Es ist der erste Morgen auf der Intersolar. Für 9.30 Uhr sind die neuen Messereporter zu einem Treffen eingeladen. Wir wollen sie am Stand von photovoltaikund pv magazinebegrüßen und ein wenig kennen lernen. Die englischsprachigen Journalisten für das pv magazinesind alle da. Ich betreue die deutschsprachigen Journalisten und habe nicht so viel Glück. Nur eine Messereporterin ist gekommen – statt der angekündigten vier. Das fängt ja gut an, denke ich und zweifle an dem Erfolg der Aktion. Doch im Laufe des Tages werde ich optimistischer. Die drei Vermissten sind im Messestau stecken geblieben, erfahre ich. Ich lerne sie alle im Verlauf der nächsten Stunden kennen und bin von der Ernsthaftigkeit, mit der sie ihren neuen Job aufnehmen, beeindruckt. Das hatte ich so nicht erwartet. Mit den Augen von Solarteuren, Architekten, Planern und Verkäufern kommentieren und fotografieren sie alles, was sie während der drei Tage sehen und erleben: Produktneuheiten, Branchennews, Stände, Highlights, Flops und Ärgernisse. Ständig erscheinen unter der Rubrik Messereporter auf der Website neue Blogeinträge. Noch in den letzten Stunden der Messe formulieren sie ihre Eindrücke und das in Interviews Erfahrene.
Ulrike Böhm ist Architektin und Energieberaterin. Die Diplom-Ingenieurin hat ein großes Interesse an Photovoltaik sowie an den Bereichen erneuer bare Energien und Energieeffizienz, weil sie so ihrer Verantwortung für kommende Generationen gerecht werden will. Böhm arbeitet für die österreichische Firma Enelution. Sie wollte vor allem Messereporter sein, um dadurch einen intensiveren Zugang zu den Firmen zu bekommen: „Sie sind dann bemühter und hilfsbereiter.“ Auf der Intersolar ist sie das erste Mal.
Janet Cacciatore arbeitet seit mehr als vier Jahren als Strategieberaterin bei der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner im Bereich Elektro und Energie. Sie wirkte bei zahlreichen Projekten mit, unter anderem zur Weiterentwicklung von Strategie, Organisation und Prozessen, darunter auch für Hersteller und Projektentwickler aus der Solarindustrie. Es ist ihre dritte Intersolar. „Ich bin offen und schreibe gern“, erzählt sie über ihre Motivation. „Leider fehlt mir dazu oft die Zeit.“ Als Messereporterin zu arbeiten, findet sie spannend, weil sie die Dinge so aus einer anderen Perspektive sieht.
Ingo Dedermann ist Dachdeckermeister und Energieberater im Handwerk. Ihm gehört die Firma Barczewski GmbH in Bielefeld mit derzeit 15 Mitarbeitern. Etwa 30 Prozent des Umsatzes werden im Solarbereich generiert. Dedermann interessiert sich vor allem für die energetische Sanierung von Dächern und Fassaden, für Dünnschichtphotovoltaik und für Speziallösungen, die nicht von allen Handwerkern angeboten werden.
Jürgen Kübler arbeitet hauptberuflich in der Photovoltaikbranche. Seit 2003 ist er Vertriebspartner der Solarconsult AG in Freiberg am Neckar. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf Photovoltaikanlagen für Einfamilienhäuser. Kübler gehört zudem dem Vorstand der Energen Süd eG an und ist Mitglied des BUND-Arbeitskreises Energie Baden-Württemberg und des Bundes der Energieverbraucher.
Sonniger Anpfiff
Es ist kaum zu glauben, wie schnell sich die Intersolar in Deutschland zu einer weltweit anerkannt führenden Branchenmesse entwickelt hat. Das gigantische Wachstum der Ausstelleranzahl, -fläche und Besucherzahl über die letzten drei Jahre am Standort München werden auch die letzten Zweifler umstimmen – die Solarbranche ist ernst zu nehmen. Ähnlich wie zur WM 2006 präsentiert sich Deutschland pünktlich zum Start der Intersolar Europe 2010 auch für das internationale Publikum von seiner sonnigsten Seite und wird seiner bisher weltweit führenden Rolle als photovoltaikstärkster Markt (53 Prozent im Jahr 2009) doppelt gerecht. Die ausgestellten Carport-Lösungen auf dem Messefreigelände präsentieren sich dabei im besten Licht.
Präsenz ist auch das Stichwort und wird zunehmend das A und O in der Photovoltaikindustrie. Nicht nur das „Ob“, sondern das „Wie“ zählt, um in der Vielzahl an ausstellenden Unternehmen überhaupt nachhaltig wahrgenommen zu werden. Es bleibt also spannend, wer sich hier in den nächsten drei Tagen am einprägsamsten „in die Köpfe der Besucher brennen wird“.
Dünnschicht vorne
Kaum im Eingang Ost angekommen, findet man eine Menschentraube vor dem Inventux-Stand. Inventux, eine deutsche Firma, stellt Dünnschichtmodule her. Sie werben mit Osten, Herbst und Norden. Alles neue Nutzungsmöglichkeiten. Hier kann man sehen, was Forschungsgelder bewirken. Ganz klar scheint auch: Egal, wie die Solarförderung gekürzt wird – der Markt lebt. Ein paar Stände weiter bei AUO Solar kann man dann sehen, welche Blüten die Standplanung vorbringen kann. Ein hübsches Mädel schwitzt sich kaputt in einem karnevalstauglichen Kostüm, welches die Sonne darstellen soll. Das Einzige, was sonnig sein muss, ist dabei aber wohl das Gemüt der jungen Frau.
Leicht und ohne Durchdringung
Foliendächer sind nach wie vor ein heißes Thema für Investoren und Installateure. Da die Dachdurchdringung und die Beschwerung tabu sind, bleiben viele Dächer ohne Solarstromanlagen. Tragfähige Lösungen sind nach wie vor noch nicht Standard. Der Anbieter „Intersol Montage“ hat nun auf der Intersolar ein Montagesystem vorgestellt, welches ohne Durchdringung der Dachhaut und größeren zusätzlichen Ballast auskommt. Die Neigung darf aber zwei bis drei Grad nicht übersteigen. Auf den ersten Blick macht dieses Montagesystem den Ein druck, dass es auch starken Stürmen und dem Angriff starker Winde standhält. Ob jedoch die DIN 1055 letztlich eingehalten wird, ist für mich noch nicht eindeutig erkennbar. Diese Norm gilt nicht nur für das Produkt selbst, sondern für die installierte Anlage auf dem Dach. Die Möglichkeit, je nach statischen Gegebenheiten geringere Auflasten einzubringen, macht eine solche Installation jedenfalls plausibler als die pure aerodynamische Lösung. Eine solche gibt es ja bereits. In der Praxis haben diese Konzepte den Nachteil, dass dann die Haftung beim Planer und Installateur der Anlage bleibt. Mir ist ein Fall bekannt, wo der Sturm im Frühjahr 800 Module vom Dach gefegt hat. Nicht alles was den Test im Windkanal besteht, hält auch in der Praxis. Nach Angaben des Herstellers hat zumindest das Fraunhofer-Institut die positiven Ergebnisse des Windkanaltests bestätigt. Man darf gespannt sein, welche Erfahrungen gesammelt werden. Noch gibt es nur wenige installierte Systeme dieser Art. Das könnte sich aber rasch ändern, wenn es sich bewährt.
Daten zwischen Büro und Bau
Für die tägliche Praxis bietet das Datenkommunikationssystem von „Laser Ident“ eine tragbare Lösung. Wer kennt das nicht: Der Monteur steht auf dem Dach und stellt fest, dass Teile fehlen, falsche Dachhaken geliefert wurden oder Liefertermine nicht eingehalten wurden. Nun geht das Kommunikationschaos zwischen Monteur, Lagerverwaltung, Auftragsabteilung und Transportunternehmen los. Wertvolle Zeit geht verloren, die Kosten steigen, und die Nerven werden belastet. Mit dem mobilen Datengerät von „Laser Ident“ ist es möglich, von den Stammdaten des Kunden bis zur Identifizierung einzelner Anlagenteile mittels Barcode sowohl mit der Auftragsabteilung als auch mit der Materialverwaltung in direkten Datenaustausch zu gehen. Auch das Qualitätsmanagement, das Inbetriebnahmeprotokoll, der Ersatzteilservice und anderes lässt sich hier managen.
Energieautarke Vision
Im Zusammenhang mit der Speicherung von photovoltaisch erzeugtem Strom erscheint mir die hier auf der Messe präsentierte Vision von Fronius sehr interessant. Es geht um ein Gesamtsystem regenerativer Energieerzeugung (zum Beispiel durch eine Photovoltaikanlage) und -Speicherung. Ein bereits TÜV-zertifiziertes Brennstoffzellensystem erzeugt mit Hilfe von Wasserstoff Strom, der bei Bedarf abrufbar ist. In der Vollversion kommt eine Elektrolysefunktion hinzu: der Wechselrichter der Photovoltaikanlage wandelt den Gleichstrom, der von den Modulen kommt, in Wechselstrom um. Der wird entweder an den Verbraucher weitergeleitet, oder es wird über die Fronius-Energiezelle Wasser in Sauer- und Wasserstoff zerlegt (Elektrolyse). Der Wasserstoff kann gespeichert und bei Bedarf wieder verwendet werden, ein effizienter und dazu sauberer Energiekreislauf.
Das macht Hoffnung
Bei dem Bummel durch die Hallen fällt auf, dass es inzwischen viele Dünnschichtanbieter gibt. Viele produzieren auf den gleichen Maschinen. Schade eigentlich – verbaut es doch augenschein lich die Weiterentwicklung der Anwendung und den Ideenreichtum der Ingenieure, da im Prinzip alle Module irgendwie gleich aussehen. Leuchtendes Gegenbeispiel sind Schüco und Würth Solar. Bei Schüco kann man anschaulich erleben was mit den Dünnschichtelementen alles angestellt werden kann. Kaltfassade, Beschattungselemente in senkrechten Türen und Fenstern, Schrägfassade, Flachdachsystem für Ost-West-Ausrichtung, Freilandsysteme und ein großzügiger Stand und kundiges Personal. Sonne – was willst du mehr? Auch Würth Solar ist auf einem guten Weg. Der Dünnschichthersteller mit CIS-Elementen hat ebenfalls Fassadenelemente, rahmenlose Module für Indachanlagen (richtig schick) und kann auch alles farbig (!) herstellen! Da braucht man keine ernsthafte Angst um unsere Technologieführerschaft zu haben. Wir können vieles einfach besser, schöner und wertiger als der asiatische Wettbewerb.
Die Farben der Intersolar
Ein visueller Eindruck der Intersolar 2010 sind die professionelleren Messestände, insbesondere bei den asiatischen Anbietern. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren präsentieren sich zumindest die größeren ausländischen Unternehmen weniger bunt, aber doch noch bunter als die überwiegend in Weiß gehaltenen Messestände der deutschen Aussteller. Auffällig ist einer der größten Messestände, der österreichische Wechselrichterhersteller Fronius, der seinen Messestand mit einer unübersehbaren roten Wand vom Wettbewerber SMA abgrenzt.
Auch Solon fällt mit seinem zwar weißen, aber doch sehr futuristischen und offenen Messestand im Gegensatz zu den eher konventionellen Standkonzepten auf.
Mit Solarstrom heizen!?
Eine interessante Lösung zum Heizen mit Solastrom bietet das Unternehmen Alphasol am Stand der Neuerungen. Für Hausbesitzer, die nach einer Alternative zu ihrer bisherigen Heizung suchen. Der Sonnenstrom wird zunächst mittels Steuerregler in einen Akku eingespeist. Dieser liefert den Gleichstrom in die Heizungselemente im Fußboden. Bis zu 40 bis 50 Prozent Eigenverbrauchsquote können so erreicht werden. Der überschüssige Stromertrag wird wie üblich über die Wechselrichter ins Netz eingespeist. Mit diesem Konzept hätte der Eigenverbrauch eine echte Chance. Insbesondere für Hausbesitzer die aufgrund der bisher installierten Heiztechnik (Nachtspeicherheizung) nur sehr schwer wirtschaftliche Lösungen zur Wärmeerzeugung realisieren können. Es bedarf jedoch noch weiterer technischer Lösungen und Verbesserungen in den gesetzlichen Regelungen für den Eigenverbrauch.
Versuch und Irrtum
Ich hab mir heute bei einem Wechselrichter mal ein paar Dinge erklären lassen und stellte erschrocken fest, dass ich fast nichts richtig weiß. Da geht es mir als Dachdecker in diesem Elektrobereich wahrscheinlich ähnlich wie den Elektrikern bei der Arbeit auf dem Dach. Die Frage ist nur, was daraus gelernt wird? Wird das erforderliche Grundwissen, daszur ordnungsgemäßen Anlagen-Erstellung erforderlich ist, weiterhin per Versuch und Irrtum erlernt oder finden sich bald anerkannte Ausbildungsinhalte in den entsprechenden Berufen, um zumindest Grundlagenwissen (nachträglich?) zu erlernen?
„Solar Talents“
Dass es in der Solarbranche leider zu wenig photovoltaikerfahrene Fachkräfte gibt und daher stets händeringend Personal gesucht wird, wurde bei einigen Unternehmen als Wachstumsschwelle geäußert. „Das Job- und Karriereforum auf der Intersolar Europe 2010 wurde in diesem Jahr wesentlich besser als in den vorherigen Jahren genutzt“, so der Veranstalter. Insgesamt gab es einen regen Austausch zwischen Arbeitgebern und Interessierten, die zahlreich vorzufindenden Druckmöglichkeiten aktueller Stellenangebote wurden von Jobinteressierten intensiv genutzt, und Gespräche fanden teilweise sofort im Anschluss statt. Schneller, unkomplizierter und günstiger ist der Recruiting-Prozess wohl nicht zu gestalten. Auch zahlreiche Anfragen zu Partnerschaften (in diesem Jahr waren es übrigens SMA und Kostal) für das nächste Jahr wurden schon geäußert, so dass hier zukünftig noch mehr zu erwarten ist. Klingt ganz nach einer „Solar Talents“.
Für mehr Transparenz
Ich möchte gerne einen Appell weitergeben, der mir aus den Reihen der Modulhersteller zu Ohren kam. Herr Peter Doll von der Firma „Sun Peak“ wünscht sich auch von Mitbewerbern in der Photovoltaik mehr Bereitschaft zu Transparenz und Offenheit. So, wie für jedes Lebensmittel die Inhaltsstoffe deklariert werden müssen, um dem Verbraucher die Möglichkeit der Wahl einzuräumen, sollte es selbstverständlich werden, die Herkunft der verschiedenen Modulkomponenten und deren Hersteller offenzulegen. Tatsächlich gibt es zurzeit nur zwei Hersteller, die dem Endkunden gegenüber diese Transparenz entgegenbringen.
Ich war früh dabei
In den Tiefen der Ausstellungshallen habe ich heute noch ein paar interessante Dinge gefunden. Da bietet eine Firma aus der Schweiz kleine Solarpanels auf Dachziegeln an. Die Ziegel werden in der Schweiz hergestellt, die Module in China. Zusätzlich wird die Fläche thermisch genutzt. Leider waren auf dem Stand keine zuverlässigen Angaben zu Ertragswerten oder Garantien zu erhalten. Auch wie die Nachlieferfähigkeit gesichert ist, konnte man mir nicht sagen. Schade eigentlich. Die Idee finde ich wirklich gut. Auch den verloren geglaubten Luftkollektor habe ich wiedergefunden. Warum das nicht mehr angeboten und genutzt wird, für Ferienhäuser, Almhütten, Gartenlauben kann ich nicht verstehen. Neben einigen deutschen Herstellern habe ich dann auch noch auswärtige CIS-Hersteller gefunden. Heute sind aus meiner Sicht viel mehr Privatleute unterwegs, Menschen, die sich mit der Errichtung einer Anlage beschäftigen. Wie die wohl mit der Menge der Informationen klarkommen? Als Gesamteindruck stelle ich für mich fest, dass wir alle Pioniere sind. Man merkt, dass die Industrie auf die Märkte, also auf Wünsche aus der Bevölkerung, reagiert. Alle, die sich heute für erneuerbare Energien entscheiden, können ihren Kindern und Enkeln sagen: Ich war früh dabei und habe meinen Beitrag zur Co2-Reduktion geleistet.