Im Januar hat das EU-Parlament eine Änderung der WEEE-Richtlinie beschlossen, die Sammlung und Wiederverwertung von Solarmodulen gesetzlich vorschreibt. Wo sehen Sie nun die größten Herausforderungen für PV CYCLE?
Eine der wichtigsten Herausforderungen für uns ist, das europaweite Einsammeln der Module zu verbessern. Dies ist eine enorme Aufgabe, jedoch ein wesentlicher Vorteil von PV CYCLE, denn der einzelne Hersteller wäre damit überfordert. So weiß beispielsweise Sanyo, an welche Großhändler Module verkauft wurden, aber nicht, wo diese installiert wurden. Die einzige Firma in der Solarbranche, die bisher ein eigenes Rücknahmesystem betreibt, ist First Solar. Doch für dieses Unternehmen ist es auch einfacher, weil die Module hauptsächlich an Großanlagen, das heißt nur an wenige Endkunden, verkauft werden. Ein weiteres Problem ist, dass es in der Solarbranche kaum jemanden gibt, der mit den existierenden Rücknahmesystemen in der Elektronikbranche vertraut ist.
Wie funktioniert das System bisher?
Lassen Sie mich das Beispiel Deutschland nennen. Dort sind die Kommunen zuständig für das Einsammeln des gesamten Elektroschrotts. Auf den kommunalen Wertstoffhöfen sind Container für Elektro-Altgeräte wie beispielsweise Waschmaschinen aufgestellt, die von den Herstellern bezahlt werden. Die Hersteller müssen im Elektro-Altgeräte-Register (EAR) der Stiftung EAR registriert sein. Importeure brauchen selbstverständlich auch erst eine EAR-Registrierungsnummer, bevor sie importieren dürfen. Vor der Erteilung einer Registrierungsnummer erfolgt eine Prüfung der Hersteller, die auch die finanzielle Situation mit einschließt. Beispielsweise müssen die Unternehmen nachweisen, dass sie in der Lage sind, die Wiederverwertung der Produkte auch noch in 20 Jahren beziehungsweise nach ihrer eventuellen Insolvenz sicherzustellen, und sie müssen entsprechende Finanzgarantien abgeben.
Was macht die Stiftung EAR sonst noch?
Die EAR koordiniert auch den Abtransport der auf den Wertstoffhöfen eingesammelten Elektrogeräte zu den Recyclinganlagen; das heißt sie erteilt Anordnungen zur Abholung von vollen Containern an die Hersteller. Der Abtransport erfolgt dann durch Verwertungsgemeinschaften, zu denen sich die Hersteller zusammengeschlossen haben, oder durch von den Herstellern beauftragte Logistikunternehmen.
Um welche Mengen geht es?
Im Jahr 2010 sind allein in Deutschland etwa 1,5 Millionen Tonnen Elektro-Haushaltsgeräte auf den Markt gebracht worden, wovon etwa 210.000 Tonnen auf die Kategorie vier, also auf Unterhaltungselektronik, entfielen. Die WEEE-Richtlinie ordnet die Solarmodule in die gleiche Kategorie ein. Im Photovoltaikbereich geht es sogar um noch größere Mengen. So wurden in Deutschland im Jahr 2010 Solarmodule im Umfang von rund 740.000 Tonnen auf den Markt gebracht.
Bedeutet das also, dass die Photovoltaikhersteller künftig entsprechend viele eigene Container auf den kommunalen Wertstoffhöfen für die ausrangierten Module aufstellen und dann getrennt abtransportieren lassen müssen?
Entsprechend der jetzigen Regelung ist nicht geplant, dass die Altmodule in eigenen Containern getrennt erfasst werden, sondern zusammen mit den sonstigen Elektro-Altgeräten der sogenannten Sammelgruppe drei, also IT- und Unterhaltungselektronik. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Solarmodulen und anderen Elektrogeräten. Während man bei fast allen Arten von Elektrogeräten von einem fast gesättigten Markt ausgehen kann, handelt es sich bei uns um einen noch jungen und nicht gesättigten Markt. Das heißt, dass typischerweise für jeden neu verkauften Fernseher ein alter Fernseher zum Altgerät wird und gesammelt und entsorgtwerden kann. Dagegen wird es bei Modulen noch viele Jahre dauern, bis für jedes neu verkaufte Modul ein altes Modul zu Elektroschrott wird. Es gibt also einen großen Unterschied zwischen der in Verkehr gebrachten Menge und der verfügbaren Menge an Altmodulen. Konkret bedeutet das, dass wir in den kommenden Jahren nur mit relativ kleinen Mengen an Modulen rechnen, die in den Containern der kommunalen Sammelstellen enden werden. Allerdings muss prinzipiell jeder Photovoltaikhersteller oder Importeur damit rechnen, zur Abholung eines Containers verpflichtet zu werden, auch wenn sich in dem konkreten Container gar keine Module befinden. Außerdem würde eine Vermischung von Modulen mit anderen Elektrogeräten erst eine Sortierung des Abfalls bedingen, was natürlich die Kosten für die Entsorgung erhöht. Aufgrund dieser Situation möchten wir uns auch nicht auf die kommunalen Sammelstellen verlassen, sondern unser herstellereigenes Sammelsystem weiter ausbauen und den Großteil der Altmodule über dieses eigene System einsammeln.
Das war ja von Anfang an das Ziel von PV CYCLE. Doch ist dies nun innerhalb der Rücknahmepflicht auf europäischer Ebene überhaupt noch möglich?
Ja, dies ist auch innerhalb der WEEE-Richtlinie möglich. In anderen Bereichen wurde dies auch gemacht; beispielsweise gibt es in Deutschland ein eigenes Sammelsystem für Batterien und auch für Energiesparlampen.
Warum hat es denn PV CYCLE in den vergangenen Jahren nicht geschafft, ein eigenes Sammelsystem der Solarindustrie auf freiwilliger Ebene in Europa durchzusetzen und eine gesetzliche Regelung zu verhindern?
PV CYCLE konnte eine gesetzliche Regelung nicht verhindern, aber wir haben ein erfolgreiches und weit gefächertes Partnernetzwerk mit mehr als 200 Sammelstellen, zertifizierten Abfalltransporteuren und erfahrenen Recyclern aufgebaut und bis dato schon über 2.000 Tonnen eingesammelt. Wir konnten jedoch nicht alle unsere Mitglieder zur Abgabe von Finanzgarantien mit einer Laufzeit von 20 Jahren im Rahmen eines Environmental Agreement motivieren. Nicht alle unsere Mitgliedsfirmen haben wahrscheinlich die Bedeutung der Regelung genügend erkannt. Doch die Materie ist auch komplex und schwierig zu verstehen, zumindest für die Unternehmen, die nur mit Photovoltaik zu tun haben. Große Elektronikkonzerne, die schon seit Jahren die Anforderungen der einzelnen WEEE-Gesetze in den EU-27-Ländern umsetzen müssen, tun sich damit leichter.
Wie viel Zeit bleibt denn nun, um eine getrennte Modulsammlung innerhalb der WEEE-Richtlinie durchzusetzen?
Die Mitgliedsstaaten müssen die WEEE-Richtlinie innerhalb von 18 Monaten nach Publizierung umgesetzt haben, das heißt erwartungsgemäß bis Ende 2013. Dabei wird es unterschiedliche Wege und Systeme geben. So gibt es beispielsweise die EAR in dieser Form nur in Deutschland; für Italien, Frankreich und alle anderen EU-27-Länder kann es eigene Prozesse und Regelungen geben. Um nun unsere Lobbyarbeit zur größtmöglichen Harmonisierung zu verstärken, haben wir übrigens auch Anfang dieses Jahres unsere Geschäftsstelle in Brüssel personell aufgestockt.
Welche finanziellen Dimensionen hat denn die neue Richtlinie für die Branche?
Die finanziellen Dimensionen sind enorm und setzen sich aus vielen Kostenkomponenten zusammen. Manche sind für das einzelne Unternehmen nur im kollektiven System tragbar. Heute werden im Rahmen von PV CYCLE bis zu 200 Euro pro Tonne an unsere Mitglieder verrechnet. Ein Großteil dieses Betrages kommt dabei dem Transport zu. 2011 wurden europaweit circa 2,1 Millionen Tonnen verkauft. Natürlich werden wir versuchen, die Entsorgungskosten pro Tonne zu senken, bis diese Mengen in vielleicht 20 Jahren zu Abfall werden. Eine zusätzliche Herausforderung ist der Konsolidierungsprozess in der Branche. Wenn Solarunternehmen insolvent werden, müssen die überlebenden Firmen die anderen Altmodule mit entsorgen beziehungsweise finanziell dafür aufkommen. Für dieses Risiko müssen wir Vorsorge treffen.
Ergeben sich nicht auch neue Geschäftsmöglichkeiten und Einnahmequellen durch das Recycling?
Wie bereits gesagt, besteht ein Großteil der Entsorgungskosten aus Logistikkosten. Für das Recycling müssen wir zurzeit noch Geld bezahlen. Wir hoffen jedoch, dass in Zukunft das Recycling von Altmodulen profitabel sein wird, wenn es gelingt, ökonomisch und im industriellen Maßstab wertvolle Rohstoffe zurückzugewinnen. Aber bis dahin muss die Menge an Altmodulen noch erheblich wachsen, und die Recycling-Techniken müssen noch verbessert werden. Auch für Installateure können sich neue Geschäftsmodelle ergeben, wenn sie eigene Sammelstellen für Altmodule einrichten und mit dem Verkauf von neuen Modulen verknüpfen.
Es gibt Stimmen, die sagen, dass die neue Richtlinie nicht so sehr dem Umwelt- und Ressourcenschutz dient, sondern dass hierdurch neue europäische Handelsbarrieren gegen China aufgebaut werden sollen.
Das sehe ich nicht so. Denn die neue Regelung gilt für alle Unternehmen, auch die europäischen. Chinesische Solarunternehmen werden dadurch nicht diskriminiert. Zudem gibt es auch in China schon seit 2009 eine Elektronikschrott-Richtlinie, allerdings bisher nicht für Module. Es ist jedoch zu erwarten, dass der internationale Markt gleichziehen wird.