Was kann ein Hersteller tun, wenn er massenhaft Module produziert, die sich nicht sonderlich gut verkaufen? Er kann Fertigungsstätten stilllegen oder aber im großen Stil seine Ware selbst verbauen. First Solar macht gleich beides und fährt damit offensichtlich gut. Der größte Produzent von Dünnschichtmodulen ist im Verlauf dieses Jahres auch zum größten EPC-Unternehmen (Engineering, Procurement and Construction, zu Deutsch: Planen, Beschaffen und Installieren) weltweit aufgestiegen.
„First Solar hat sehr früh einige vorausschauende Entscheidungen getroffen“ sagt Ash Sharma von IMS Research in Wellingborough, Großbritannien. „Sie waren eines der ersten Unternehmen, das als Modulanbieter in das Projektgeschäft eingestiegen ist.“ So kann der Projektierer heute auf große Projektpipelines in den USA und weltweit zurückgreifen.
„Wenn man dann in diesem Jahr ein Projekt mit 290 Megawatt baut und bei einem Projekt, das am Ende insgesamt 550 Megawatt hat, schon rund 200 Megawatt verbaut hat, dann landet man natürlich im Ranking sehr weit oben“, sagt Dirk Morbitzer, Managing Director des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Renewable Analytics (RA) in San Francisco. First Solar kommt 2012 auf rund 500 Megawatt installierte Leistung. Das reiche aber noch nicht, um all die eigenproduzierten Cadiumtellurid-Module selbst zu installieren, gibt Morbitzer zu bedenken. „Dafür müsste das Unternehmen künftig in der Größenordnung von mehr als 1,5 Gigawatt pro Jahr Projekte akquirieren, weil First Solar auch nach seinen Werksstilllegungen bei der Modulproduktion in Deutschland und Malaysia immer noch eine Produktionskapazität von 1,8 Gigawatt hat.“ Dabei stellt sich die große Frage, ob die Dünnschichttechnologie überhaupt noch marktfähig ist. Für den Endkunden sei der Preis entscheidend, betont derAnalyst in San Francisco. „Und dadurch, dass First Solar selbst projektiert, selbst baut und teilweise anschließend auch selbst betreibt, haben sie natürlich ganz andere Möglichkeiten der Kostenkalkulation.“ Das Projektgeschäft kann die eigene Modulproduktion subventionieren. Hauptsache, am Ende steht ein hinreichender Gesamtgewinn.
Wenn der nicht mehr gegeben ist, könnte First Solar aber auch einen ganz anderen Weg gehen. Das kann sich zumindest Sharma vorstellen. „Ich wäre nicht überrascht, wenn sie ab dem kommenden Jahr auch kristalline Module von anderen Anbietern nutzen, einfach wegen der Kosten.“ Bis dahin sei First Solar jedoch solide finanziert, so Morbitzer: „Sie haben einige hundert Millionen Dollar an liquiden Mitteln, um Projekte vorfinanzieren zu können.“ Das ist im EPC-Geschäft von großem Vorteil. Denn Solarparks zu planen, die Komponenten zu beschaffen und die Anlagen aufzubauen bindet viel Kapital.
Starke US-Projektierer
Sunedison wird das laufende Kalenderjahr ebenfalls erfolgreich beenden und schafft es mit 475 Megawatt installierter Leistung auf Platz zwei. Das EPC-Unternehmen verbaut kristalline Module mit Wafern von seinem Mutterkonzern MEMC. „Sie sind vor allem in den USA aktiv, mit großen Projekten beispielsweise in Kalifornien“, weiß Sharma. „Aber auch Europa ist wichtig. Sie haben eines der größten Projekte in Italien gebaut. Und Sunedison plant auch Aktivitäten in Südamerika.“ MEMC als Muttergesellschaft verspricht die nötige Sicherheit. Im Vergleich zu First Solar habe Sunedison zwar weniger finanzielle Mittel, um Projekte vorzufinanzieren, weil es der Muttergesellschaft nicht so gut gehe, sagt Morbitzer. Dafür arbeite Sunedison jedoch eng mit der Weltbank zusammen, wodurch Projekte in neuen Märkten finanziert werden könnten. Die Gewinnsituation ist nicht schlecht. In dieser Konstellation sind Sunedison und MEMC gemeinsam gut genug aufgestellt. Sie können die zu erwartenden Konsolidierungsjahre der Photovoltaikbranche wahrscheinlich durchhalten und selbst während einer zu erwartenden Durststrecke ihre Präsenz auf den internationalen EPC-Märkten ausbauen.
Sunpower auf Platz fünf ist der dritte starke US-Projektierer und hat mit dem Energieunternehmen Total als Mutterkonzern ebenfalls einen starken Player im Hintergrund. Damit kann Sunpower Projekte jeder Größe problemlos vorfinanzieren. „Sunpower hat sich wie First Solar von einem Modulanbieter zu einem Systemanbieter entwickelt“, sagt Sharma. Und der ist vor allem auf dem US-Markt aktiv. Dort installiere Sunpower auch viele Anlagen gerade im öffentlichen Sektor, „über die Schulbezirke zum Beispiel auf Schulparkplätzen und Schuldächern“, berichtet Morbitzer. „Die Schulverwaltungen schauen nämlich schon darauf, US-amerikanische Produkte zu kaufen.“ Da First Solar auf größere Projekte fokussiert sei, komme Sunpower bei diesem kleineren Segment bevorzugt zum Zuge. Aber auch bei großen Projekten in den USA liegt Sunpower gut im Rennen.
Alle drei US-Unternehmen werden vom Ausgang der Präsidentschaftswahlen im vergangenen November wohl kaum beeinflusst. „Ich erwarte in den nächsten Jahren keine bundeseinheitliche Energiepolitik bei den Erneuerbaren“, sagt Morbitzer. Aber zumindest seien die Drohszenarien auch für die Projektierer nicht mehr so wahrscheinlich. Noch deutlicher wird Sharma: „Der langfristige Ausblick für die Photovoltaikindustrie ist sehr viel positiver unter einem demokratischen Präsidenten. Das gilt für Sunedison, First Solar und Sunpower.“
Bremse Europa
Vom Platz eins in den Jahren 2010 und 2011 auf Platz drei abgestiegen inder Liste der größten Projektierer nach installierter Leistung ist das deutsche EPC-Unternehmen Belectric. Dafür gebe es einen Hauptgrund, sagt Sharma: „Sie sind vor allem auf Europa konzentriert. Und hier sehen wir in einer Reihe von Ländern stagnierendes Wachstum. Sie waren nicht so aktiv in den USA und konnten dementsprechend vom Wachstum dort nicht so profitieren wie First Solar oder Sunedison.“ Belectric sollte, wie andere Projektierer auch, seine Aktivitäten noch mehr in den Wachstumsmärkten wie Asien und den USA konzentrieren, rät der Analyst in Wellingborough. „Beim Markt für Freiflächen in Europa rechnen wir mit rund 4,7 Gigawatt installierter Leistung in diesem Jahr und 4,5 Gigawatt 2013“, so Sharma. „Das ist zwar immer noch mehr als in den USA, aber zum ersten Mal weniger als in Asien. Und die Wachstumsregionen wandern von den klassischen Solarländern wie Deutschland und Italien in Richtung Südosteuropa und Osteuropa, beispielsweise nach Griechenland, Bulgarien, in die Ukraine und auch nach Rumänien.“ Außerdem werden Regionen interessant, in denen künftig große Projekte ohne Förderung möglich sind. „Es wird künftig auch in einigen Regionen von Italien, Frankreich oder Spanien möglich sein und vor allem dort, wo der reguläre Strompreis weiter steigt“, sagt Sharma.Belectric ist im April 2011 eine strategische Partnerschaft mit dem Dünnschichthersteller Nanosolar eingegangen. Der Projektierer aus Kolitzheim gehört jedoch auch zu den Kunden des größten Produzenten für Dünnschichtmodule und EPC-Konkurrenten First Solar. Dirk Morbitzer findet das spannend: „Belectric baut sich damit eine Alternative bei den Modulen auf.“
Die Wucht überrascht
Es war von den Marktforschern und Analysten erwartet worden, aber die Wucht hat einige doch überrascht: Innerhalb eines Jahres haben gleich fünf chinesische Projektierer die Top 15 gestürmt, ein Zeichen für den sich enorm schnell entwickelnden EPC-Markt in China. „Im vierten Quartal 2011 wurden 800 Megawatt installiert“, rechnet Ash Sharma vor. „Im vierten Quartal dieses Jahres erwarten wir schon zweieinhalb bis drei Gigawatt. Es sind meist riesige Projekte in der Dimension von 50 Megawatt.“ Und das in einem abgeschotteten Markt, in dem ausländische Investoren kaum eine Chance haben. Das hilft den chinesischen Projektierern natürlich, in den Charts so weit nach vorn zu kommen. „Hinter diesen Vorhaben steckt eine Handvoll staatlicher Unternehmen, die allein von diesem EPC-Markt in China profitieren“, weiß Sharma.
Am Beispiel der China Power Investment Corporation wird der enorme Sprung deutlich. Das Unternehmen hat seine installierte Leistung für Solarparks von 2010 zu 2011 um den Faktor 15 gesteigert. Auch die anderen chinesischen Konzerne wie der Modulhersteller GD Solar, der Energieanbieter Jiangsu Zhenfa New Energy, der Industriekonzern und Hersteller großer Wechselrichter TBEA Sunoasis sowie China Guangdong Nuclear Power sind schlagartig seit 2011 ganz groß im EPC-Geschäft. Und noch ist das laufende Jahr nicht zu Ende.
In Osteuropa unterwegs
Dass man kein chinesisches EPC-Unternehmen sein muss, sich sogar auf das gute alte Europa fixieren und dennoch extrem dynamisch sein kann, beweist Enerparc. Der deutsche Projektierer hat seine installierte Leistung in den vergangenen zwei Jahren jeweils fast verdreifacht. Außerhalb von Deutschland baut er vor allem in Osteuropa, beispielsweise in der Slowakei und in der Ukraine. Es gibt allerdings auch Insider, die das schnelle Wachstum von Enerparc mit Vorsicht beobachten und sich ein wenig an Solarhybrid erinnert fühlen. Die Zukunft muss zeigen, wie nachhaltig die Planungen und die weitere Finanzierung der Projekte von Enerparc sind. Mit L&T ECC Solar, einem Unternehmen der Larsen & Toubro Group, ist ein indischer Projektierer auf Platz zehn. „Sie waren eines der ersten Photovoltaikunternehmen auf dem indischen Markt und sind eines der größten Bau- und Energieunternehmen in Indien“, sagt Sharma.
Wo die Musik spielt
Auf den Plätzen 11 bis 15 befinden sich noch zwei deutsche Unternehmen: S.A.G Solarstrom auf Platz 15 und der Absteiger Juwi auf Platz 11. Q-Cells, im vergangenen Jahr Nummer drei, ist wie Solarhybrid, Gehrlicher Solar, Phoenix Solar, Conergy und Solon nicht mehr unter den Top 15. Bei Q-Cells könnte sich das durch den neuen Eigentümer Hanwha Solar künftig wieder ändern, glaubt Morbitzer. Aber insgesamt werden die deutschen Projektierer, wie vorher schon die hiesigen Produzenten von Solarzellen und Modulen, weiter verlieren.
Die Musik spielt in Asien, vor allem in China, und für chinesische EPCs. „Wir werden sehen, dass diese Unternehmen sehr, sehr weit vorankommen, und eines von ihnen wird bald die neue Nummer eins in den Charts sein“, sagt Ash Sharma voraus. „Das könnte sogar noch mit dem endgültigen Ergebnis des vierten Quartals 2012 passieren.“ Bis jetzt sind die chinesischen Projektierer in ihrem Land unter sich, ausländische Unternehmen haben dort kaum eine Chance. Aber es kann noch weiter gehen. „Ich warne davor, zu unterschätzen, wie schnell die chinesischen Unternehmen dann auch in internationale Märkte eindringen werden“, sagt Managing Director Dirk Morbitzer von Renewable Analytics in San Francisco. „Das, was sie derzeit auf dem heimischen Markt lernen, werden sie dann sicherlich auch auf den internationalen Märkten anbieten.“