertschöpfungshitparade, sind es nur rund zwei Milliarden Euro. Die Beschäftigungseffekte der Photovoltaik lagen bei rund 46.000 Stellen – hier schafft Wind nur etwa die Hälfte. Die Summe der Wertschöpfung für alle erneuerbaren Energien liegt bei 6,7 Milliarden Euro. Würde das Szenario des Bundesverbands Erneuerbare Energien zur Energieerzeugung in Deutschland 2020 umgesetzt, könnte Photovoltaik sogar 3,7 Milliarden Euro kommunaler Wertschöpfung erzeugen und mehr als 63.000 Stellen schaffen. Alle erneuerbaren Energien zusammen würden dann etwa 12 Milliarden Euro bundesweit generieren.
Ein weiteres Beispiel für eine kommunale Solar-Erfolgsgeschichte ist der Photovoltaik-Star unter den deutschen Mittelstädten, Leutkirch in Schwaben. Die Stadt mit rund 22.000 Einwohnern steht seit Jahren auf einem vorderen Platz in der Solarbundesliga. Die Rangliste hält fest, wo pro Kopf der Bevölkerung die meiste Photovoltaik-Erzeugungskapazität installiert ist. In Leutkirch sind es 608 Watt pro Einwohner. Auch dort ist der Photovoltaik-Boom eng mit dem Namen eines Mannes verbunden. Der Landwirt Berthold König, heute zudem Vorstand der Energiegenossenschaft Leutkirch, absolvierte im Jahr 2000 eine Weiter bildung zum Solarberater. Anschließend konzipierte und installierte er eine Sieben-Kilowatt-Anlage auf dem eigenen Dach. Als Mitglied des örtlichen Umweltkreises entwickelte er fortan Photovoltaik-Investitionsmodelle vor Ort. „Wir wollten, dass jeder mitmachen kann und das Geld nicht in anonyme Fonds fließt“, beschreibt König seine Philosophie. So entstand 2001 die erste Anlage: eine 28-Kilowatt-Aufdachinstallation auf dem Dach des örtlichen Schulzentrums.
Neues Einkommen
Den Leiter des regionalen Landmaschinenrings Württemberg-Unterallgäu, zu dem Leutkirch gehört, konnte König in dieser Zeit ebenfalls überzeugen. Schließlich stehen die Bauern der Region unter ökonomischem Druck und suchen nach neuen, sinnvollen Einnahmequellen. Da kam Photovoltaik auf dem Scheunendach gerade recht. „Der Maschinenring startete eine Sammelausschreibung für 300 Kilowatt, das war damals sehr viel, und konnte so erhebliche Preisvorteile erzielen“, erinnert sich König. Ausgewählt wurden dabei Handels- und Installationspartner vor Ort. Für die von sinkenden Agrarpreisen gebeutelten Landwirte der Region sei Photovoltaik inzwischen ein solides zweites Standbein. „Viele haben mehr als 100 Kilowatt auf dem Dach“, sagt König und ist überzeugt: „Da könnte noch viel kommen – die Grundstimmung ist positiv.“ Potenziale böten beispielsweise Gewerbebetriebe, auf deren Flachdächern sich dank innovativer Technologie nun Photovoltaik auch ohne Beschwerung der Modulständer anbringen lasse. Bisher sprengten die dafür verwendeten Gewichte oft die zulässige Traglast. Vor allem im Winter, wenn noch große Schneemengen auf den Dächern landen, war dies ein Risiko.
Mit ihrer Photovoltaikstrategie liegen Leutkirch und Umgebung genau richtig. „Gemeinden, die es schaffen, möglichst viele der Photovoltaik-Wertschöpfungsstufen lokal anzusiedeln, profitieren am meisten von der Technologie“, betont Bernd Hirschl, der beim IÖW für die Studie verantwortlich ist. Wo sich neben Handwerkern und Beratern auch produzierende Unternehmen niederlassen, kommt ein weiterer, lukrativer Beitrag hinzu. Denn diese Firmen schaffen zusätzlich Werte, da sie ihre Produkte exportieren – in andere Regionen oder sogar ins Ausland. Die Gewerbesteuern aber landen im Gemeindesäckel und
es entstehen Arbeitsplätze, die wiede-rum die Einkommenssteuereinnahmen steigern. Das ist in Leutkirch gelungen. „Azur Solar, ein Unternehmen, das Nachführungen und Gestelle für Photovoltaik-Module baut, hat sich neu hier angesiedelt“, freut sich Michael Krumböck, städtischer Umweltbeauftragter der Gemeinde.
Großstädte verschenken Chancen
Besonders viel könnten allerdings, so Hirschl, Großstädte von Photovoltaik profitieren, jedenfalls, wenn man die Technologie mit anderen Methoden der erneuerbaren Energieerzeugung vergleicht. Schließlich können dort bei entsprechendem Engagement alle Wertschöpfungsstufen angesiedelt werden, und es gibt zudem viele freie Dächer, die geradezu zur Installation von Photovoltaik-Anlagen auffordern, zum Beispiel auf Fabriken oder Bürogebäuden. Aber: „Je urbaner eine Gemeinde ist, desto schwerer ist es, an Dächer zu kommen. Deshalb müssen die Kommunen handeln.“
Möglichkeiten gäbe es viele, meint Hirschl – zum Beispiel Dächerbörsen, Musterverträge, die Einrichtung von Beratungsstellen oder die Bereitstellung der Dächer städtischer Gebäude, die dann als Vorbild wirken können. Insofern befindet sich die bayerische Hauptstadt, wo die Solarinitiative München gegründet wurde, um eine städtische Solarwelle ins Rollen zu bringen, wohl auf dem richtigen Weg. Um mehr solche Prozesse anzustoßen, will das IÖW in Zukunft Kommunen dazu beraten, welche Technologien bei ihnen das höchste Potenzial besitzen und wie man dieses erschließen könnte. Nicht selten dürfte das die Photovoltaik sein.