Seit Februar stehen Sie in Brüssel an der EPIA-Spitze. Was haben Sie schon für Erfahrungen in Ihrem neuen Job gemacht?
Ich habe die meiste Zeit in meiner Karriere in kommerziellen Organisationen gearbeitet, und ich finde es extrem faszinierend, einen so dynamischen Industrieverband wie EPIA zu führen. Die Motivation und das Engagement der Menschen schaffen einen Schwung und eine Arbeitsdynamik, wie man sie in großen kommerziellen Organisationen nur schwer oder gar nicht stiften kann, wo die Mitarbeiter nicht so eine große Nähe zu der Mission und den Zielen der Organisation haben.
Ihre Rolle ist es jetzt, Politiker zu überzeugen. Wie wollen Sie das tun?
Erneuerbare Energien und Photovoltaik sind eine Leidenschaft für mich, auch wenn meine Erfahrung vom kommerziellen Feld und aus der Beratung kommt. Für mich ist es sehr interessant, einen etwas anderen Blick einzubringen. Wie man manche Themen angeht oder Argumentationen strukturiert. Zum Beispiel, wie man Photovoltaik als Premiumenergie positioniert.
Welche Resonanz spüren Sie bei Politikern in Brüssel bezüglich der Photovoltaik?
Lobbyarbeit hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Ich würde sogar sagen, dass der Begriff Lobbyarbeit manchmal irreführend ist. Sie gründet viel mehr auf Glaubwürdigkeit, die man in die Diskussion einbringt, als auf Status oder Netzwerk.
Wie glaubwürdig sind denn Ihre Zahlen? Eine Studie, die den Zubau der Photovoltaik in Deutschland im Jahr 2010 auf 6,5
Gigawatt schätzt, wird genutzt, um für eine Reduktion der Einspeisevergütung zu argumentieren. Sie prognostizieren einen viel geringeren Zubau. Streuen Sie zu kleine Zahlen, weil Sie eine Lobbyorganisation vertreten und das vorteilhaft in der politischen Diskussion ist?
Ich denke nicht, dass Sie EPIA nur als Lobbyorganisation definieren können. Eines unserer Ziele ist sicherlich, den Photovoltaiksektor auf europäischer Ebene zu repräsentieren und zu vertreten. Aber ein Ziel ist auch, eine Quelle für zuverlässige Information und Statistik zu sein. Jeden Dezember erstellen wir eine Marktvorhersage. Sie ist das Ergebnis von Marktdaten, die wir von unseren Mitgliedern erhalten, die in direktem Kontakt mit dem Markt sind. Wir vergleichen und prüfen sie mit Marktanalysen verschiedener Quellen. Am Ende haben wir zwei Szenarien, ein pessimistisches und ein optimistisches. Und ich denke, es hat sich gezeigt, dass beides anerkannte und zuverlässige Marktvorhersagen sind. Wenn Sie in unsere letzte Vorhersage vom Februar 2007 schauen, lag unsere Prognose für Deutschland zwischen 1,5 und zwei Gigawatt und damit sehr weit weg von den 6,5 Gigawatt, die Photon Consulting prognostiziert.
Wieso kommt Photon Consulting zu einer anderen Schätzung?
Alles, was ich weiß, ist, dass wenn ich andere Referenzmarktstudien ansehe, dann sind deren Prognosen in der Regel sehr viel näher an unseren als an der von Photon. Ich kann mir deshalb nicht wirklich vorstellen, dass der Markt in Deutschland innerhalb von zwei Jahren plötzlich auf das Vierfache springt. Ich verstehe den Grund dafür nicht.
Eine andere Studie, die des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung, behauptet, durch die Einspeisevergütung in Deutschland summierten sich bis 2035 Kosten von bis zu 120 Milliarden Euro auf. Ist Photovoltaik zu teuer?
Es ist richtig, dass Deutschland die Entwicklung eines neuen Sektors finanziert und für eine nachhaltig wachsende Industrie die Grundlagen legt. Man muss aber bedenken, was diese Zahlen wirklich bedeuten in Bezug auf den Staatshaushalt und was die Kosten für einen Haushalt pro Monat sind. Im Moment ist es – glaube ich – ungefähr ein Euro. Das sind doch Peanuts. Was ist denn ein Euro für die Entwicklung einer neuen Industrie und einer grünen Energie. Können wir uns wirklich auf konventionelle Energieträger verlassen? Die Ölpreise haben sich in einem Jahr verdoppelt. Können wir tolerieren, dass unsere Energieabhängigkeit 2020 auf 70 Prozent steigt? Können wir den globalen Klimawandel vergessen? Die Situation ist wirklich katastrophal. Es ist vermutlich eine der größten Herausforderungen, der die Menschheit gegenübersteht. Deutschland hat sich für einen sehr entschlossenen und visionären Ansatz entschieden.
Basierend auf den Zahlen gibt es in Deutschland nun Forderungen, die Einspeisevergütung um 30 Prozent zu reduzieren. Überrascht Sie das?
Als ich von den 30 Prozent gehört habe, ist mir die Luft weggeblieben. Das wäre fast, als beginge man Selbstmord. Ich denke, die meisten Firmen würden schlicht verschwinden. Und das würde für Europa und besonders für Deutschland bedeuten, die bisherigen Investitionen wegzuschütten, wahrscheinlich zum Nutzen nicht europäischer Akteure. Das ist aber nur eine Zahl, die in der Diskussion ist. Die verlässlichste Information ist doch, dass die Tarife 2009 um neun Prozent, dann um sieben Prozent in 2010 und danach um acht Prozent sinken. Ist das korrekt?
Ja ...
Ich denke, wenn das EEG in dieser Form geändert würde, würde es eine Art Schluckauf am Markt erzeugen. Ich verstehe nicht-lineare Degressionsraten nicht. Was den Level angeht, ist erziemlich groß. Die Kosten werden zurzeit von externen Elementen bestimmt, die die Industrie auf kurze Sicht nicht unter Kontrolle hat. Die Siliziumknappheit lässt schon nach, aber sie wird bis vermutlich 2010 dauern. Ich denke, dass die großen Akteure in der Lage sein werden, mit der Reduktion umzugehen, aber sie würde vermutlich die kleinen Akteure gefährden. Das würde die Konsolidierung des Marktes beschleunigen. Man kann argumentieren, dass das eine gute Sache sei. Das ist aber vielleicht etwas früh, da wir im Moment eine beachtliche Diversität von Technologien haben. Ich glaube, Photovoltaik muss die verschiedenen Wege weiter verfolgen, die fast alle vielversprechend sind. Den Markt zu schnell zu konsolidieren hätte wahrscheinlich eine schlechte Wirkung darauf.
Welche Perspektive hat denn die Förderung der Photovoltaik in Europa?
Die europäische Kommission hat im Januar einen Entwurf für eine Richtlinie zur Förderung des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen vorgelegt. Der muss jetzt durch den Entscheidungsprozess. Insgesamt sind wir mit den Grundlinien des Vorschlags sehr zufrieden. Die Kommission hat die Vorstellung klar zurückgewiesen, dass es ein harmonisiertes Förderungssystem für ganz Europa geben soll. Das ist eine Entscheidung, die die Einspeisetarife der einzelnen Länder nicht gefährdet. Aber der Gesetzgebungsprozess ist sehr komplex, und man kann nie sicher sein, was herauskommt. Wir verfolgen das sehr genau. Die gute Nachricht ist, dass die Märkte, die auf kurze Sicht am wichtigsten sind, bereits Einspeisetarife implementieren oder im Prozess der Implementierung sind – Deutschland und Spanien, wie wir wissen, aber auch Frankreich, Italien, Griechenland und Polen.
Die Verordnung wird also vermutlich zumindest nicht die positiven Regelungen in den einzelnen Ländern gefährden. Sehen Sie auch Positives an der Verordnung?
Positive Effekte des Vorschlags sind vor allem die verbindlichen nationalen Ziele für 2020. Der Vorschlag sieht auch verbindliche Priorität für den Netzzugang für erneuerbare Energien vor. Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn man nicht technische und administrative Bedingungen für den Zugang verbessert, entwickelt sich der Markt nicht.
Gibt es neben den Reglungen zu den erneuerbaren Energien andere Felder, die für EPIA wichtig sind?
Wenn wir anschauen, was eine Belastung für den Photovoltaiksektor darstellen könnte, ist REACH wichtig, was die Verwendung von Chemikalien regelt. Außerdem die Richtlinien, die sich auf Abfall beziehen. Wir haben unter dem Namen PVCycle letztes Jahr eine freiwillige Vereinigung initiiert, die ein komplettes Life-Cycle-Management für Photovoltaikabfall implementiert. Wegen dieser Initiative sind wir sehr zuversichtlich, dass wir nicht unter die Verordnung zu elektronischem und elektrischem Abfall fallen. Andere Verordnungen bieten große Chancen: 2009 gibt es eine wichtige Initiative, den Strategic Energy Technology Plan der Europäischen Kommission, der Forschung und Entwicklung in ausgewählten Sektoren in großem Maßstab fördert. Und Photovoltaik ist eine der ausgewählten Industrien.