Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel feiert die ersten drei Ausschreibungsrunden für Solarparks auf der Freifläche als vollen Erfolg. GP-Joule-Chef Ove Petersen sieht das ganz anders. Im Gespräch erklärt er, was sich nun ändern muss, damit die Energiewende vorankommt.
Herr Petersen, das erste Jahr mit drei Pilotausschreibungen für Solarparks ist vorbei. Wie sieht Ihre Bilanz als Projektierer aus?
Petersen: Das Ausschreibungs-Modell hat vor allem durch das Pay-as-cleared-Verfahren gerade in der zweiten und dritten Runde zu einem Preisverfall geführt. In der letzten Ausschreibung im Dezember lag das niedrigste Gebot bei 0,09 Cent. Es kann nicht sinnvoll sein, dass es möglich ist, sich durch solche Fantasiegebote einen Zuschlag zu sichern. Es besteht die grundsätzliche Gefahr, dass Projekte zu Einheitspreisen von 8 Cent nicht errichtet werden, da sie nicht wirtschaftlich betrieben werden können. Darüber hinaus ist eine ausreichende Akteursvielfalt nicht mehr gegeben. Die geringe Gebotshöhe ist dem falschen Preisbildungsverfahren geschuldet, das ursprünglich für Technologien erfunden wurde, die Brennstoffkosten aufweisen. Da es für die Photovoltaik diese nicht gibt, kann das Verfahren so nicht funktionieren. Eine wichtige Frage ist, ob wir angesichts des harten Übergangs von einem Feed-in-Tarif in die Ausschreibung einen langfristig sicheren Betrieb der Anlagen über mehrere Jahre sehen werden.
Was müsste passieren?
Petersen: Das ausgeschriebene Volumen ist derzeit viel zu gering. Sinnvoll wäre es, das Volumen für die Ausschreibungen soweit anzuheben, dass der von der Bundesregierung vorgegebene Zubaukorridor von mindestens 2,4 Gigawatt pro Jahr auch erreicht wird. So können auch mehr Akteure teilnehmen. Zukünftig müssen jedoch auch die Anschlusskosten für den Solarpark mit ins Design einer Ausschreibung einbezogen werden. Denn die Vorteile, die gerade Photovoltaik für das Netz bietet, werden offenbar nicht gesehen und anerkannt. So müssten Systemdienstleistungen für das Stromnetz auch mit vergütet werden. Eins ist klar: Zu viel Solarenergie im Netz hat es in Deutschland bisher nicht gegeben. Der Anteil von Einspeisemanagement für Photovoltaik ist minimal. PV-Anlagen verursachen daher keine Netzengpässe – Endverbraucher müssen nicht für abgeregelten PV-Strom zahlen.
Was könnte bei den Verfahren der Ausschreibungen verbessert werden?
Petersen: Die Photovoltaik bietet systemisch große Vorteile, wie beispielsweise die gute Prognosefähigkeit der Erzeugung und die gute Steuerbarkeit der Anlagen. Ein zentraler Punkt zur Verbesserung der Ausschreibungsverfahren wäre ein Anreizsystem, um Systemdienstleistungen beziehungsweise Netzintegration effektiv mit einzupreisen oder bei der Zuschlagsvergabe als Parameter zu berücksichtigen.
Zudem muss die deutsche Politik nun zügig auf die Ergebnisse der Klimakonferenz von Paris reagieren...
Petersen: Richtig. Wenn wir hierzulande bis 2030 CO2-Reduktionen in Höhe von 55 Prozent gegenüber 1990 erreichen wollen, ist ein intensivierter Ausbau der erneuerbaren Energien nötig – auch und vor allem der Photovoltaik. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Definition eines Zubaudeckels und die Begrenzung des Ausschreibevolumens für PV-Freiflächen von 400 Megawatt pro Jahr umso unverständlicher. Diese Regelungen konterkarieren die Pariser Klimaziele und machen ihre Erreichung unmöglich. Das Ausschreibevolumen muss daher drastisch erhöht, der Zubaudeckel für Photovoltaik zumindest für die kommenden Jahre aufgehoben werden. Für das Erreichen der Klimaziele brauchen wir dringend eine effektive Sektorenkopplung von Strom-, Wärme- und Mobilitätsmarkt und hierfür viel mehr Strom aus Erneuerbaren als heute vorhanden ist und die Zubaupläne der Bundesregierung aktuell vorsehen.
Was ist die Konsequenz?
Petersen: Man muss die zahlreichen Restriktionen, denen der Bau von PV-Freiflächenanlagen heute unterliegt, größtenteils aufheben. So wäre es absolut sinnvoll, zum Beispiel Ackerflächen von minderer Qualität wieder beplanen zu dürfen und die 10 MW-Grenze fallen zu lassen. Das größere Flächenangebot würde automatisch auch die Kosten für die Realisierung der Projekte und damit auch die Stromerzeugungskosten reduzieren. Endverbraucher und Klimaschutz würden hiervon massiv profitieren.
Leider ist es bisher auch nicht vorgesehen, dass eine Ausschreibung mit dem Eigenverbrauch kombinierbar ist. Das ist schade und unverständlich. Es gibt noch keinen Anreiz, Systemdienstleistungen einzubeziehen und mit zu bewerten. Für einen Preis von 8,5 Cent pro Kilowattstunde in der zweiten oder eben 8 Cent in der dritten Ausschreibungsrunde hätte man keine teure Ausschreibung durchführen müssen. Diesen Einspeisetarif hätte man auch ohne dieses Verfahren erreichen können, wenn man die Flächenkulisse geöffnet hätte und Unternehmen, Investoren und Banken hätten weniger Unsicherheiten als heute.
Dennoch liegt die Vergütung unter der letzten gezahlten EEG-Vergütung.
Petersen: Einige Projektierer und Generalunternehmer leiden unter Auftragsmangel und bieten daher zu einem sehr niedrigen Preis ihre Leistung an – viele Bieter sind trotzdem nicht zum Zug gekommen. Bei einer so kleinen Ausschreibungsmenge wie 200 Megawatt je Ausschreibungsrunde kann nicht von einem wirklichen Wettbewerb gesprochen werden. Ich würde mich nicht wundern, wenn künftig ein einziges Unternehmen die komplette ausgeschriebene Menge gewinnt.
Die einzige Hoffnung, die denjenigen bleibt, die zu einem Zuschlagspreis von 8,00 Cent zum Zug gekommen sind, ist es, dass die EU-Kommission die Mindestimportpreise und Strafzölle für chinesische Solarmodule in den kommenden Monaten aufhebt. Ein Wegfall dieser unsinnigen Regelungen würde die Systemkosten und die Stromerzeugungskosten deutlich sinken lassen. Auch hiervon würden die Verbraucher in Folge niedrigerer Preise profitieren.
Aufgrund des Mindestpreises für chinesische Solarmodule kann der deutsche Markt nicht von sinkenden Preisen profitieren. Zu welchem Preis kann ein Solarpark in Deutschland gebaut werden?
Petersen: Ich möchte nicht ausschließen, dass für eine Vergütung von 8 Cent pro Kilowattstunde Solarparks in Deutschland kostendeckend gebaut und betrieben werden können. Wie eben erwähnt: Je mehr Fläche zur Verfügung steht, desto größer ist das Kostensenkungspotenzial, das dann auch an die Verbraucher weitergegeben werden kann und sollte. Wenn es wieder möglich wird, in Deutschland Freiflächenanlagen mit einem Gesamtumfang von zwei Gigawatt und mehr pro Jahr zu realisieren, sinken durch diesen Mengen- und Skaleneffekt die Kosten weiter.
Die Gestehungskosten für Solar sind bei uns im internationalen Vergleich immer noch niedrig. Die reinen Fertigungskosten geraten aber immer mehr in den Hintergrund. Wir wollen auch keine überhöhten Vergütungen, sondern eine nachhaltige Entwicklung – das ist besser für alle Beteiligten. Hinzu kommt: Die Technik ist erprobt und die Flächen sind vorhanden, ohne das diese Nutzung für die Photovoltaik andere Probleme verursachen würde. Wichtig ist aber auch, dass die niedrigen Erzeugungspreise bei den Verbrauchern ankommen. Das erhöht die Akzeptanz für die Energiewende.
Ein Stromtransport ist nicht kostenlos. Wie wichtig ist eine Stromproduktion, die nah am Verbraucher ist?
Petersen: Die verbrauchsnahe Erzeugung von Ökostrom ist eine Kernaufgabe der Energiewende. Die Kosten für den Stromtransport wurden leider sehr lange stark unterschätzt. Mittlerweile kann man sie anhand der steigenden Netzentgelte spüren. Die Vorteile einer lokalen Energieerzeugung wurden bisher in unserem zentral organisierten Stromsystem leider nicht berücksichtigt. Heute wird es für viele immer deutlicher, dass es durchaus Sinn macht, Windstrom auch in Bayern zu produzieren oder Solarstrom im Norden. Der Strommarkt von heute preist die Transportkosten nicht mit ein. Die Politik muss folgende Fragen klären: Was ist beispielsweise eine lokale Stromproduktion in Bayern wert? Und wie hoch sind die Kosten für Windstrom, vom Land oder auch vom Meer, der durch ganz Deutschland transportiert wird?
Strom von Windanlagen auf dem Meer ist teuer und künftig einer der Kostentreiber bei der Ökostromumlage...
Petersen: Die Kosten von Offshore-Windstrom liegen bei rund 30 Cent oder mehr pro Kilowattstunde, bis er einmal in Bayern angekommen ist. Zur EEG-Vergütung von 19 Cent plus Tiefwasserzuschlägen pro Kilowattstunde kommen die Netzentgelte sowie weitere Steuern und Abgaben. Die Kosten für den Bau der Höchstspannungsleitungen von Norden nach Süden sind dabei noch überhaupt nicht eingerechnet. Wenn man sich dies vor Augen führt, erkennt man, dass es Sinn macht, eine Windkraftanlage in Bayern zu bauen, die für 9 Cent pro Kilowattstunde Strom erzeugt.
Es gibt bereits erste Ökostromtarife, die bevorzugt regionale Anlagen einbinden und vermarkten. Ist das der richtige Weg für den Strommarkt der Zukunft?
Petersen: Davon bin ich überzeugt. Gerade Schleswig-Holstein wäre dafür prädestiniert. Der Transportbedarf übers Stromnetz wird so minimiert. Und die regionale Versorgung erhöht die Akzeptanz bei den Bürgern, wenn sie wissen, dass der Ökostrom aus ihrer Gegend kommt. Heute bezahlen die Kunden für „Ökostrom“, der in Wirklichkeit durch den Kauf von RECS-Zertifikaten aus Norwegen grün gemacht wurde. Gerade wer in Schleswig-Holstein ein regionales Ökostromprodukt bezieht, kann sich darauf verlassen, dass durch die Netze hier fast immer auch wirklich echter Ökostrom fließt.
Was müsste sich noch ändern?
Petersen: Rund 95 Prozent der 4.000 Biogasanlagen am Netz laufen derzeit das ganze Jahr, also 8.760 Stunden. Es wäre besser, sie würden dann Strom erzeugen, wenn Wind- und Solaranlagen nicht ausreichend produzieren. Biogasanlagen sollten für den Regelleistungsmarkt zugelassen werden. Diese Anlagen haben zwar Kosten von 20 bis 25 Cent die Kilowattstunde, aber das ist eben der Preis für gespeicherten Ökostrom.
Das Interview führte Niels Hendrik Petersen.