Die Tagebaue von Vattenfall in Ostdeutschland haben einen neuen Besitzer aus Tschechien gefunden. Jedoch befürchten Experten, dass EPH die Töchter in der Lausitz nur finanziell ausquetschen will.
Nun ist der Fluchtweg für Vattenfall frei. Die EU-Kartellbehörden gaben Ende September grünes Licht für den Verkauf der Braunkohlesparte in Ostdeutschland an die tschechische EPH-Gruppe. Es gebe weiterhin genügend Wettbewerb mit dem Marktführer im Braunkohlesektor RWE, lautet die Begründung. Die schwedische Regierung hatte dem Verkauf des Staatskonzerns schon im Juli zugestimmt. Also Leinen los für Vattenfall.
Nicht ganz. Die Umweltschützer von Greenpeace warnen, dass sich die Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer von Brandenburg und Sachsen nicht allzu sehr auf den tschechischen Käufer verlassen sollten. „Politisch ist es unverantwortlich, diesen Finanzjongleuren die Braunkohle ohne Auflagen zur Rekultivierung und zur Einhaltung von Klimazielaen zu überlassen“, menetekelt Karsten Smid. Er ist Energieexperte bei Greenpeace und fordert, dass die Ministerpräsidenten Sicherheitsleistungen für die Sanierung der Bergbauschäden verlangen. „Sonst verletzen die zuständigen Politiker ihre Sorgfaltspflicht.“
Will Deutschland zudem die gesteckten Klimaziele erreichen, muss der Vattenfall-Nachfolger einen geordneten und sozial verträglichen Rückbau des Kohlegeschäfts vorbereiten. Um seine Braunkohle-Aktivitäten loszuwerden, zahlte Vattenfall sogar Geld obendrauf. Das EPH-Management um Konzernchef Daniel Kretinsky spekuliert darauf, dass die Großhandelspreise für Strom künftig wieder steigen, wenn Deutschland bis Ende 2022 alle Atomkraftwerke abschaltet. Währenddessen hoffen die Landesregierungen in Potsdam und Dresden, dass EPH möglichst viele Jobs in der strukturschwachen Lausitz erhält.
Anonyme Firmen im Ausland
Aber das undurchsichtige Firmengeflecht des tschechischen Energiekonzerns EPH, der mit seinem Finanzpartner PPF Investments die Lausitzer Braunkohlesparte von Vattenfall übernehmen will, wirft einige Fragen auf. Das „Schwarzbuch EPH“ von Greenpeace zeigt, wie brisant diese Übernahme ist. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Eigner von EPH die Strategie verfolgen, so viel Rendite wie möglich aus den Vattenfall-Tagebauen in Ostdeutschland zu ziehen, um den Betrieb dann in die Insolvenz zu führen“, heißt es in dem Bericht.
Wie das Schwarzbuch zeigt, stehen hinter Energetický a Průmyslový Holding, kurz EPH, Oligarchen und ein Netz aus Beteiligungsgesellschaften, die als anonyme „Offshore-Gesellschaften“ mit beschränkter Haftung in Steuerparadiesen wie Zypern und Jersey firmieren. Kurzum: Ihr Geschäftsmodell ist es, Firmen aufzukaufen und finanziell auszupressen.
Dies zeigte sich bereits bei der Übernahme des sachsen-anhaltischen Braunkohlekonzerns Mibrag im Jahr 2009. Gleich nach der Übernahme reduzierte EPH dort massiv die Rückstellungen und will erst nach 2030 mit der „Akkumulation erheblicher Barreserven“ beginnen, wie es im Konzernabschluss der Mibrag-Mutter JTSD Braunkohlebergbau für das Geschäftsjahr 2014 heißt.
Bis 2030 jedoch muss bereits das letzte Braunkohlekraftwerk vom Netz gegangen sein, wenn Deutschland seine Zusagen im Klimaschutz einhalten will.
Braunkohle muss im Boden bleiben
International geriet EPH immer wieder ins Visier von Ermittlungen, zum Beispiel der europäischen Antitrust-Behörde oder der tschechischen Antikorruptionsbehörde. Aktuell im Fokus der Strafverfolger: der ehemalige Geschäftsführer der Mibrag und Braunkohle-Lobbyist Joachim Geisler. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt gegen Geisler wegen Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit dem Mibrag-Verkauf an EPH. Laut dem Schwarzbuch von Greenpeace spielte Geisler auch jetzt eine zentrale Rolle bei den Übernahmeverhandlungen von Vattenfalls Braunkohlesparte.
Eins steht fest: Als Vattenfall-Käufer übernimmt EPH große Verantwortung. Sollen die internationalen Vereinbarungen im Pariser Klimaabkommen erfüllt werden, muss ein Großteil der Kohle im Boden bleiben. Braunkohlekraftwerke müssen dafür in den nächsten 15 Jahren vom Netz gehen.
EPH hingegen spekuliert auf künftige Marktchancen der Braunkohle, die heute schon als überholt gelten. Zu befürchten ist, dass Milliardenkosten für die Rekultivierung der Braunkohletagebaue schließlich am deutschen Steuerzahler hängen bleiben. Dann würde der Kohlestrom noch mehr Kohle verschlingen. Energieexperte Karsten Smid ahnt einen ähnlichen Verlauf wie bei einer der größten Firmenpleiten in der Geschichte: Die Parallelen zum Fall des US-Energiekonzerns Enron Anfang des Jahrtausends seien unübersehbar. (Niels Hendrik Petersen)