Wer Dünnschicht hört, denkt wahrscheinlich an leichte Module für Hallendächer und elegante Fassadenlösungen. Wenn es nach den Vorstellungen der Dünnschichthersteller selbst geht, soll sich dieses Bild schnellstmöglich ändern. Sie wollen die weltweit steigende Nachfrage nach Solarmodulen nutzen, um große Marktanteile zu erobern. „Der Absatz wird von 1,8 Gigawatt im Jahr 2009 auf drei Gigawatt 2010 steigen,“ sagt Henning Wicht, Analyst beim Beratungs- und Marktforschungsinstitut iSuppli. Wicht stützt sich auf hauseigene Hochrechnungen auf der Basis des ersten Quartals 2010.
Ein Viertel des Marktes
„Wir gehen davon aus, dass in diesem Jahr schon ein Viertel des Marktes auf die Dünnschicht entfallen wird und dass dieser Anteil in den nächsten Jahren auf 30 Prozent, vielleicht auch etwas mehr, ansteigen wird,“ bestätigt Jochen Schönfelder von der Strategieberatung Roland Berger die Größenordnung. Die meisten der großen Firmen im Dünnschichtbereich nutzen dieses Jahr, um den Ausbau der Produktionskapazitäten massiv voranzutreiben. Dabei geht es nicht nur darum, den realen Bedarf an Modulen aus amorphem Silizium, Tandemmodulen oder CIS zu decken, sondern auch um den Versuch, sich schnell in eine günstige Position für die Zukunft zu bringen.
„Wir sehen einen Verdrängungswettbewerb“, sagt Schönfelder. Dabei ist laut Dirk Morbitzer, Geschäftsführer des Markforschungsunternehmens Renewable Analytics, die Wirtschaftlichkeit der Module die entscheidende Größe, nicht der Modultyp: „Dem Endkunden ist es egal, welche Technologie eingesetzt wird. Wichtig ist, dass sie zuverlässig ist und langfristig die entsprechenden Erträge erwirtschaftet.“ Typische Dünnschichtbereiche wie große Hallendächer mit Gewichtsbeschränkungen bieten sich zwar für besonders leichte Dünnschichtmodule an, entscheidend für den Erfolg der einzelnen Hersteller und für das Wachstum der Dünnschichtbranche aber wird der Schritt in den Massenmarkt mit der ganzen Bandbreite von Anwendungen sein.
First Solar vorne
Das zeigt sich beispielhaft an der Entwicklung des Branchenprimus First Solar. Der amerikanische Hersteller von Cadmiumtellurid-Modulen führte im ersten Quartal 2010 nicht nur mit einem Anteil von über 50 Prozent den Dünnschichtmarkt an, er ist im Jahr 2009 mit einer Produktion von über einem Gigawatt zum größten Modulhersteller der Welt geworden und hat sogar die etablierten Hersteller von Siliziummodulen überflügelt. Aus der Sicht von Henning Wicht tragen mehrere Aspekte zum Erfolg von First Solar bei. Da sind beispielsweise die operativ niedrigen Produktionskosten. Der Produktionsprozess selbst ist relativ günstig, und First Solar hat ihn sehr gut im Griff. Die Feineinstellung der Prozesse als Grundlage für ein gleichbleibend hochwertiges Produkt ist für alle Hersteller eine Herausforderung und der Flaschenhals für den Beginn der Produktion. Wesentlich zum Erfolg von First Solar trägt auch die sehr hohe Auslastung der Produktion bei. Dass der Markanteil von First Solar gegenüber dem Vorjahr um etwa zehn Prozent geschrumpft ist, ist laut Wicht kein schlechtes Zeichen. „Die Strategie von First Solar ist es, moderat zu wachsen. Nur wenn sie ihre hohe Auslastung halten, können sie ihren Kunden ein günstiges Modul anbieten.“ Ausgebaut wird, wenn die Nachfrage sicher scheint. Ein neues großes Werk in Frankfurt (Oder) wurde bereits angekündigt. „Damit wollen sie 2012 bei rund 1.800 Megawatt sein“, sagt Wicht. Ein weiteres in Frankreich soll ein Jahr später noch ungefähr 100 Megawatt bringen.
Effizienzen steigern
Der Vorsprung von First Solar ist nach Ansicht von Dirk Morbitzer aber nicht in Stein gemeißelt. Er glaubt, dass andere Firmen vor allem über eine höhere Moduleffizienz Marktanteile gewinnen können. „Die Frage ist, wie weit First Solar die Leistung der Module noch steigern kann.“ Der durchschnittliche Wirkungsgrad von First-Solar-Modulen liegt zurzeit bei elf Prozent.
CIS-Module haben diesen Wert ebenfalls schon erreicht und versprechen Wirkungsgrade von mittelfristig 15 bis 16, langfristig bis zu 20 Prozent. Damit ist die Aufholjagd absehbar. Unter den Top-Ten-Spielern 2009 waren nur drei CIS-Hersteller: Solar Frontier aus Japan, die US-amerikanische Firma Global Solar Energy und Solibro, Tochter von Q-Cells. Insgesamt beläuft sich der Marktanteil aller CIS-Hersteller auf neun Prozent.
„Bei CIS ist die Situation nicht sehr transparent“, sagt Wicht. Ob dieser Markt weiter wachsen wird, hängt entscheidend davon ab, wie viel Kapital die Firmen brauchen, um die nächstgrößere Fabrikstufe mit 100 Megawatt zu bauen und dadurch die Kosten für die Module zu senken. Dann müssen sie ihren Absatzmarkt vergrößern. „Wenn die CIS-Anbieter nur in die Indach- und Fassadenlösungen gehen, werden sie die 100 Megawatt nicht absetzen können“, sagt Wicht. Sie müssen neue Vertriebsstrukturen aufbauen, um sich gegen First Solar und die Hersteller kristalliner Module durchsetzen zu können. Bei Herstellungskosten, die laut Wicht zwischen ein und zwei Dollar pro Watt liegen, könnte das schwierig werden.
Trotzdem sieht er in einem CIS-Hersteller den interessantesten Kandidaten für die nächste Zeit: Solar Frontier. „Sie haben große Pläne für die Zukunft“, sagt Wicht. Im Hintergrund steht die finanzkräftige Mutterfirma Showa Shell. Sie ist der Garant für eine Milliarde Dollar, mit der Solar Frontier in Japan sein neues 900 Megawatt starkes Werk baut. Geplanter Produktionsstart: 2011. „Ob das tatsächlich kommt, wissen wir nicht“, sagt Wicht. „Aber im letzten Jahr haben sie mit knappen 50 Megawatt schon ordentlich produziert.“
Überrascht zeigten sich die Analysten von der Entwicklung bei Uni-Solar, einer Tochterfirma von Energy Conversion Devices. Uni-Solar stellt leichte Dünnschichtfolien her, für Dächer, die nur geringen Belastungen standhalten. „Das Produkt ist interessant“, sagt Wicht. „Aber im ersten Quartal haben sie mit zehn Megawatt nur relativ wenig produziert.“ Das Unternehmen musste im ersten Quartal mehrere hundert Millionen Dollar Werte berichtigen. „Das hat ihnen wehgetan“, sagt der Analyst. „Aber ich denke, dass die schnell wieder hochkommen werden.“ Morbitzer hingegen hat Zweifel: „Das ist ein absoluter Nischenmarkt.“ Außerdem habe Energy Conversion Devices „ein ganz heftiges Kostenproblem“, sagt der Analyst. „Wenn sie das nicht lösen, werden sie in der Nische bleiben.“
Im ersten Quartal 2010 ist daher Sharp von Platz drei auf den zweiten Platz aufgerückt. „Sharp ist einer der Nachfolger von First Solar“, glaubt Henning Wicht. Sharp hat die Effizienz seiner Tandemmodule verbessert und die Kosten durch Skaleneffekte gesenkt. „Das ist genau der Ansatz, den alle anderen auch verfolgen müssen“, glaubt Morbitzer. Sharp verfügt über die entscheidenden Vertriebskanäle, um den Produktionszuwachs schnell verkaufen zu können: „Aufgrund ihrer langen Marktzugehörigkeit haben sie das Netzwerk, um diese Module bei Investoren gut anbieten zu können“, sagt Wicht.
China schwach vertreten
Trotz hoher Produktionszahlen ist bei Trony Solar Skepis angesagt, dem einzigen chinesischen Hersteller in den Top Ten. „Wenn es dort nicht gelingt, die Preise dramatisch zu senken und die Effizienzen sehr deutlich zu steigern, wird es dünn werden“, sagt Morbitzer. Die Schwierigkeit sind hier die Systemkosten. Bei einem Wirkungsgrad von geringen 6,5 Prozent heben sie den Preisvorteil der günstigen Module wieder auf. „Damit kämpfen alle Hersteller von Modulen aus amorphem Silizium gewaltig“, sagt Morbitzer.
US-amerikanische und japanische Hersteller sind zurzeit die wichtigsten Dünnschichtproduzenten am Markt. Im Gegensatz zu den chinesischen haben die japanischen Hersteller schon früh auf das Thema gesetzt und durch individuell entwickelte Produktionsweisen einen Technologievorsprung erzielt. Dazu kommt jetzt der Skaleneffekt. „Die neuen Anbieter werden noch eine Weile hinterherlaufen und überlegen, wie sie diese Effizienzen und Produktionskosten erreichen“, sagt Schönfelder.
Und wie steht es mit den deutschen Herstellern? 2009 war Solibro mit 15 Megawatt Produktion der einzige deutsche Spieler in den Top Ten. Im ersten Quartal ist die Tocherfirma von Q-Cells wieder in die hinteren Ränge gewandert. „Einige deutsche Hersteller hatten sich einmal entschieden, in die Dünnschichttechnologie zu investieren, haben das aber im letzten Jahr teilweise gebremst oder ihre Kapazitäten nicht ausgebaut“, sagt Schönfelder. „Viele Unternehmen konzentrieren sich nach unserer Einschätzung auf die kristalline Technologie.“ Die Änderung der Einspeisevergütung hat auf diese Entwicklung keinen Einfluss. „Andere Firmen expandieren einfach sehr viel aggressiver“, sagt Wicht. Sie drängen auf den Massenmarkt für große Dach- und Freiflächenanlagen. Das ist die richtige Entscheidung, denn Großprojekte werden der Markt der Zukunft sein. „Das Modulgeschäft ist ein Volumengeschäft, hier liegen die eigentlichen Kostenvorteile“, sagt Wicht. Dabei bleiben Deutschland und die anderen europäischen Länder erst einmal die wichtigsten Abnehmer. In diesem Jahr soll aber endlich auch das lang erwartete starke Wachstum in den USA beginnen, und Indien ist auch im Kommen. Ideale Bedingung also für das Wachstum der Dünnschichthersteller.Großanlagen sind nach Meinung der Analysten der wichtigste Absatzmarkt der Zukunft.