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Verhaltene Frühlingsgefühle

Die Konjunktur brummt in fast allen Branchen. Ob Autobauer, Handelskonzerne oder Banken: Die meisten Firmen berichteten zum ersten Quartal 2011 über ausgezeichnete Geschäfte. In der Photovoltaikbranche war das anders. Die meisten Firmen mussten Umsatz- und Gewinnrückgänge hinnehmen. Beim Blick in die Bilanzen ist die Erklärung schnell gefunden. Während der Absatz stagniert, wachsen die Vorräte. Bei First Solar stieg der Lagerbestand innerhalb von nur drei Monaten um knapp 40 Prozent auf 271,2 Millionen Dollar. Das entsprach mehr als der Hälfte des Quartalsumsatzes von 567 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Im vierten Quartal betrug dasVerhältnis von Lagerbeständen zum Umsatz noch 1:4. Das zeigt: Die US-Amerikaner haben zwar munter weiter produziert, davon aber nur einen Teil absetzen können. Noch extremer war die Situation für Zellspezialist Q-Cells. Um 60 Prozent wuchsen die Vorräte an, während sich der Umsatz fast halbierte. Selbst bei Solarworld, einer der wenigen Anbieter mit steigenden Gewinnen, kletterte der Lagerbestand bis Ende März um knapp 30 Prozent.

Sunways-Vorstandschef Michael Wilhelm nannte die Misere beim Namen. „Unerwartet hohe Lagerbestände im Handel und zurückhaltende Nachfrage“ seien für die Halbierung des Umsatzesauf nur noch 22 Millionen Euro verantwortlich. Nach Schätzung des Marktforschungsunternehmens IHS iSuppli sind in Deutschland von Januar bis März kaum mehr als 600 Megawatt verkauft worden. Im Quartal zuvor sind laut Bundesnetzagentur 1.900 Megawatt installiert worden. Im ersten Quartal 2010 waren es immerhin 715 Megawatt.

„Der Markt in Deutschland war in den ersten Monaten praktisch tot“, sagt Holger Ruletzki von dem Berliner Unternehmen Parabel. Neben dem schlechten Wetter habe vor allem der Umstand dazu beigetragen, dass die „Modulhersteller die Preise nicht adäquat angepasst“ hätten. Zwar habe es Preisnachlässe von biszu zehn Prozent zum Anfang des Jahres gegeben. Damit hinkten die Modulhersteller aber immer noch der Senkung der EEG-Vergütungen hinterher. „Noch gab es keine Kompensation für die Vergütungsreduktion im letzten Sommer“, bemängelt Ruletzki.

Zum 1. Juli und 1. Oktober 2010 waren die Einspeisevergütungen abhängig von der Anlagenart um bis zu 16 Prozent reduziert worden. Preissenkungen, um diese Degressionsschritte an den Markt weiterzugeben, hatten die Hersteller wegen des Booms in Italien nicht nötig. „Italien war wie ein Staubsauger und hat Preisnachlässe in Deutschland verhindert“, sagt Andrew Murphy von der Fondsgesellschaft Murphy & Spitz, die in der Vergangenheit in heimische Großprojekte investiert hat. Der Boom auf dem Apennin, überspitzt Ruletzki, habe „alle Preise möglich“ gemacht. Doch mit den neuen Einschnitten in Italien scheint sich dies zu ändern. Kein anderer Markt steht kurzfristig bereit, um die Lagerbestände der Unternehmen aufzunehmen. Aber: „Ohne weitere Preissenkungen wird die Nachfrage in Deutschland sich kaum beleben“, sagt Ruletzki.

Modulhersteller senken Preise

Einen ersten Schritt in diese Richtung haben die Modulhersteller bis Redaktionsschluss getan. „Einigermaßen überraschend haben unsere Modullieferanten die Preise im April um etwa 4,5 Prozent gesenkt“, berichtet Georg Scholz, Chef der Photovoltaikasbteilung des Hamburger Installationsunternehmens Ad Fontes Solartechnik. Zum 1. Januar waren die Preise zuvor um sieben Prozent gesunken. Die Firma bringt Module aus internationaler Produktion mit hohem Qualitätsanspruch auf die Dächer. „Auch wir mussten bei der Weiterberechnung unserer Leistung große Abstriche machen, um die Anlagen überhaupt rentabel verkaufen zu können. Wir haben bei den Preisen mehr nachgelassen als die Hersteller. Da muss von Seiten der Hersteller jetzt noch mehr kommen“, fordert er. Die Profitabilität des solaren Handwerksgeschäfts habe seit Anfang des Jahres aufgrund des Preisdrucks erheblich gelitten. „Und auch zuvor hat es nicht für goldene Wasserhähne gereicht“, wehrt Scholz den Vorwurf übertriebener Margen in Zeiten des Booms ab. Ein paar Prozentpunkte müssten es also noch sein, bevor im Juli der nächste Degressionsschritt kommt.

In der Tat scheint Bewegung in den Markt zu kommen. „Mit dem guten Wetter zieht die Nachfrage an“, berichtet der Ad-Fontes-Manager aus eigener Erfahrung. „Noch ist es aber kein Problem, sofort Ware zu bekommen.“ Denn die Lager sindnach wie vor randvoll, wie Dirk Morbitzer von Renewable Analytics bestätigt. „Die Preise sind aber seit April permanent in Bewegung. Mittlerweile sind sie so weit gesunken, dass man in Deutschland die gleiche Rendite wie im vierten Quartal 2010 erzielen kann.“ Der Analyst erwartet deshalb, dass die Nachfrage bald spürbar anspringen wird und die Lager sich leeren. „Der Abbau wird sich aber bis ins dritte Quartal fortsetzen.“

Wafer- und Siliziumpreise stabil

Allerdings waren es auf Seiten der Produzenten anfangs ausnahmslos die Modul- und Zellhersteller, die ihre Preise um bis zu zehn Prozent gesenkt hatten. „Die Wafer- und Siliziumpreise sind dagegen stabil geblieben“, sagt Henning Wicht von IHS iSuppli. Er nennt Waferpreise für Anfang des Jahres von 3,50 Dollar je Stück. In diesem Segment sei die Konkurrenz weniger intensiv, erklärt er. Außerdem hätten neue asiatische Unternehmen am Markt ohne Rücksicht auf die Nachfrage Vorprodukte für die Zellherstellung geordert. Starke Quartalszahlen von Waferherstellern wie Wacker Chemie und MEMC bestätigen dies.

„Erst ab Ende März ist Bewegung in den Wafermarkt gekommen. Die Preise fielen auf 3,1 Dollar je Wafer“, sagt Wicht. Auch die Polysiliziumpreise haben nach dem kräftigen Anstieg im letzten Quartal 2010 und dem ersten Quartal 2011 wieder nachgegeben. Morbitzer spricht von einem Rückgang bis Mitte Mai von 20 Prozent.

Diese Entwicklung schlägt sich nun in den Beschaffungskosten für die Modulenieder. Morbitzer zufolge sind die Preise für deutsche Module am unteren Ende bis auf 1,30 Euro je Wattpeak gefallen. Zum Anfang des Jahres lagen sie noch bei 1,50 Euro. Bei chinesischen Modulen war der Preisrückgang noch deutlicher. Bewegten sich die untersten Preise im Januar noch bei 1,30 bis 1,35 Euro, sind die gleichen Qualitäten jetzt für 1,05 bis 1,08 Euro zu haben. Den ausländischen Produzenten hat der schwache Dollar geholfen. Gegenüber dem Euro verlor die US-Währung binnen viereinhalb Monaten rund zehn Prozent an Wert.

Doch während Lieferanten und Installateure auf die Vergütungssenkungen mit Abschlägen reagieren, scheint die Bereitschaft dazu bei den Komponentenlieferanten wenig ausgeprägt zu sein. „Die Wechselrichterhersteller haben zum Jahresbeginn fünf bis zehn Prozent nachgelassen, mehr bisher nicht“, hat IHS iSuppli-Analyst Wicht beobachtet. In deren Augen werde eine weitere Preissenkung kaum die Nachfrage anwerfen. Das ist einer der Gründe, warum die Preise für Dachsysteme bisher noch nicht stärker gefallen sind als von 2,70 auf 2,50 Euro je Watt.

Finanzierung momentan schwierig

Doch nicht nur unwillige Komponentenlieferanten bremsen die Renditen. Auch die Finanzierungskonditionen haben sich verschlechtert. „Der Refinanzierungsaspekt ist wesentlich für den Markt. Die gestiegenen Zinsen für die Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau reduzieren die Rendite zusätzlich zu den gesunkenen Vergütungen“, erklärt AndrewMurphy von Murphy & Spitz. So erhöhte sich etwa der Zinssatz für ein 20-jähriges Darlehen bei drei tilgungsfreien Jahren und zehnjähriger Zinsbindung von 2,8 Prozent im Dezember 2010 auf 4,4 Prozent ab Mitte April 2011. Für Großanlagen sei deshalb nur eine Rendite von ein bis zwei Prozent möglich gewesen. „Wir machen derzeit keine Projekte in Deutschland. Die Systempreise müssten dazu – Stand Ende März – noch mal um zehn Prozent sinken.“ Trotz der Zurückhaltung großer Investoren rechnet Marktbeobachter Wicht im Vorfeld der erneuten Tarifreduzierung mit einem kräftigen Anziehen der Nachfrage allein im Juni auf 1.200 Megawatt. Der Zubau werde vor allem im Segment der Dachanlagen erfolgen. Bei Dachsystemen seien unter Berücksichtigung der Eigenverbrauchsregelung derzeit Renditen von zehn Prozent für den Eigentümer zu erzielen. Dirk Morbitzer schätzt, dass der Preisrückgang noch anhalten werde, nicht zuletzt wegen der hohen Lagerbestände. „Eine Verbilligung auf 1,0 Euro je Watt für chinesische Module ist möglich“, sagt er. Tiefer werde der Preis aber zunächst nicht fallen, da die Renditen für Investoren auf diesem Niveau ausreichend attraktiv seien.

„Die nächste spannende Frage wird sein: Was passiert ab Juli?“, blickt Georg Scholz von Installateur Ad Fontes schon voraus. „Alle Lieferanten und Komponentenhersteller müssen dann die Absenkung eins zu eins weitergeben“, fordert er. Damit rechnet Henning Wicht aber nicht. „Wir erwarten aufgrund unserer Marktprojektionen eine Vergütungssenkung von sechs Prozent. Die Preise werden darauf, wenn überhaupt, nur marginal reagieren.“ Aufgrund der bis dato erzielten Preisreduzierungen verändere die Tarifabsenkung die Investmentrechnung nicht mehr wesentlich. „Wichtiger sind die Zinsentwicklung und die langfristigen Strompreise.“ Allerdings scheint auch mancher Anbieter von dem Preisdruck im Markt überrascht worden zu sein. Sunways-Vorstandschef Michael Wilhelm jedenfalls musste bei Vorlage des Quartalsberichtes einräumen, dass die Preise so stark nachgeben werden, dass im Gesamtjahr ein zweistelliges Umsatzwachstum, wie noch im Frühjahr geplant, nicht mehr möglich sein werde. Auf eine brummende Konjunktur muss sein Unternehmen wohl noch etwas warten.

Oliver Ristau

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