Desertec ist keine deutsche Idee – doch die Firmen, die sich 2009 zusammenschlossen, um einen gemeinsamen Stromverbund für Europa, den Nahen Osten und Nordafrika basierend auf erneuerbaren Energien zu schaffen, kommen hauptsächlich aus Deutschland. Zudem gilt Deutschland als Vorreiter bei der Energiewende.
Die Initiatoren des Wüstenstromprojekts wählten daher auch bewusst das Auswärtige Amt in Berlin als Ort für ihre dritte Jahrestagung. Sie hofften auf ein positives Signal aus der Politik. Pünktlich zu Konferenzbeginn sollte eigentlich ein Abkommen zwischen mehreren europäischen Staaten und Marokko über die Unterstützung für ein Desertec-Pilotprojekt in dem nordafrikanischen Staat unterzeichnet werden. Da Spanien als wichtiger Partner zunächst noch seine Zustimmung verweigerte, muss nun weiter verhandelt werden. Auch die deutsche Politprominenz zeigte sich eher spärlich auf der Konferenz. Hausherr Guido Westerwelle (FDP) schickte seine Staatssekretärin Cornelia Pieper zur Eröffnung der Konferenz vor.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und sein Umweltkollege Peter Altmaier (CDU) sagten ebenfalls kurzfristig ihre Teilnahme an der Konferenz ab. Den Unmut der Veranstalter, der Desertec Industrie-Initiative (Dii), zog sich vor allem der Wirtschaftsminister zu. Zeitgleich mit der Konferenz erschien ein Zeitungsinterview mit Rösler, in dem er vor „zu viel Euphorie“ bei Desertec warnte.
Es blieben zunächst auch nur die Lippenbekenntnisse von Staatssekretärin Pieper, die beteuerte, die Bundesregierung unterstütze das Wüstenstromprojekt. Es sei naheliegend, dass Europa künftig Solar- und Windstrom aus Nordafrika beziehe. Dabei gehe es aber um mehr als eine „Lieferbeziehung“. So biete Desertec den Menschen in Nordafrika eine Perspektive auf Teilhabe und Wachstum. „Wir stehen erst am Anfang einer langfristigen Entwicklung“, so das Fazit von FDP-Politikerin Cornelia Pieper.
Zu Beginn von Desertec stand vor allem der Bau solarthermischer Kraftwerke im Mittelpunkt der Idee. Mittlerweile hat die Photovoltaik dieser Art der Stromerzeugung aber den Rang abgelaufen. Dies zeigt sich in den erarbeiteten Plänen, die im Sommer unter dem Titel „Desert Power 2050“ veröffentlicht wurden. Photovoltaikanlagen spielen darin eine wesentlich größere Rolle als noch vor drei Jahren.
Das erste Referenzprojekt, das unter Federführung von RWE nun in Marokko realisiert werden soll, sieht den Bau von 50 Megawatt Photovoltaik und 50 Megawatt Windenergie vor. Der deutsche Energiekonzern sucht derzeit noch Partner, um die Finanzierung des Projekts zu stemmen. Die Kosten werden auf 130 bis 150 Millionen Euro geschätzt, wie RWE-Innogy-Chef Hans Bünting sagt. Die Bauzeit für den Wind- und Solarpark werde nur kurz sein. Der Energiekonzern geht davon aus, dass das Referenzprojekt 2014 am Netz ist. Aber entgegen der ursprünglichen Desertec-Idee soll derWind- und Solarstrom zunächst komplett vor Ort verbraucht werden. Auch um die Unterstützung von Desertec in der Region zu haben.
Dabei bewegt sich gerade in Nordafrika derzeit viel in Sachen Solar. Insgesamt seien in der Region 2.500 Megawatt in Vorbereitung, sagt Dii-Geschäftsführer Paul van Son. Im Rahmen von Desertec sollen in Marokko 500 Megawatt, in Algerien und Tunesien jeweils 1.000 Megawatt realisiert werden. Am weitesten gediehen sind die Pläne anscheinend in Marokko. Die dortige Solaragentur Masen hat einen nationalen Plan vorgelegt, wonach bis 2020 insgesamt 2.000 Megawatt Leistung installiert werden sollen. Ein Konsortium um das saudische Unternehmen und Dii-Gesellschafter ACWA Power habe bereits von der Regierung den Auftrag erhalten, ein solarthermisches Kraftwerk mit 160 Megawatt Leistung in Quarzazate zu installieren.
Dennoch sind bei Desertec noch viele Fragen offen. Die ersten Projekte kommen nur schleppend in Gang. Gründe dafür sind etwa die ungeklärte Förderung oder auch die schwierige Finanzierung. „Die fragmentierte politische und finanzielle Lage sowie die bestehende Konkurrenz zu den nationalen Fördersystemen stellen derzeit die Hindernisse dar“, sagt Torsten Jeworrek, Vorstandschef von Munich Re, die Desertec mitbegründete. Er spricht sich aber explizit gegen Einspeisevergütungen aus. „Diese führen nur zu einem Investitionstourismus“, sagt er. Daher ist es aus seiner Sicht sinnvoller, die europäische Klima- und Energiepolitik zu harmonisieren, um Desertec-Projekte voranzubringen.
Fell will EEG öffnen
Konträr dazu steht der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell. Er wiederholt seinen Vorschlag, das EEG auch für Desertec-Projekte in Nordafrika zu öffnen. Deutschland sollte hierbei Vorreiter sein, damit andere europäische Staaten diesem Beispiel folgten. „Altmaier und Rösler haben ihre Teilnahme abgesagt, weil sie kein Steuergeld für Desertec versprechen können“, sagt er auf der Konferenz. Alternativ zu einer Öffnung des EEG könnte sich der Grünen-Politiker aber auch ein europaweites Fördersystem mit Einspeisetarifen vorstellen, über das dann der Strom aus Desertec-Projekten finanziert wird.
Doch mit dieser Meinung steht Fell weitgehend allein auf weiter Flur. Dem EU-Energiekommissar Günther Oettinger geht es um andere Ziele, wenn er von der Harmonisierung der Förderung erneuerbarer Energien in Europa spricht. Auch bei Vertretern der Regierungsparteien in Deutschland stößt Fells Vorschlag auf wenig Gegenliebe. „Es darf keine deutsche Insellösung geben“, sagt etwa FDP-Energieexperte Michael Kauch mit Blick auf eine Öffnung des EEG. Christian Ruck von der CDU ist überzeugt, dass Deutschland eher mit seiner Erfahrung bei der Schaffung rechtlicher und technischer Rahmenbedingungen helfen sollte.
Vision sichtbar machen
Die Umsetzung der ersten Referenzprojekte könnte bald mehr Klarheit bringen, wie realistisch eine Vision vom Strom aus der Wüste für Europa ist. Allerdings verabschieden sich die ersten Gründungsmitglieder bereits wieder von Desertec. So wollen Siemens und Bosch ihren zum Jahresende auslaufenden Vertrag mit der Dii nicht verlängern. Doch Paul von Son gibt sich optimistisch, dass die Zahl der 21 Gesellschafter und 35 Partner künftig weiter wachsen wird. „Wichtig ist es, die Vision sichtbar zu machen“, sagt der Dii-Geschäftsführer. „Desertec ist mehr als die Vision von Strom aus der Wüste“, sagt van Son weiter. Es habe auch politische und wirtschaftliche Aspekte für die Länder in Nordafrika und dem Nahen Osten.
Viele Gründungsmitglieder von Desertec versuchen, nun noch ihr Stück vom Kuchen der erneuerbaren Energien abzubekommen. So sind es hauptsächlich Großkonzerne, die die Wüstenstromidee stützen. Sven Teske, Direktor für erneuerbare Energien bei Greenpeace, begrüßt zwar prinzipiell die Idee, in Nordafrika und dem Nahen Osten die Energiewende voranzutreiben. „Greenpeace will eine Energieversorgung ohne Atom und Kohle. Dafür braucht es überall Erneuerbare-Energien-Anlagen und auch Projekte wie Desertec“, sagt Teske. Dennoch sei das Businessmodell von Desertec zu sehr auf das der Großkonzerne abgestellt – ein neues Kraftwerk in der Wüste soll ein altes Atom- oder Kohlekraftwerk ersetzen. Bei der Energiewende gehe es allerdings darum, eine dezentrale Energieversorgung aufzubauen, die sich nicht auf Großprojekte stütze, appelliert Teske.