Die Preise für Rohsilizium haben sich seit dem letzten Unternehmensranking der photovoltaikvor einem Jahr wieder deutlich erholt. Waren die Spotpreise Anfang 2010 bis auf 50 Dollar pro Kilogramm gefallen, so liegen sie jetzt immerhin wieder bei 70 bis 80 Dollar. Das ist noch lange nicht der Preis von 400 Dollar wie Ende 2008, aber 40 bis 60 Prozent Preiszuschlag geben gerade den bedrängten Firmen etwas mehr Luft.
„Dafür ist derzeit vor allem die Nachfrage aus Italien verantwortlich“, sagt Dirk Morbitzer, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Renewable Analytics in San Francisco. Wie lange diese Nachfrage allerdings anhält, ist unklar. Morbitzer beobachtet das italienische Umfeld gerade in diesen Tagen besonders intensiv. Er glaubt, dass Italien die jetzigen hohen Fördersätze finanziell nicht mehr lange durchhalten wird. „Ich habe momentan keine Zweifel, dass die Blase dort platzt, die Frage ist nur, wann.“
Die großen Siliziumhersteller werden die Auswirkungen nicht so unmittelbar spüren, denn sie sind durch langfristige Abnahmeverträge gut abgesichert. Außerdem stellen die Hersteller mit der meisten Erfahrung wie Hemlock Semiconductor und Wacker das begehrte 9N-Silizium her. 9N steht für neun Neuner, das bedeutet eine Reinheit von 99,9999999 Prozent. „Insgesamt gab es genug Material, aber das 9N-Silizium war 2010 schon knapp“, sagt Stefan de Haan, Analyst beim Beratungs- und Marktforschungsunternehmen iSuppli in München. „Und zwar deshalb, weil es sich bei den aktuellen Preisen rentiert, auf das hochqualitative Silizium zu setzen.“ Es ist immer noch so günstig, dass die Vorteile für die Wafer- und Zellhersteller den gesparten Kaufpreis gegenüber minderwertigerem Silizium wettmachen.
Die Analysten von iSuppli glauben übrigens, 2011 werde nochmals ein gutes Jahr mit einer weltweiten Installation von 22 Gigawatt, bei dem Angebot und Nachfrage im Prinzip ausgeglichen sind. „Aber so, wie sich die Szenarien bei der Nachfrage entwickeln, könnte dann ein größerer Einbruch kommen“, sagt de Haan. „Der wird die ganze Photovoltaikindustrie betreffen, ganz besonders auch die Silizium- und die Waferindustrie, weil dort enorme Kapazitäten auf den Markt kommen. Dort könnte 2012 und 2013 die Auslastung bis auf 50 Prozent heruntergehen. Dann wird es zu weiteren Konsolidierungen kommen.“ Bis 2012 zu prognostizieren, sei allerdings schon langfristig und riskant in einer Branche, in der sich jeden Monat die Förderbedingungen ändern.
Hemlock Semiconductor, die alte Nummer eins, ist auch die neue, ein reiner Siliziumhersteller. Das Unternehmen hat auch 2010 wieder satte Gewinne eingefahren, so de Haan, „mit EBIT-Margen von 50 bis 60 Prozent“. Der US-amerikanische Hersteller wird die Führung im Verlauf dieses Jahres wahrscheinlich dennoch abgeben, denn die derzeitige Nummer vier, die OCI Company aus Südkorea, will ihre Kapazität sprunghaft erweitern und steuert damit ziemlich sicher auf Platz eins zu. Was Hemlock dennoch niemand nehmen kann, ist die Prozesserfahrung. Mit diesem Wissen kann das Unternehmen hervorragendes Ausgangsmaterial für die Waferherstellung liefern. Außerdem sagen Insider, die Produktion für 2011 sei bereits im Voraus komplett ausverkauft.
Stabile Spitze
Die Nummer zwei, Wacker, steht ähnlich da wie Hemlock. Spezialisiert auf die Sili ziumherstellung, liefert der deutsche Hersteller dank der langen Erfahrung hochqualitatives Material. 20 Prozent Marktanteil seien das Ziel und bis zum Jahr 2014 wolle Wacker seine Kapazität auf 49.000 Tonnen hochfahren, erklärt de Haan. „Um den amerikanischen Markt zu bedienen, haben sie angekündigt, in Tennessee ein neues Werk mit 15.000 Tonnen Jahresleistung zu bauen.“ Durch die ambitionierten Ausbaupläne vor allem von OCI wird Wacker in den nächsten Jahren wohl ein wenig von seinem Marktanteil verlieren, es sei denn, der Siliziumhersteller ändert seine Strategie und verstärkt die Expansion. „Wacker hat die Größe und den Konzern im Hintergrund, um selbst eine Phase des Abschwungs nutzen zu können und dann von einer Marktbereinigung zu profitieren“, sagt iSuppli-Analyst de Haan. „Für das nächste Jahr sind sie noch komplett ausverkauft, und ihr Geschäft wird dann auch 2012 und 2013 nicht zusammenbrechen.“ Dabei hilft Wacker, genauso wie Hemlock, die äußerst günstige Kostenstruktur.
GCL-Poly und OCI sind den beiden dennoch auf den Fersen, was Masse, aber auch Qualität betrifft. „Das Wachstum dieser beiden ist beeindruckend“, sagt Morbitzer. „Man kann wirklich sagen, dass sich GCL und OCI absolut etabliert haben.
„Bei GCL kommt außerdem der gleichzeitige Ausbau und die Integration der Waferherstellung hinzu.“ OCI kommt aus der Chemieindustrie und bringt damit viel Know-how mit. „Wenn sie 2012 ihr viertes Werk fertig haben, dann sind sie mit 62.000 Tonnen der größte Hersteller der Welt und überflügeln sogar Hemlock“, so de Haan. Die OCI Company habe keine erkennbaren Ambitionen, ins Modulgeschäft zu gehen. Sie konzentriere sich weiter ganz auf die Siliziumproduktion.
Zunehmender Abstand
Zwischen den Top vier der Siliziumproduzenten und allen anderen Siliziumherstellern wächst der Abstand. REC Silicon, ehemals einer der führenden Siliziumhersteller, integriert sich jetzt komplett, baut Zell- und Modulkapazitäten auf, hat aber im Siliziumbereich mit dem sogenannten FBR-Verfahren noch immer Probleme, schwarze Zahlen zu schreiben. MEMC Electronic Materials haben in den letzten Jahren nicht mehr so viel ins Siliziumgeschäft investiert, das Unternehmen expandiert dort eher verhalten. Mit dem Kauf von Sun Edison in den USA geht die Richtung eher in den Bereich der Projektierung. Dort konnten auch während der letzten Krise noch vernünftige Margen erzielt werden.
Die Zukunftspläne von LDK sind ambitioniert, 18.000 Tonnen Kapazität will der chinesische Hersteller stemmen. „LDK hat sich jetzt etabliert“, sagt Morbitzer. „Spannend ist jedoch, dass LDK die Siliziumgesellschaft jetzt aus dem Konzern herauslöst.“ Über die Gründe kann derzeit nur spekuliert werden. Die Siliziumproduktion ist LDK teuer zu stehen gekommen und hat den Konzern nahe an den Abgrund gebracht. LDK hat immer noch einen hohen Verschuldungsgrad.
Starke Dreiergruppe
Die eigenständigen Waferproduzenten werden mehr und mehr in die Zange genommen. Silizium- wie auch Modulhersteller machen ihnen das Geschäft streitig. „Das ist eine Entwicklung, die wir schon 2008 vorausgesagt haben“, erzählt iSuppli-Analyst Stefan de Haan.
„Die Waferproduktion als unabhängiges Segment in der Wertschöpfungskette wird verschwinden.“ Nur Pillar auf Platz neun und Green Energy auf Platz zehn sind noch reine Waferhersteller.
Es gibt eine starke Dreiergruppe an der Spitze. LDK, die Nummer eins der Größe nach, ist ein gutes Beispiel dafür. Der chinesische Hersteller ist voll integriert. Mit dem Kauf von Bestsolar hat er nun auch Modulproduktionskapazitäten angekauft. Auf allen Wertschöpfungsketten sind die produzierten Mengen bedeutend. „Sie wollen der größte komplett integrierte Solarkonzern werden“, urteilt de Haan. REC Wafer, die Nummer zwei, ist über die verschiedenen eigenständigen Gesellschaften ebenfalls ein integrierter Hersteller, darüber hinaus aber mit einer starken Waferproduktion für den Verkauf. Vom Tempo der Expansion wird der Produzent durch LDK Solar und GCL-Poly in die Zange genommen, beide Konkurrenten an der Spitze wollen in diesem Jahr weiter ausbauen. Besonders bei GCL-Poly überrascht die Dynamik.
Gefahr in Verzug
Vom Wafer bis zum Modul die Kapazitäten gleichmäßig aufzubauen, das war zunächst das Erfolgsmodell von Yingli Green Energy und Trina Solar, beide aus China. Allzu oft kopiert, besteht jetzt allerdings die Gefahr einer massiven Überproduktion, sobald die Nachfrage sich nicht mehr im bisherigen Tempo erhöht. Da alle Stufen eine gewisse Größe brauchen, um von Skaleneffekten zu profitieren, bindet diese Strategie viel Kapital.
Ob Renesola gut durch eine Krise kommen würde, zweifelt de Haan an. „Weil sie ihr Zell- und Modulgeschäft jetzt erst durch teure Akquisitionen dazubekommen haben. Auch durch ihr Siliziumabenteuer haben sie in der Krise ziemlich stark gelitten.“ Und ihre Ausbaupläne könnten vielleicht etwas zu bescheiden sein, um die Vorteile großer Produktionen mitzunehmen. Bei Solarworld, der Nummer vier, interessiert Dirk Morbitzer vor allem die Frage, wie es mit den europäischen Waferkunden weitergeht, sollte im zweiten Halbjahr die Krise kommen. Aber auch für die anderen Hersteller spielt der Geschäftsführer von Renewable Analytics diese Frage durch. „Und dann wäre entscheidend, wer gerade auf wie viel Ware sitzt und was er dann damit macht.“