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Wenn der Kunde sauer ist

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Beschwerden ist für den Unternehmenserfolg ein entscheidender Faktor. Es ist eine Binsenweisheit für Firmen, die auf einem begrenzten Gebiet eine hohe Marktdurchdringung erzielen: Sie können 99-mal klasse agieren. Aber wenn beim 100. Kunden etwas schiefgeht und die Mitarbeiter nicht adäquat und schnell reagieren, spricht sich das ruck, zuck herum und der gute Ruf ist mindestens angekratzt.

Struktur bei Reklamationen hilft

In den vergangenen zehn Jahren hat Energeticum, ein regionaler Anbieter für Photovoltaikanlagen mit Firmensitz 40 Kilometer südwestlich von Augsburg, 2.500 Anlagen zwischen München und Biberach sowie Allgäu und Nördlingen installiert. Hinzu kommen Fremdanlagen, die der Solarteur inzwischen betreut, die aber von anderen Handwerksbetrieben errichtet wurden. Mit jeder Anlage erhöht sich die Chance von Beschwerden. Was tun? Außendienstmitarbeiter regelmäßig im Umgang mit unzufriedenen Kunden schulen und eine Struktur aufbauen, mit der diese Fälle systematisch behandelt werden. Im Falle von Energeticum bedeutet das: Zwei Servicemitarbeiter fangen die unzufriedenen Kunden auf und tragen alle Probleme in die sogenannte KVP-Liste ein. Die Abkürzung steht für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Damit kann Vertriebschef Werner Schneider zunächst typische Problemfälle feststellen, die dann im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses schrittweise abgebaut werden.

So gibt es für Wechselrichter einen Austauschservice, der innerhalb von 48 Stunden dafür sorgt, dass der Solarstrom beim Kunden wieder im vollen Umfang fließen kann. Derartiges Beschwerdemanagement ist ohne Frage ein Kostenfaktor. Aber Sie verkaufen keine Akkuschrauber, sondern sollen bei Endkunden die Energieerzeugung für viele Jahre sichern.

Emotional abholen

Bei aller Standardisierung von Prozessen kommt es allerdings auf die Menschen an. Und die machen eben hin und wieder Fehler. Entscheidend ist, wie Unternehmen mit Fehlern oder Missverständnissen umgehen. Es freut mich, auf Unternehmer zu treffen wie Michael Aigner, Geschäftsführer von Aton Solar, der klarstellt, es sei selbstverständlich, dass jede Beschwerde im Haus des Großhändlers ernst genommen werde.

Es kostet zwar Zeit, jedem einzelnen Fall nachzugehen und festzustellen, wo etwas schiefging. Aber jede Reklamation, die der Laichinger erfolgreich abwickelt, ist indirekt Werbung. Denn Unternehmen, die auch an dieser Stelle verantwortlich handeln, bekommen die Probleme zu 99 Prozent so in den Griff, dass die Kunden zufrieden sind.

Eine derartige Grundhaltung gefällt mir. Meine wichtigste Botschaft lautet deshalb: Es ist wichtig, Kunden emotional abzuholen. Ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht – der Kunde ist zunächst verärgert und möchte gehört werden. Denn neben dem sachlichen Problem ist zusätzlich die Beziehungsebene gestört. Im ersten Moment kann es deshalb für Vertriebsmitarbeiter hilfreich sein, sich psychologisch auf die Seite des Kunden zu schlagen: Wir werden das Problem lösen. Ich spreche mit dem Chef und schaue, was ich für uns rausholen kann.

Oft ist das Problem eben auch nur nach interner Rücksprache zu klären. Sie gewinnen einerseits Zeit, und andererseits verraucht der erste Ärger auf der Gegenseite. Aber nur, wenn jetzt auch zeitnah eine Lösung gefunden wird. Wenn ein Kunde von Aton-Solar auf der Baustelle steht und trotz Zählwaage Teile des Montagesystems fehlen, helfen keine Diskussionen, sondern schnelle Problemlösungen: Ist die Baustelle in der Nähe, fahren Mitarbeiter mit dem fehlenden Teil los, sonst wird es per Express versendet.

Den Kunden beteiligen

Außendienstmitarbeiter, die in der Regel der erste Ansprechpartner für Probleme sind, können normalerweise gar nicht anders reagieren als mit dem Satz: „Ich kümmere mich darum und melde mich wieder bei Ihnen.“ Denn vor Ort haben sie oft tatsächlich nicht alle Vorgänge parat und müssen sich erst die notwendigen Informationen besorgen: Bei Energeticum werden etwa alle Vorgänge bis zu Gesprächsnotizen elektronisch gespeichert. Jetzt können Sie sich auf einer sachlichen Ebene Ihren Kunden wieder nähern.

Dazu kann auch gehören, dass der Fehler in Ihrem Unternehmen liegt. Nichts ist so entwaffnend wie einen Fehler zuzugeben. Denn oft laufen weitere Schuldzuweisungen ins Leere, wenn der Kunde hört: „Da ist uns ein Fehler passiert. Das geht auf unser Konto.“ Ebenso können Sie viel Spannung aus dem Gespräch nehmen, wenn Sie fragen: „Was schlagen Sie vor?“

Damit signalisieren Sie, dass Ihnen an einer gemeinsamen Lösung liegt. Denn langfristig will jedes Unternehmen seine Kunden behalten. Und wenn es schon Ärger gibt, dann sollen sie zumindest weitererzählen, dass ein schneller Kompromiss gefunden wurde.

Inzwischen greifen Installateure tief in die Hauselektrik ein, da kann es schon einmal vorkommen, dass an der Peripherie Schaden angerichtet wird. Tatsächlich hat ein Mitarbeiter von Energeticum im vergangenen Jahr einmal einen Fehler gemacht. Einige Elektrogeräte des Kunden waren in dessen Folge defekt. Der Schaden ist zwar über die Versicherung abgedeckt, doch die lässt sich oft Zeit, ganz abgesehen davon, dass der Kunde sich alle Geräte erst wieder besorgen musste. Die Kosten hat das Unternehmen zunächst unbürokratisch vorgestreckt.

In anderen Fällen kommen die Außendienstmitarbeiter auch mal mit einem Blumenstrauß, einer Flasche Wein oder einem Geschenkkorb vorbei, um die gute Kundenbeziehung wiederherzustellen. Denn: Schon kleine Zugeständnisse können erboste Kunden zufriedenstellen.

Das muss nicht bedeuten, immer nachzugeben. Ein Handwerker beschwerte sich etwa bei Aigner, dass bestimmte Stecker immer wieder verschmoren. Das hätte zwar ein Produktionsfehler sein können, aber während des Gesprächs stellte sich heraus, dass der Belieferte kein Crimpwerkzeug benutzte und die Steckkontakte deshalb nicht richtig verpresst waren. Da war dann für den Großhändler die Grenze, der sonst mit Gutschriften, nachträglichem Sonderpreis oder Expresslieferungen Kunden entgegenzukommen versucht. Allerdings sollten Sie die richtigen Prioritäten setzen: Der Kunde, der am lautesten schreit, muss nicht der Wichtigste sein. Und es gilt immer zu prüfen, ob es sich lohnt, um den infrage stehenden Betrag zu streiten. In manchen Fällen kann die Arbeitszeit sinnvoller genutzt werden, als um kleine Geldbeträge zu zanken. Für eine vernünftige Lösung benötigen Inhaber Fingerspitzengefühl: Jeder Kunde, jede Reklamation, jede Situation ist anders. Ein standardisiertes Verhalten gegenüber schwierigen Kunden gibt es nicht.

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Auf einen Blick

Zehn Tipps zum Umgang mit schwierigen Kunden:

  • Entschuldigung
  • Einen Kunden um Entschuldigung zu bitten ist immer gut. Aber sagen Sie: Ich bitte um Entschuldigung, nicht: Ich entschuldige mich!

  • Erklärung
  • Oft hilft es, einem verärgerten Kunden den größeren Rahmen aufzuzeigen: Warum haben wir uns für folgendes Vorgehen entschieden? Warum können wir ihm preislich nicht entgegenkommen? Welche Überlegungen stecken hinter der Entscheidung?

  • Fehler zugeben
  • Nichts ist so entwaffnend wie einen Fehler zuzugeben und persönlich auf sich zu nehmen.

  • Entschädigung
  • Die Erfahrung zeigt: Selbst sehr erboste Kunden sind mit kleinen Zugeständnissen oft zufrieden.

  • Wiederholungen
  • In schwierigen Kundengesprächen fällt es Gesprächspartnern schwer zuzuhören. Es ist deshalb sinnvoll, den eigenen Standpunkt in unterschiedlichen Worten zu wiederholen.

  • Wir-Gefühl
  • Manchmal hilft es, sich auf die Seite des Kunden zu schlagen: Wir lösen das Problem.

  • Zeitfaktor
  • Manchmal ist es ganz gut, Zeit zu gewinnen und das Gespräch zu versachlichen.

  • Ball zurückspielen
  • Eine starke Frage ist immer: „Was schlagen Sie vor?“

  • Rücksprache
  • Wenn Sie mit Ihrem Latein am Ende sind und das Gespräch festsitzt, bitten Sie Ihren Gesprächspartner um eine Unterbrechung. „Geben Sie mir die Chance, darüber noch einmal nachzudenken. Ist es in Ordnung, wenn ich Sie heute Mittag anrufe?“

  • Prioritäten
  • Sind die Kunden, die am lautesten schreien, auch die wichtigsten? Lohnt es sich, um diesen Betrag zu streiten?

    Der Autor

    Foto: Jürgen Frey

    Jürgen Frey

    ist Marketing- und Vertriebsexperte. Er berät seit zwölf Jahren Unternehmen in ganz Deutschland. Auf die Kompetenz und internationale Erfahrung des 44-jährigen Wirtschaftsingenieurs von der Unternehmensberatung Tempus-Consulting setzen Industrieunternehmen, Handwerksbetriebe und Krankenkassen. Der Vertriebsprofi hat sein Wissen in einem Buch gebündelt: „Mein Freund, der Kunde – Ohne Tricks und Fallen Kunden gewinnen und behalten“.

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