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Vorsicht, Renditehebel!

Clemens Schmidt ist in einer denkbar ungünstigen Situation: Er will nördlich von Berlin eine Photovoltaik-Dachanlage bauen, und der Installateur hat ihm eine Rendite von gut acht Prozent in Aussicht gestellt, aber zum Jahreswechsel droht bereits eine kräftige Reduktion der Einspeisevergütung. Er muss also schnell entscheiden und holt sich deshalb Rat bei der Verbraucherzentrale, um das Angebot seines Installateurs prüfen zu lassen. „Man ist ja Laie und kann nicht beurteilen, ob das mit der Berechnung alles so stimmt und zutreffend ist.“ Wer wie Schmidt über den Bau einer Anlage nachdenkt, sollte jetzt handeln: „Die Renditesituation ist derzeit so gut wie nie“, sagt Analyst Markus Lohr von EuPD Research. Der Grund für die guten Renditen ist – neben der ausgebliebenen Reduktion der Einspeisevergütung im Juli dieses Jahres – ein Preisverfall bei den Systemen. Das Kilowatt Peak für Systeme unter zehn Kilowatt Leistung kostete im dritten Quartal dieses Jahres durchschnittlich gerade mal 2.199 Euro, wie der Preisindex von EuPD Research im Auftrag des Bundesverbandes Solarwirtschaft ergab. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 2.834 Euro. „Es gab einen massiven Preisrutsch, der deutlich stärker war, als es für einen Nachfrageanstieg nötig gewesen wäre“, sagt auch Analyst Stefan de Haan von IHS iSuppli. Das Ausbleiben der ganz großen Nachfrage in der ersten Jahreshälfte habe dazu geführt,dass die Modulpreise noch weiter gefallen seien. Auch de Haan spricht von einem guten Investitionsklima.

Dies will auch Schmidt nutzen. Die vom Installateur prognostizierten 8,1 Prozent Rendite für seine 6,78-Kilowatt-Dachanlage, die 16.583 Euro ohne Mehrwertsteuer kosten würde, klingen verlockend. Schmidt hat in der Vergangenheit allerdings schlechte Erfahrungen mit Renditeversprechen in anderen Bereichen gemacht. „Egal, was es war – rausgekommen ist nie das, was am Anfang gesagt und auf Papier aufgemalt oder gedruckt wurde“, sagt er.

Mit der Wirtschaftlichkeitsberechnung können sich Installateure schnell verärgerte Kunden einhandeln. Denn schon kleine Änderungen in den Annahmen entfalten eine große Hebelwirkung und zaubern aus einem guten Ergebnis eine Traumrendite, die einem Reality-Check nicht standhält. Das zeigt die Tabelle auf Seite 106. Zu positive Annahmen mögen in den letzten Jahren nicht sofort aufgefallen sein. „Überdurchschnittliche Strahlungsdaten haben so manchen Fehler noch ausgebügelt“, sagt Photovoltaik-Gutachter Christian Dürschner. Das sind allerdings Momentaufnahmen, da die Strahlung von Jahr zu Jahr schwankt. Nach guten folgen schlechte Jahre, und innerhalb von 20 Jahren Laufzeit wird der statistische Mittelwert erreicht. Es ist also möglich, dass Anlagen über 20 Jahre betrachtet schlechter laufen, als es die ersten Betriebsjahre hoffen lassen. Dürschner berechnet für Schmidts Anlage nur eine Rendite von 4,7 Prozent (siehe Tabelle).

Damit Schmidt nicht enttäuscht wird, nimmt Birgit Holfert von der Verbraucherzentrale sein Angebot unter die Lupe. Sie prüft eine häufig unterschätzte Stellschraube, die Betriebskosten: Der Installateur hat 220 Euro, also rund 1,3 Prozent der Investitionssumme, als laufende Kosten eingerechnet. „Das ist zu wenig“, sagt Holfert. Dürschner rechnet für die Betriebskosten solcher kleinen Anlagen gut zwei Prozent der Investitionskosten plus deren jährliche Steigerung von zwei Prozent, um die Inflation aufzufangen.

Hebel Betriebskosten

Zudem bleibe unklar, ob ein Wechselrichteraustausch eingerechnet sei, der in der Regel nach etwa zehn Jahren fällig ist, bemängelt Holfert. Der muss auch nachMeinung von Dürschner unbedingt einfließen. Bei einer 6,78-Kilowatt-Anlage rechnet er für den eingesetzten Wechselrichter rund 1.700 Euro, also rund 85 Euro Rückstellungen pro Jahr. Damit liegt er bei den anfallenden Kosten deutlich höher als Schmidts Installateur – kein Einzelfall, sagt Susanne Jung vom Solarenergie-Förderverein Deutschland. „Die Kosten für Wartung und Versicherung werden häufig viel zu niedrig angesetzt“, bemängelt sie. Dabei seien Reparaturen und der Austausch von Einzelteilen häufig nötig. „Die Vorstellung, dass Solarstromanlagen wartungsfrei laufen, hält sich leider noch immer hartnäckig.“ Während bei den Betriebskosten häufig zu wenig eingerechnet werde, sei beim Renditehebel Steuern und Eigenverbrauch von Solarstrom häufig das Gegenteil der Fall, berichtet Jung: „Wie viel man durch Eigenverbrauch einspart, ist schwer einzuschätzen, dazu müsste man ja wissen, wohin der Strompreis sich entwickelt – trotzdem wird teilweise mit hohen Zahlen jongliert.“ In Schmidts Angebot sind Steuerersparnisse durch die Anlage nicht in die Kalkulation eingeflossen, sondern allgemein erklärt. Das bewerten Dürschner und Holfert positiv. Allerdings tauchen Einnahmen durch Eigenverbrauch in der Wirtschaftlichkeitsberechnung auf. „Der Installateur kann Eigenverbrauch und Steuervorteile als Ausblick der Rechnung beilegen, als Grundlage für eine seriöse Renditerechnung sollte er sie aber nicht verwenden“, rät Dürschner. Die Zahlen seien hier zu unsicher. Grundsätzlich müsse sich eine Photovoltaikanlage auch ohne Steuervorteile und Eigenverbrauch rechnen.

Die Prognose der Erträge hingegen ist Sache des Installateurs, und hier ist wegen der Renditehebelwirkung Vorsicht geboten. „50 bis 60 Kilowattstunden mehr pro Kilowatt Peak haben einen kräftigen Effekt“, erklärt André Hückstädt von der Umweltbank. Sein Unternehmen vergibt Kredite ab 15.000 Euro für Solaranlagen. Im Fall Schmidt ist die Annahme des Installateurs etwas optimistisch ausgefallen, so das Urteil von Verbraucherberaterin Holfert und Gutachter Dürschner. DieAnlage nördlich von Berlin soll 935 Kilowattstunden Strom pro Kilowatt liefern. Dürschner würde rund 20 Kilowattstunden weniger für eine etwas verschattete Anlage ansetzen. Auch die Performance Ratio ist im Angebot mit 86 Prozent ziemlich hoch angegeben. Selbst wenn solche Werte auf Herstellerinformationen beruhen, rät Dürschner zur Vorsicht. Der Wert liege bei Anlagen mit kristallinen Modulen normalerweise zwischen 78 und 82 Prozent. „Ich würde hier lieber konservativ rechnen, dann ist man auf der sicheren Seite.“ Allerdings geht dieser Wert nicht direkt in die Renditerechnung ein. Er beschreibt, wie gut die Anlage technisch funktionieren soll. Damit lassen sich Anlagen untereinander im Prinzip vergleichen. Er fließt in die Ertragserwartung in Kilowatt Peak pro Kilowattstunden ein, die ein Parameter in der Renditerechnung ist.

Hebel Fremdkapital

Vorsicht ist Dürschner zufolge auch bei den Posten von Eigen- und Fremdkapital geboten. Ein steigender Fremdkapitalanteil kann aus der Eigenkapitalrendite eine Traumzahl zaubern. Das Problem an solchen Verheißungen sieht Gutachter Dürschner darin, dass der Risikofaktor unterschlagen wird. „Den meisten Kunden ist nicht klar, dass sie bei einemhohen Fremdkapitalanteil zwar eine gute Rendite aufs Eigenkapital, aber weniger von den Erlösen bekommen.“ Das sieht auf den ersten Blick, wenn man auf die Rendite optimiert, zwar gut aus. Allerdings erhöht der Kredit gleichzeitig das Risiko. Wenn etwas schiefläuft, bleibt der Investor auf den Schulden sitzen.

Bei einer Kreditfinanzierung kommen viele zusätzliche Parameter ins Spiel. Die Höhe des Fremdkapitalanteils, die Kreditzinsen und die Laufzeit. Schmidts Installateur hat die Sache vereinfacht und nur eine komplette Eigenfinanzierung und einen reinen Kreditkauf berechnet. Das kommt häufig vor, sagt Hückstädt. Auch wenn in der Realität oft anteilig fremdfinanziert wird: Damit seien die Angebote für den Kunden immerhin vergleichbar, so Hückstädt. Erfolge die Berechnung doch mit Fremdkapital, müsse man darauf achten, dass bei Kredithöhe und Zinssatz keine unrealistischen Werte einflössen.

Unabhängig von den Parametern, über die man streiten kann, gibt es auch Unterschiede in der Renditeberechnung selbst. Die meisten Programme arbeiten mit dem sogenannten internen Zinsfuß (IRR). „Das ist eine sinnvolle Methode für Unternehmensentscheidungen, für Kleinanlageninteressenten geht sie aber an der Realität vorbei“, sagt AnalystLohr. Dieses finanzmathematische Instrument ist zwar sehr praktisch, um die Rentabilität von zwei Investitionen zu vergleichen: Was bringt mehr Rendite – eine Geldanlage mit Zinszahlung oder eine Photovoltaikanlage? Allerdings gebe es hierbei ein Problem, monieren Kritiker. Die IRR-Methode geht davon aus, dass der Investor alle Erlöse aus der Photovoltaikanlage zu sehr guten Konditionen anlegen kann: Der Wiederanlagezins hat hier die Höhe der Rendite. Langfristige, sichere Geldanlagen, die wie im Fall Schmidt 8,1 Prozent versprechen müssten, dürfte ein Kleinanlagenbauer kaum finden – es sei denn, Schmidt investiert in eine zweite Solaranlage. Das ist aber unwahrscheinlich, denn das Hausdach ist bereits mit dem ersten Generator besetzt.

Streitpunkt interner Zinsfuß

Für kleinere Anlagen raten deshalb Lohr von EuPD Research und de Haan von IHS iSuppli dazu, mit einem modifizierten internen Zinsfuß (MIRR) zu rechnen. Der Unterschied ist groß. Lohr hat die Rendite für eine 50-Kilowatt-Beispielanlage nach dieser Methode bei kompletter Eigenfinanzierung im ersten Halbjahr 2011 mit 7,17 Prozent berechnet. Die gleiche Anlage erwirtschaftet mit den gleichen Parametern dagegen 12,99 Prozent, rechnet er nach der IRR-Methode.

Es gibt aber auch Verfechter des internen Zinsfußes, zu denen Jörg Sahr von der Stiftung Warentest gehört. „Was derAnleger mit laufenden Geldzuflüssen, den Zinsen und Kapitalrückflüssen macht, ob er das Geld wieder anlegt, für Konsumzwecke ausgibt oder damit sein überzogenes Girokonto ausgleicht, spielt für die Renditeberechnung keine Rolle“, sagt Sahr über die IRR-Methode. Der interne Zinsfuß errechne sich ausschließlich auf Basis des Zahlungsstroms, der durch die Investition selbst ausgelöst werde. „Insofern handelt es sich bei der Rendite um eine objektive Kennziffer.“ Eine durch die Berechnungsart leicht gesteigerte Rendite dürfte beim Verkauf kleiner Anlagen allerdings sowieso keine große Rolle spielen. Das legen Umfragen von EuPD Research nahe. Demnach würden sich rund 60 Prozent der Betreiber von Generatoren mit maximal 30 Kilowatt Leistung schon über eine Rendite von bis zu fünf Prozent freuen, 17 Prozent der Befragten reicht schon eine Amortisation der Investitionssumme (siehe Grafik). „Je kleiner die Anlage, umso wichtiger sind andere Motive“, sagt Lohr.

Und was sagt Schmidt dazu? Der wollte sich eigentlich mit seiner Frau ein neues Auto kaufen und denkt nun über eine Photovoltaikanlage nach. Renditeversprechen sind nicht der Grund dafür. „Wir wollen autark sein und mithelfen, dass das mit dem Atomausstieg klappt, darum geht es.“ Am Angebot seines Installateurs dürfte es Holfert zufolge nicht scheitern: „Es ist ein seriöses und vernünftiges Angebot, auch wenn es kleine Kritikpunkte gibt.“

Renditeberechnung: Angebot und Gutachterrechnung
AngebotGutachter
Eigenkapital100%100%
Stromertrag/Jahr935 kWh/KW935 kWh/KW
Betriebskosten/Jahr220 Euro331,66 Euro2% Inflation/Jahr
Reparaturrückstellung/Jahr84,75 Euro
Einnahmen Eigenverbrauch/Jahr281 Euro
Ertragssteuern
Degradation über 20 Jahre Laufzeit5%10%
Rendite8,1%4,7%
Die 6,78-Kilowatt-Dachanlage für Clemens Schmidt soll 16.583 Euro ohne Mehrwertsteuer kosten. Berechnet ist die Rentabilität in beiden Fällen mit der Methode des internen Zinsfußes. Der Sachverständige und Projektierer für Photovoltaikanlagen Christian Dürschner nutzte das Programm PV-Profit für seine Vergleichsrechnung.
Parametereinfluss auf die Eigenkapitalrendite für eine Beispielanlage
Jahresertrag aus der Ertragsprognose900 kWh/kW950 kWh/kW1.000 kWh/kW
Rendite5,40%6,30%7,20%
Moduldegradation über 20 Jahre Laufzeit0%5% (0,25%/Jahr)10% (0,5%/Jahr)20% (1,0%/Jahr)
Rendite6,60%6,30%5,90%5,10%
Fremdkapitalanteil (Kreditzinsen 5%)0%50%75%
Rendite6,30%6,40%6,60%
Kreditzinsen (Fremdkapitalanteil 75%)3%4%5%6%
Rendite9,60%8,10%6,60%5,10%
Betriebskosten bezogen auf Investitionssumme1,00%1,50%2,00%2,50%3,00%
Rendite7,90%7,10%6,30%5,40%4,50%
Anlagenpreise pro Kilowatt Peak2.000 Euro/kWp2.125 Euro/kWp2.250 Euro/kWp2.375 Euro/kWp2.500 Euro/kWp
Rendite8,20%7,20%6,30%5,40%4,60%
Berechnung: Christian Dürschner, Projektingenieur und Sachverständiger für Photovoltaikanlagen, mit PV-Profit. Grundannahmen: Dachanlage: 30 Kilowatt Peak; Investitionskosten: 2.250 Euro/kWp; Finanzierung: 100% Eigenkapital; Einspeisevergütung: 28,74 Cent; Jahresertrag: 950 kWh/kW; Betriebskosten: 2% der Investitionssumme; steigt um 2%/Jahr; Degradation: 0,25%/Jahr; Rückstellungen: ein Wechselrichtertausch für 250 Euro/kW. Grundannahmen für die Berechnung mit Fremdkapital: Auszahlung: 96% (4% Disagio); Fremdkapitalzinssatz: 5%; Methode: Rendite mit internem Zinsfuß.

Für die gleiche Anlage lässt sich eine Rendite zwischen 4,5 und 9,6 Prozent ausrechnen, nur durch Variation einzelner Parameter in der Renditerechnung.

Die dickgedruckten Werte sind die Vergleichswerte ohne Variation, berechnet nach den Grundannahmen. Bei den anderen wurden die zugrunde gelegten Parameter wie angegeben variiert.

Birthe Bruhns

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