Die weltweit schwierige Situation der Solarindustrie trifft die Hersteller von Dünnschichtmodulen besonders hart. Unternehmen wie Solyndra und Energy Conversion Devices mit der Tochtergesellschaft Uni Solar gehörten einst zu den ganz Großen der Branche. Allerdings gehörten sie auch zu den ersten Unternehmen, die in die Insolvenz gingen. Viele weitere folgten, darunter Namen wie Abound Solar, Pramac, Inventux und Soltecture. Ob aber von einem gesun- den Konsolidierungsprozess der Dünnschichtbranche gesprochen werden kann, ist fraglich. Denn die größte Konkurrenz geht derzeit nicht von anderen Dünnschichtherstellern aus, sondern von Anbietern, die auf kristalline Technologie setzen.
Im natürlichen Zielsegment der Dünnschichttechnologie, in den großen Solarparks, haben die entsprechenden Hersteller ihren Wettbewerbsvorteil zu großen Teilen eingebüßt. „Die führenden Produzenten im kristallinen Segment sind nicht mehr weit von den Produktionskosten der Dünnschichthersteller entfernt“, erklärt Stefan de Haan, Principal Analyst für den Bereich Photovoltaik beim Marktforschungsunternehmen IHS iSuppli. „Dünnschicht muss aber billiger sein als Kristallin, denn die Kunden müssen bei der Planung eines Solarparks ja irgendwie den Wirkungsgradnachteil von Dünnschicht kompensieren.“ Dirk Morbitzer, Managing Director von Renewable Analytics in San Francisco, teilt diese Auffassung: „Auf der kristallinen Seite sehen wir bei qualitativguten Herstellern derzeit Modulpreise von etwa 55 Eurocent pro Watt. Teilweise gehen die Preise auch hoch bis knapp 70 Eurocent pro Watt. Das heißt, wenn man die Wirkungsgradverluste von Dünnschicht abrechnet, müssten Dünnschichthersteller ihre Module heute in einem Bereich von 35 bis maximal 45 Eurocent pro Watt anbieten. Das schaffen die allerwenigsten.“ Hersteller, die auf die CIS/CIGS-Technologie setzen, können nach Einschätzung von Morbitzer ein wenig höhere Preise verlangen, da sie auch mit höheren Wirkungsgraden aufwarten können. Aber auch für diese Technik steigt der Druck durch die kristalline Konkurrenz.
Marktanteile halten
Die Absatzschwierigkeiten der Dünnschichthersteller zeigen sich auch in der Entwicklung der weltweiten Marktanteile. Im Jahr 2009 waren fast 20 Prozent aller verbauten Module Dünnschichtmodule. Damals gingen Experten davon aus, dass der Marktanteil von Dünnschicht relativ schnell die 30 Prozent erreichen werde. Die Realität heute sieht allerdings anders aus. Massiv fallende Siliziumpreise haben der Branche einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch die erhofften Wirkungsgradsteigerungen im Dünnschichtbereich blieben weitestgehend aus. So sank der Marktanteil von Dünnschicht im Jahr 2011 auf deutlich unter 15 Prozent. „Ob sich derMarktanteil bei diesem Wert stabilisiert, hängt maßgeblich vom Verhalten der wenigen großen Spieler ab“, sagt Stefan de Haan. „Wir denken schon, dass sich ein Anteil von 15 bis 16 Prozent halten lässt. Je nachdem wie First Solar und Solar Frontier ihre Strategie auslegen, kann sich das aber schnell ändern – durchaus auch im positiven Sinn.“ Trotz des schwierigen Marktumfelds haben einige Hersteller, wie zum Beispiel Solar Frontier oder Bosch Solar, angekündigt, ihre Produktionskapazitäten bis Ende des Jahres 2012 weiter auszubauen. Dirk Morbitzer ist allerdings skeptisch, ob die Pläne auch tatsächlich so umgesetzt werden. „Im Moment werden alle Ausbauvorhaben sowohl im kristallinen wie im Dünnschichtbereich sehr intensiv auf den Prüfstand gestellt. Jedes Unternehmen muss sich gerade fragen, ob Kapazitätserweiterungen derzeit wirklich sinnvoll oder notwendig sind.“
Mehr oder weniger Kapazität
Bei First Solar beispielsweise sind derzeit keine Kapazitätserweiterungen geplant. Eher im Gegenteil. Das Werk in Frankfurt (Oder) soll zum Jahresende geschlossen werden. Auch in Malaysia wird die Produktion heruntergefahren. Außerdem hat das Unternehmen angekündigt, die Zahl seiner Mitarbeiter insgesamt um etwa 30 Prozent zu reduzieren. „Die Produktionskapazität wird deshalb angepasst, weil der Kostenvorteil, den First Solar einmal hatte, nicht mehr existiert“, sagt Dirk Morbitzer. „Deshalb ist auch die Nachfrage nach Produkten von First Solar zurückgegangen.“ Die Kapazität dem Bedarf anzupassen hält Morbitzer daher für den richtigen Schritt. Laut Stefan de Haan hat First Solar außerdem einen doppelten Strategiewechsel vollzogen. Einerseits möchte sich das Unternehmen nicht mehr so intensiv auf die traditionellen, von einer Förderung abhängigen Märkte wie Deutschland oder die europäischen Kernmärkte konzentrieren, sondern stattdessen verstärkt auf die sogenannten Emerging Markets, also aufkommende Märkte, setzen.
Andererseits entwickelt sich First Solar, wie viele andere Unternehmen derzeit auch, weg vom reinen Modulhersteller hin zum Systemanbieter. „Dieser Schritt wird zum Beispiel im US-Markt deutlich, wo First Solar sehr stark in der Projektentwicklung aktiv ist“, sagt de Haan. „Sie werden ihre Kapazitäten daher nicht mehr so stark darauf ausrichten, ihre Module möglichst kostengünstig auf dem freien Markt zu verkaufen, sondern überwiegend das eigene Installationsgeschäft damit füttern.“ Das japanische Unternehmen Solar Frontier ist der Aufsteiger der letzten zwei Jahre. Im Gegensatz zu First Solars Cadmium-Tellurid-Technologie setzt man hier auf CIS-Module. „Damit haben sie die Technologie, die über das größte Kostensenkungspotenzial verfügt“, sagt Dirk Morbitzer. „Das ist ein großer Vorteil.“ Ein weiterer Trumpf ist, dass das Unternehmen zwei sehr starke Muttergesellschaften im Rücken hat, den japanischen Konzern Showa und den Royal-Dutch-Shell-Konzern. Deren schon vor vielen Jahren getroffene Entscheidung, CIS-Produktionskapazitäten aufzubauen, hat nun im Jahr 2011 Früchte getragen. Zwischen 2010 und 2011 konnteSolar Frontier die Produktion mehr als vervierfachen und so im Ranking der größten Dünnschichthersteller von Platz fünf auf Platz zwei klettern.
Keine Konkurrenz
„Für die Dünnschichtbranche ist es gut, dass jetzt noch ein zweiter Spieler hinzukommt“, meint Stefan de Haan. „Der Ansatz von Solar Frontier ist der erste im Bereich CIS/CIGS, der es tatsächlich geschafft hat, in die großvolumige Produktion zu gehen.“ Als Bedrohung für First Solar sieht de Haan Solar Frontier nicht. „Die sehen sich nicht so sehr als direkte Konkurrenten, sondern betrachten eher die kristallinen Hersteller als gemeinsame Konkurrenz. So stellen sie das zumindest dar und darin liegt auch eine gewisse Logik.“ Solar Frontier wird in diesem Jahr zudem vom japanischen Heimatmarkt profitieren. Dort entsteht gerade ein Markt von vielen Gigawatt. Auch im Projektgeschäft ist Solar Frontier in Japan sehr aktiv. Von der dort gerade eingeführten großzügigen Einspeisevergütung werden aber auch die anderen japanischen Photovoltaikhersteller profitieren. So zum Beispiel der Konzern Sharp, der sowohl kristalline als auch Dünnschichtmodule herstellt. Ob es dem Unternehmen aber gelingen wird, aufgrund der hohen Einspeisevergütung auch mehr Dünnschichtmodule zu verkaufen, daran zweifeln die Analysten. Sharp kommt mit seinem a-Si-Tandem-Ansatz gerade mal auf einen Wirkungsgrad von zehn Prozent. „Das lässt sich nur noch schwer im Markt platzieren“, meint de Haan. Im Bereich der privaten Anwender wird Sharp nach Ansicht von de Haan verstärkt auf den Verkauf von Komplettsystemen mit Energiespeichern setzen. Die dafür verwendeten Module werden aber eher kristalliner Natur sein.
Auch Trony Solar, Kaneka Solar und QS Solar auf den Rankingplätzen vier bis sechs bauen Module, die auf amorphem Silizium basieren und maximale Wirkungsgrade von etwa zehn Prozent erreichen. Das Geschäftsmodell dieser Hersteller gründete vor allem darauf, dass die Siliziumpreise relativ hoch sind und bleiben. Mit dem massiven Preisverfall für Polysilizium ist das Konzept dann aber praktisch gescheitert. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie eine dieser Firmen mit ihrem aktuellen Produkt im Mainstream-Markt überleben will“, sagt dazu Stefan de Haan. „Das geht möglicherweise durch Diversifizierung, indem sie Nischen bedienen. Aber das ist dann ein völlig anderes Geschäftsmodell als das, was sie ursprünglich geplant hatten.“
Nur noch Dünnschicht
Für eine Überraschung sorgte der Hersteller Schott Solar mit einer Ankündigung Ende Juni dieses Jahres. Das Unternehmen wolle sich aus der Produktion kristalliner Module zurückziehen und fortan nur noch Dünnschichtmodule produzieren. Dies kam für viele Experten unerwartet, da Schott mit der verwendeten Single-Junction-a-Si-Technologie gerade mal einen Wirkungsgrad von acht Prozent erreicht. „Sie haben natürlich einen guten Ruf und ihr Produkt ist auch sehr gut, was den tatsächlichen Ertrag in Kilowattstunden angeht“, sagt de Haan. „Das reicht aber nicht aus, um denvorhandenen Wirkungsgradnachteil zu kompensieren.“ Dirk Morbitzer glaubt, dass Schott Solar einen relativ langfristigen Auftragsbestand im Dünnschichtbereich hat und diesen jetzt noch abarbeiten will. „Der plötzliche Ausstieg aus der kristallinen Produktion hat aber sicherlich bei vielen Kunden dazu geführt, die Geschäftsbeziehungen mit Schott insgesamt zu überdenken. Wenn man sieht, dass die kristallinen Kunden plötzlich keine Produkte mehr bekommen, weil der Bereich geschlossen wird, dann stellt sich die Frage, was ein Kunde denkt, der derzeit noch Dünnschichtmodule bezieht.“ Für Morbitzer macht es den Eindruck, als ob sich Schott insgesamt aus dem Solargeschäft zurückziehen will.
Wie sich Solibro, die ehemalige Tochtergesellschaft von Q-Cells, nach dem Verkauf an die chinesische Firma Hanergy behaupten wird, hängt wohl vor allem davon ab, ob Hanergy die nötige Finanzkraft hat, um die Produktion weiter auszubauen und gleichzeitig ausreichend Geld in Forschung und Entwicklung zu investieren. Zumindest setzt Hanergy mit dem Kauf von Solibro nun auch auf die vielversprechende CIGS-Technologie. Stefan de Haan ist der Meinung, dass CIGS das Potenzial hat, den Marktanteil weiter auszubauen und neben der kristallinen Technologie die zweite führende Technik zu werden. Allerdings braucht es dafür neben Solar Frontier noch mehr Firmen, die zeigen, dass die Produktion in großen Volumina möglich ist. „Da ist Solibro natürlich ein Hoffnungsträger.“
Nischenmarkt Spezialanwendung
Eine Möglichkeit, im harten Dünnschichtsegment zu überleben, ohne auf massive Skaleneffekte zu vertrauen, zeigt Global Solar Energy. „Auf Spezialanwendungen wie flexible Module oder Leichtgewichtmodule zu setzen, ist eine Strategie für Firmen, die im Massenmarkt keine Chance haben, wettbewerbsfähig zu werden“, sagt de Haan. Dirk Morbitzer sieht das ähnlich: „Es sind nicht alle Hersteller zur Insolvenz verdammt. Es kommt auf das einzelne Unternehmen an, ob und wie es seine Nische mit einem vernünftigen Geschäftsmodell finden kann.“ Dies gilt auch für die vielen kleineren Produzenten, die es nicht in die Liste der Top-Ten-Hersteller geschafft haben. Dazu gehören zum Beispiel Namen wie Avancis, Mia Solé, Helivolt, Nanosolar und Moser Bear, um nur einige zu nennen. Doch sich jetzt als Dünnschichthersteller nach oben zu kämpfen, ist keine leichte Aufgabe. General Electric hat beispielsweise seine Pläne zum Bau einer 400-Megawatt-Produktionsanlage für Cadmium-Tellurid-Module angesichts der momentanen Marktlage gerade erst wieder auf Eis gelegt.
Weitere Player gesucht
Um sich dauerhaft auf dem Massenmarkt behaupten zu können, muss es den Dünnschichtherstellern gelingen, die Effizienz der Module zu steigern und gleichzeitig die Produktionskosten zu senken. Und das am besten auch noch schneller als die kristalline Konkurrenz. Eine schwierige Aufgabe, die sich wahrscheinlich nicht von heute auf morgen bewältigen lässt. Daher schätzt Morbitzer, dass wahrscheinlich noch ein paar weitere Firmen in die Insolvenz gehen werden, bevor sich der Markt wieder stabilisiert. „Die Jahre 2012 und 2013 werden davon gekennzeichnet sein, dass sich Hersteller durchsetzen werden, die die günstigste Kostenstruktur haben und die es dem Endkunden auch ermöglichen, mit der niedrigsten Kostenstruktur Systeme zu realisieren.“ Auf die Frage, welche Dünnschichttechnologien am Ende überleben werden, sagt de Haan: „Bei Cadmium-Tellurid und CIS/CIGS sehen wir durchaus noch Chancen. Die verschwinden nicht, zumindest nicht kurzfristig. Aber bei den siliziumbasierten Technologien sieht man, dass im Moment eine Firma nach der anderen aufgibt.“ Ob die Dünnschichttechnologie insgesamt überleben wird, hängt derzeit wohl hauptsächlich von den Entscheidungen der beiden Marktführer First Solar und Solar Frontier ab. „Es bräuchte größere Investitionen, gerade auch von anderen Firmen, damit man sich sicher sein kann, dass Dünnschicht wirklich eine Zukunft hat“, sagt Stefan de Haan. „Die anderen Firmen verringern ihre Kapazitäten aber eher oder gehen in die Insolvenz, während die kristalline Welt immer weiter Produktionskapazitäten aufbaut.“ Sollte sich dieser Trend fortsetzen, werden die kristallinen Hersteller den Kostenvorteil der Dünnschichttechnologie wohl bald nicht nur eingeholt, sondern überholt haben.