Der Super-GAU im japanischen AKW Fukushima hat die Frage nach den Kosten für die Atomkraft wieder auf die Tagesordnung gebracht. Während die Gewinne aus dem Betrieb der Kernkraftwerke in den Taschen der Betreiber landen – und diese werden immerhin auf eine Millionen Euro pro Tag und AKW geschätzt – wird im Schadensfall der Staat und der Steuerzahler zur Kasse gebeten. Dies zeigt sich jetzt auch wieder in Japan – der AKW Betreiber Tepco will zwar Entschädigungen zahlen, doch die Summen reichen bei weitem nicht aus, um alle Schäden infolge der Katastrophe zu beheben.
Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat nun eine Studie vorgelegt, die sich genau mit diesem Thema befasst. Sie wurde bereits vor der Atomkatastrophe in Japan bei den Versicherungsforen Leipzig, einer Ausgründung der Universität Leipzig in Auftrag gegeben. In der Studie „Berechnung einer risikoadäquaten Versicherungsprämie zur Deckung der Haftpflichtrisiken, die aus dem Betrieb von Kernkraftwerken resultieren“ wird die (fiktive) Prämie einer Haftpflichtversicherung für den Schadensfall ermittelt, der sich aus einem nuklearen Katastrophenfall in einem deutschen AKW ergeben könnte, wie es in der Zusammenfassung der Autoren heißt.
Es ergebe sich eine mittlere gesamt zu zahlende Versicherungssumme in Höhe von rund 6.090 Milliarden Euro für einen nuklearen Katastrophenfall. Je nach zugrunde gelegter Eintrittswahrscheinlichkeit eines solchen Schadenfalls variiere die Höhe der jährlich zu zahlende Prämie zwischen 0,01 Euro und 305,83 Euro. Da eine Bereitstellung der Deckungsssumme nach zum Beispiel tausend Jahren aber nicht realistisch wäre, wurden verschiedene Bereitstellungszeiträume angenommen, schreiben die Autoren weiter. Den Berechnungen der Studie zufolge wären bei einer Bereitstellung der gesamten Versicherungssumme nach 100 Jahren eine jährliche Versicherungsprämie über den gesamten Zeitraum hinweg in Höhe von 19,5 Milliarden Euro für jedes AKW zu zahlen. Ein solcher Zeitraum sei aber angesichts der Restlaufzeiten in Deutschland jedoch nicht als realistisch anzusehen. „Kürzere Zeiträume führen allerdings zu einem exponentiellen Anstieg der jährlich zu zahlenden Prämien“, heißt es weiter. Daraus ergebe sich dann auch der ermittelte Wert von 6.090 Milliarden Euro. Wenn diese Kosten auf die Verbraucher umgelegt würden ergebe sich daraus ein Anstieg des Atomstrompreises bei einem Bereitstellungszeitraum von 100 Jahren zwischen 0,139 und 2,36 Euro je Kilowattstunde. Für einen Zeitraum einer Bereitstellung der Versicherungsprämie von zehn Jahren betrage diese Spanne 3,96 bis 67,3 Euro je Kilowattstunde, so die Autoren der Studie.
Im Fazit ihrer Studie kommen die Autoren zum Schluss, dass „praktisch sind nukleare Katastrophenfälle nicht versicherbar“. Dies begründen sie unter anderem mit der extremen Höhe des erwarteten Maximalschadens sowie der schwer einzuschätzenden Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich zu einer Atomkatastrophe komme. Als Lösungsansätze schlagen die Autoren die Gründung eines privatwirtschaftlich organisierten Versicherers vor oder die Nutzung der internationalen Kapitalmärkte vor, um die Haftplichtrisiken abzusichern.
Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte
Generell will die Studie aber vor allem einen Beitrag zur aktuellen gesellschaftlichen Debatte über das Risiko der Atomkraft und die damit verbundenen Kosten der Kernenergie liefern. „Damit versteht sich diese Prämie als Maßzahl, die in die Berechnung der gesamten externen Kosten des nuklearen Brennstoffkreislaufs unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung unfallbedingter Kosten eingehen müsste“, heißt es in der Studie.
Nach übereinstimmenden Medienberichten befürwortet die von der Bundesregierung eingesetzte Ethikkommission einen vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie spätestens im Jahr 2021. Dies berichtet „Spiegel Online“ unter Berufung auf den Entwurf für den Abschlussbericht. Das Papier trage den Titel "Deutschlands Energiekonsens - Ein Gemeinschaftswerk Energiezukunft Deutschland". Neben dem vollständigen Ausstieg aus der Kernenergie fordert die Ethikkommission unter Vorsitz des ehemaligen Bundesumweltministers Klaus Töpfer (CDU), die nach dem Super-GAU in Japan stillgelegten sieben AKW dauerhaft abzuschalten. Sie könnten ohne Probleme ersetzt werden. Die restlichen Atommeiler sollten "in der Reihenfolge ihres verbleibenden Risikos und ihrer Bedeutung im Stromnetz" abgeschaltet werden, heißt es weiter. Ein Atomausstieg ist nach Ansicht der Ethikkommission auch schon deutlich eher als 2021 machbar. Allerdings müssten dafür Kriterien wie Preiswirkung, Leistungsbereitstellung, Systemstabilität, CO2-Emissionen und Importen abgewogen werden.
Ethikkommission fordert "intelligenten" Ausbau
Das Dokument enthält „Spiegel Online“ zufolge aber auch Warnungen vor einem "nochmals drastisch beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien". Es gebe "Grenzen der Belastbarkeit natürlicher Lebensräume", die technische Machbarkeit werde schnell überschätzt. Die Ethikkommission empfehle als Ausweg einen „intelligenten“ Ausbau erneuerbarer Energien, der von einem "Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende" und einem "Nationalen Forum Energiewende" begleitet werden solle. Konkrete Aussagen zur Auswirkungen eines Atomausstiegs auf den Strompreis würden zunächst nicht gemacht. Die verschiedenen Szenarien lägen zwischen Aufschlägen zwischen 0,1 und fünf Cent je Kilowattstunde. An dieser Stelle kann aber auf die Studie des BEE verwiesen werden: Die wahren Kosten der Atomkraft sind demnach weit jenseits dessen, was ein verstärkter Ausbau erneuerbarer Energien jemals kosten könnte. (Sandra Enkhardt)