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Über Geld spricht man nicht

Am meisten staunt Michael Ziegler darüber, dass manche Geschäftsführer ein Einkommen von rund 16.000 Euro pro Monat angegeben haben. „Auch bei sehr kleinen Unternehmen“, fügt er hinzu, „in denen nur zwischen fünf und zehn Mit arbeiter angestellt sind.“ Michael Ziegler hat den Vergleich. Denn er ist selbst Geschäftsführer einer kleinen Photovoltaik-Firma in Seelow, etwa 70 Kilometer östlich von Berlin. Über ihre Homepage hat die Meine Solar GmbH fünf Monate lang eine Online-Umfrage zu den Verdienstmöglichkeiten in der Photovoltaik durchgeführt. Auf rund 2.000 Antworten stützt sich die nun vorliegende Auswertung.

Die für Bewerber und Personaler interessanten Angaben bewegen sich selbstverständlich weit unter denen jener Geschäftsführer oder Firmeninhaber, über die Ziegler nicht ohne kollegialen Respekt spricht. Der erhobene Durchschnitt aller Gehälter von Vollzeitbeschäftigten der Branche liegt bei 3.592 Euro pro Monat. Dabei ist der erwähnte Spitzenverdiener – rein statistisch gesehen – selbstverständlich ein Mann. Denn Frauen verdienen laut Studie in der Photovoltaik immerhin rund 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Und hinsichtlich seiner Qualifikation trägt der Mann, auch wenig erstaunlich, am besten einen Doktortitel. Er ist zudem über 50 oder sogar über 60 Jahre alt – und falls er nicht selbst Geschäftsführer ist, dann sollte er schon im strategischen Management tätig sein. Die größte Chance auf ein hohes Gehalt hätte er dabei übrigens in einem Zuliefererbetrieb, zum Beispiel für Solarmodulhersteller.

Ob Mann oder Frau, Jung oder Alt, Doktor oder nicht – regional betrachtet wird laut Erhebung am besten in Rheinland-Pfalz verdient: 3.800 Euro brutto pro Monat beträgt hier der Median der Antworten. Der Median, auch Zentralwert genannt, wird durch Ausreißer in der Stichprobe weniger verzerrt als der Durchschnittswert. Unter den Bundesländern folgen Niedersachsen, Hessen und Hamburg mit je 3.500 Euro, Bayern mit 3.330 Euro und Baden-Württemberg mit 3.195 Euro. Am niedrigsten ist der Wert für Schleswig-Holstein ausgefallen: 2.780 Euro. Etwas darüber findet sich Brandenburg (2.800 Euro), dann kommen Berlin und Thüringen (beide 2.900 Euro), Mecklenburg-Vorpommern (2.955 Euro) und Sachsen (2.995 Euro).

Der Seelower Geschäftsführer erkennt hier ein West-Ost-Gefälle. Angesichts der vielen Produktionsstätten und Solarunternehmen in den neuen Bundesländern hält er das für das hervorstechende Resultat der Befragung. „Und die Einspeisevergütung ist doch überall in Deutschland gleich.“

Der Osten benachteiligt?

Martina Winkelmann vom Bundesvorstand der IG Metall betont hier einen anderen Zusammenhang: In den neuen Bundesländern hielten sich die Unternehmen eben nicht an die tariflichen Entgelte, während etwa ein Unternehmen in Kassel sich auch dann an einer entsprechenden Einkommenshöhe orientieren würde, wenn es nicht tarifvertraglich gebunden sei. Sie verweist auf eine 2008 veröffentlichte Studie der Otto-Brenner-Stiftung. Danach lag der Bruttomonatsverdienst eines Facharbeiters bzw. „Operators“ in Ostdeutschland zwischen 1.600 und 2.200 Euro. Manche Einstiegsstundenlöhne betrugen sogar nur sieben oder acht Euro.

Noch einmal anders Michael Hoppenburg: Auf das West-Ost-Gefälle angesprochen, lässt der Geschäftsführer der HR Personal Consulting GmbH Dresden zunächst ein kaum unterdrücktes Stöhnen hören. „Ehrlich gesagt, das Thema nervt mich zuneh mend.“ Hoppenburg hält die vorhandenen Einkommensdiskrepanzen durch die Unterschiede auch in den Lebenshaltungskosten im Grunde für ausgeglichen. Der speziell auch in der Photovoltaik-Branche erfahrene Personalberater lokalisiert die ausschlaggebenden Differenzen auf anderen Ebenen. Wichtig sei zum einen der Platz in der Wertschöpfungskette und zum anderen, welche Funktion darin ausgeübt werde.

Wider jede Pauschalisierung

Ob es zum Beispiel um die Material- oder die Maschinenlieferanten für die Zell- und Modulproduktion oder um diese selbst gehe – jedes Mal würden andere Vergleichsmaßstäbe gelten. In diesem Fall wären das die Chemieindustrie, der Maschinenbau und die Halbleiterindustrie. Hinzu kämen die funktionalen Differenzierungen innerhalb der Unternehmen: Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Marketing usw. Da sähe es in der Photovoltaik, so vermutet Hoppenburg, beim Einkommen ganz ähnlich aus wie in anderen Branchen. Derartige Unterscheidungen finden sich häufig, vielleicht sogar allzu häufig, auch in der Studie der Meine Solar GmbH: Außer nach Geschlecht, Alter, Bildungsabschluss und Ähnlichem werden die Ergebnisse etwa nach der Dienstart (Außendienst/Innendienst), dem Berufsstand, den Branchensektoren, der Betriebsabteilung, Arbeitszeit und Unternehmensgröße aufgeschlüsselt. Und das alles dann noch einmal danach wiederholt, ob es sich um die Gesamtmenge der Befragten oder nur um die Angestellten und Sachbearbeiter unter ihnen handelt.

Das Bild, das sich dabei ergibt, ist auf jeden Fall sehr differenziert. Das lässt sich allein an der Aufgliederung der durchschnittlichen Gehaltsangaben aller Antworten nach den innerbetrieblichen Funktionen ablesen – vom Trainee mit knapp über 1.600 Euro bis hoch zum Betriebsleiter mit ca. 6.400 Euro. Die enorme Heterogenität unter den verschiedensten Blickwinkeln wiederum ist eine Tatsache, die alle Experten sofort und übereinstimmend bestätigen: Pauschalaussagen über die Einkünfte in der Photovoltaik seien eigentlich unmöglich. Was nicht zuletzt dem zuzuschreiben ist, dass es sich um eine junge, dynamische, noch nicht konsolidierte Branche handelt.

Mehr Curiositas …

Noch ein Wort zur Studie selbst. Die Meine Solar GmbH wirbt damit, dass mit der Studie die erste auf dem Markt erhältliche Gehaltsstudie für die Photovoltaik-Branche angeboten werde. Das ist schon wahr. Aber als originell kann man sie leider trotzdem nicht bezeichnen. Zunächst ist mehr als die Hälfte der Darstellung schlicht uninteressant. Denn hier wird lediglich, allerdings lang und breit, dargelegt, wie sich die Menge derer, die online auskunftswillig gewesen waren, nach diversen Kriterien zusammensetzt. Dem Leser der Studie kann das aber

Gehälter in der Photovoltaik-Branche nach Internet-Umfrage
Funktiondurchschnittliches Gehalt in Euro
Betriebsleiter/in6.433,42
Geschäftsführer/in5.949,45
Filialleiter/in5.456,50
Hauptabteilungsleiter/in5.280,35
Sonstige Vorgesetztenposition/Vorstand5.242,27
Abteilungsleiter/in4.436,67
Meister/in3.866,63
Gruppenleiter/in3.848,93
Ausbilder/in3.217,92
Vorarbeiter/in2.864,40
Sachbearbeiter/in oder Angestellte/r2.724,33
Assistent/in2.560,83
Trainee1.621,84
Quelle: Meine Solar GmbH

gleichgültig sein – wenn nur die Repräsentativität der Ergebnisse gesichert ist.

Das ist jedoch nicht der Fall. Es gibt keine einzige unter den recht zahlreichen Dimensionen, von der erkennbar nachgewiesen wäre, dass die Befragten für die Struktur der Branche insgesamt stehen. Und daran ändert auch nichts, dass 2.000 Antworten bezogen auf 60.000 Beschäftigte in der Photovoltaik-Branche durchaus einen gültigen Einblick geben könnten – wenn sie eben auf eine bestimmte Weise ausgewählt wären. Auch aus diesem Grunde scheint es nur schwer vorstellbar, dass sich ein Personalverantwortlicher bei seiner Budgetplanung tatsächlich nach der Gehalts studie richten wird. Und auch ein Bewerber wird bei Gehaltsverhandlungen vermutlich kaum auf deren Resultate pochen können.

Bedauerlich mag man es aber zugleich finden, dass in der Untersuchung weitgehend darauf verzichtet wurde, die gewonnenen Zahlen eingehend zu interpretieren. Es wäre einen Versuch wert gewesen, die verschiedenen Datentypen miteinander zu korrelieren und mögliche Zusammenhänge aufzuzeigen. Es bleibt offen, ob das etwa deshalb nicht geschehen ist, weil es nichts Interessantes zutage gefördert hätte. Oder weil es vielleicht die Repräsentativität der Erhebung ersichtlich in Frage gestellt hätte. Oder weil die Autoren einfach nur nicht neugierig genug waren.

... und etwas origineller bitte

Fast wäre man versucht, der jungen und innovativen Branche auch eine zu ihr passende, methodisch gesicherte, aber zugleich experimentierfreudigere Gehaltsstudie zu wünschen. Die Meine Solar GmbH hat bereits jährliche Folgeumfragen angekündigt. Bei annähernd gleich bleibendem Zuschnitt erschiene es als vorteilhaft, wenn möglichst viele von denjenigen, die diesmal geantwortet haben, das auch in den nächsten Jahren wieder tun würden. Denn unabhängig davon, wie aussagekräftig dieses Segment für die Branche insgesamt ist – bestimmte Trends ließen sich so in jedem Fall aufzeigen.

Reinhard Bobach

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