„Wer von euch hat schon etwas über Solarenergie gehört oder gelesen“, fragt Anne Kovach-Hebling vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE bei der Einführung. Niemand rührt sich. „Habt ihr das schon mal in der Schule behandelt?“ Jetzt kommt Leben in den Raum. „Ja, wir haben über Kraftwerke geredet“, sagt eins der Mädchen. „Und über Wasserstoff“, sagt ein anderes. „Den Teil hab ich nicht so ganz kapiert“, sagt ein drittes und lacht.Drei Stunden lang ist die Gruppe junger Freiwilliger bei Europas wichtigstem Forschungszentrum für Solarenergie zu Gast, sogar in ein paar Bereichen, die stark von der Öffentlichkeit abgeschirmt sind. „Ich frage mich, ob die Mädchen überhaupt begreifen, was das für ein Privileg ist“, sagt Conni Schmitz, die Pressesprecherin des ISE, im Flüsterton. Wahrscheinlich nicht – aber der praktische Lehransatz scheint ihnen trotzdem Spaß zu machen. Alle 20 Teilnehmerinnen hatten sich eigens für das ISE angemeldet. Das war kein obligatorischer Schulausflug. Die Mädchen kamen nicht einmal alle von derselben Schule, sondern hatten auf der Website des Girls’ Day ihre Postleitzahl eingegeben und so eine Liste der teilnehmenden Unternehmen und Organisationen abgerufen. Auf dieser Liste entschieden sie sich dann jeweils für das ISE.
Der Girls’ Day wurde 2001 erstmals veranstaltet. Damals nahmen 39 Unternehmen und Organisationen teil. In diesem Jahr waren es ungefähr 9.000 Anbieter, die rund 130.000 Mädchen zu Exkursionen eingeladen hatten. „Aber das sind nur die, die direkt mit uns zusammenarbeiten“, sagt Girls’-Day-Sprecherin Carmen Ruffer vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit in Bielefeld. „Viele Firmen und Organisationen wiederholen ihren Vorjahreserfolg ohne unsere Hilfestellung einfach selbst, weshalb wir schätzen, dass insgesamt wahrscheinlich doppelt so viele Mädchen teilgenommen haben.“
Das ISE selbst ist schon seit einigen Jahren dabei. Die Schülerinnen können sich die Photovoltaikbranche ansehen und lernen Frauen kennen, die sich bereits auf diesem Gebiet etabliert haben. Ziel ist es, sie zumindest zur Erwägung eines der hier vorgestellten Berufe zu ermutigen. „Also, wie viele von euch möchten jetzt Physikerin werden?“, fragt Schmitz die Gruppe am Ende des Besuchs.
Zwar haben Studien gezeigt, dass Frauen die erneuerbaren Energien stärker befürworten und Atomenergie eher ablehnen als Männer, aber das hat bis jetzt noch nicht für die entsprechende Zahl an Forscherinnen im Solarbereich gesorgt. Die am Girls’ Day beteiligten ISE-Frauen haben nicht einmal das Gefühl, dass das ISE hinsichtlich der beschäftigten Frauen unbedingt mit gutem Beispiel vorangeht. „Momentan machen die Frauen nur 24 Prozent des Forschungspersonals aus und schreiben 32 Prozent der aktuellen Dissertationen“, sagt Schmitz.
Verschiedene Stationen
An diesem sonnigen Aprilmorgen wurden die 20 Mädchen in fünf kleinere Gruppen aufgeteilt, die sich mit verschiedenen Forschungsbereichen des ISE beschäftigten: mit Tageslichtnutzung, den Auswirkungen von Sonnenschutzsystemen auf die Module, der Ermittlung von guten und schlechten Zellen mit Hilfe der Photolumineszenz, mit der Reflexion und mit Leistungsmessungen. Auf dem Dach des Instituts zeigt die Forscherin Daniela Dirnberger vier Schülerinnen, wie man die von einem Solarmodul abgegebene Leistung misst.
Unten im Gebäude erklärt eine andere Wissenschaftlerin anhand von Alltagsbeispielen, wie Licht reflektiert wird.
Helen Rose Wilson, die vor 20 Jahren aus Australien nach Freiburg kam, fragt ihre kleine Gruppe, ob schon einmal jemand bemerkt hat, wie Raumlicht nachts von einem Fenster reflektiert wird. „Manchmal wird eine Lichtquelle scheinbar doppelt reflektiert – warum?“ Eines der Mädchen antwortet richtig: „Weil sie sowohl von der Innen- als auch von der Außenoberfläche des Fensterglases reflektiert wird?“ Wilsons Gruppe hat gerade verschiedene Fensterarten gemessen, die unterschiedliche Lichtmengen in ein Zimmer eintreten lassen. Ihre Gruppe muss sich vorstellen, was ein Nanometer ist und was Wellenlängen sind. „In welcher Reihenfolge sind die Regenbogenfarben angeordnet?“, fragt sie und erklärt dazu: „Jede Farbe hat eine andere Wellenlänge, und wir können unser Fenster so konstruieren, dass es bestimmte Teile dieses Spektrums herausfiltert.“ Die am ISE vorgestellten Konzepte sind manchmal ziemlich abstrakt, aber die praktische Erfahrung gibt den Mädchen auch Bezugspunkte. Obwohl es heute sonnig ist, lasse eines der Sonnenschutzfenster „die Welt draußen wolkig und grau erscheinen“, meint eine Schülerin.
Wieder eine andere Gruppe wird vor dem Betreten des Reinraums des Photovoltaik Technologie Evaluationscenters (PV-TEC) mit weißen Kitteln, Schutzbrillen und Haarnetzen ausgestattet. Neben dem Eingang weist ein Schild darauf hin, dass das Fotografieren hier verboten ist. Das PV-TEC birgt so manches hochsensible Betriebsgeheimnis des ISE. In diesem Labor werden Produktionsanlagen für den Einsatz in kommerziellen Fertigungsstraßen getestet. Fernsehteams dürfen hier beispielsweise nicht filmen. Stattdessen stellt ihnen das ISE eine DVD mit qualitativ hochwertigem Material aus eigenem Hause zur Verfügung. „Achten Sie darauf, dass Sie nur Fotos von den Mädchen machen“, sagt Schmitz noch beim Hineingehen.
Welt der Wissenschaftler
Die nächste halbe Stunde erleben die Mädchen, wie es ist, wenn man als echter Wissenschaftler hinter einer Glaswand mit integrierten Handschuhen an hochentwickelten Technologien arbeitet. Ein ISE-Mitarbeiter erklärt, wie die Wafer auf einem Fließband in den Hochofen wandern, wozu man die Wärme braucht, wie geätzt wird, welche Chemikalien man verwendet und wie die Elektrizität durch das fertige Produkt fließt. Alles ganz schön tiefschürfend für diese Altersgruppe, aber am Girls’ Day geht es nicht darum, wie viel die Mädchen lernen, sondern dass sie alle mehr Lust darauf bekommen, von sich aus weiterzulernen.
Wird also nun eines der Mädchen Solarphysikerin? Die meisten von ihnen wissen zwar, was sie nicht werden möchten, scheinen sich aber noch nicht so sicher zu sein, was sie später von Beruf machen wollen. Als die PV-TEC-Gruppe den Reinraum schließlich verlässt und ihre Schutzkleidung ablegt, bleibt eines der Mädchen allerdings im Raum und spricht mit einem Wissenschaftler, der nicht an der Führung beteiligt war. Er zeigt ihr eine neue Solarzelle – sicherlich eine, von der man keine Fotos machen darf. „Die haben wir vermurkst“, sagt er. „Aber warum sind die Linien da anders?“, fragt sie. „Diese Zelle hat ihre Kontakte auf der Rückseite“, antwortet der Wissenschaftler, dreht die Zelle um und zeigt ihr die silbernen Linien auf der anderen Seite. Die beiden unterhalten sich noch eine Weile weiter, während der Rest der Gruppe schon zum Mittagessen geht. Vielleicht hat der Girls’ Day ja schon eine neue Solarwissenschaftlerin ans Licht gebracht.PV-Stellenmarkt