Negative Strompreise sind kein neues Phänomen. Allerdings resultieren sie vor allem aus der Tatsache, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien schneller geht als das zaghafte Zurückfahren der Kohlekraft – mit entsprechenden Folgen für die Betreiber.
Mit der Energiewende könnten auch die negativen Strompreise an der Börse verschwinden, obwohl dieses Phänomen zunächst einmal zunimmt. Denn die Energiewende ist mehr als nur der Ausbau von Erzeugungsleistung, sondern der Übergang zu einem komplett erneuerbaren Stromsystem zusammen mit der Kopplung des Wärme- und Verkehrssektors.
Wissenschaftler des RWI Leibnitz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen haben die Entwicklung der negativen Preise an der Strombörse in den vergangenen Jahren untersucht und die nach Ursachen gesucht. Dabei sind sie auf die Tatsache gestoßen, dass die Häufigkeit und die Höhe der negativen Strompreise zwar mit steigendem Anteil an Ökostrom im Netz zunehmen, teilweise bis auf Summen von 200 Euro pro Megawattstunde. Allerdings steigen die negativen Strompreise vor allem deshalb, weil parallel dazu noch zu viel konventioneller Strom, unter anderem immer noch zu viel Atomstrom ins Netz eingespeist wird.
Folgen für das Funktionieren des Strommarkts
Die Essener Forscher haben den Zeitraum zwischen 2009 und 2013 untersucht, wobei im Mittelpunkt die Frage stand, inwieweit die zunehmende Stromerzeugung aus erneuerbare Quellen und die geringere Menge an Atomstrom sich auf die negativen Strompreise auswirken. „So genannte 'negative Preisspitzen' haben weitreichende Folgen für das Funktionieren des Strommarkts, weil sie beispielsweise die Profitabilität von Grundlastkraftwerken stark beeinträchtigen können“, betonen die Forscher. „Obwohl es an der Strombörse European Power Exchange (EPEX) in den vergangenen Jahren vermehrt zu sehr niedrigen und sogar negativen Preisen kam, gibt es bislang nur wenige Analysen, die die Häufigkeit ihres künftigen Auftretens und die Konsequenzen für konventionelle Kraftwerke untersuchen.
Verschiedene Szenarien ausgetestet
In ihren Simulationen der Großhandelspreise haben die Wissenschaftler unterschiedliche Szenarien eines Ausbaus des Anteils der erneuerbaren Energien am Strommix gefahren. Dabei lagen die Anteil des Ökostroms bei jeweils 35, 50, 65 oder 80 Prozent. Das Ergebnis dieser Simulation lege nahe, dass ambitionierte Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien die Häufigkeit des Auftretens von negativen Preisspitzen weiter erhöhen, fassen die Forscher ihre Resultate zusammen. Damit wird auch die Rentabilität von modernen konventionellen Kraftwerken immer stärker in Frage gestellt. So würde bei einem Anteil von 80 Prozent Ökostrom im Netz die unprofitablen Handelsstunden zwischen 20 Uhr und 8 Uhr für moderne Braunkohlekraftwerke von 8 auf 47 Prozent und für moderne Steinkohlekraftwerke von 39 auf 77 Prozent steigen. Konkret bedeutet das, dass die Kohlekraftwerke in der Hälfte bis drei Viertel der Zeiten, in denen sie ihre einzige Stärke ausspielen können, die der Grundlastfähigkeit, völlig unrentabel sind. Tagsüber, wenn ohnehin viel Sonnenstrom ins Netz fließt, sind sie es schon lange.
Atomausstieg mildert die Probleme – löst sie aber nicht
Die Forscher haben dem Ausbau der erneuerbare Energien den Ausstieg aus der Kernenergie gegenüber gestellt. Wenn am Ende, so wie es geplant ist, kein Atomstrom mehr ins deutsche Netz fließt, würden die unrentablen Nachtperioden für Braunkohlekraftwerke auf immerhin nur noch 20 und für Steinkohlekraftwerke auf 43 Prozent begrenzen. Über den gesamten Tag hinweg würden Speicher die unrentablen Zeiten für Kohlekraftwerke weiter verringern. Denn dann würde vor allem tagsüber der überschüssige Ökostrom in die Speicher fließen und nachts ins Netz eingespeist. Dann würde allerdings der Anteil der unprofitablen Nachtstunden wieder leicht von 20 auf 25 Prozent für Braunkohlekraftwerke und von 43 auf 48 Prozent für Steinkohlekraftwerke ansteigen.
Konventionelle zurückfahren
Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Bundesregierung zwar mit der Verlangsamung des Ausbaus der erneuerbaren Energien den Betreibern von Kohlekraftwerken einen Bärendienst erweisen. Doch wenn das Zurückfahren der konventionellen Kraftwerkskapazitäten nicht mit dem Zubau von Solarstrom- und Windkraftleistung schritt hält, wird man nicht um negative Strompreise herum kommen. Da die Ökostromanlagen weitgehend ohne Grenzkosten arbeiten, ist das zwar auch für diese kritisch, wenn sie in Zeiten der negativen Strompreise keine Einspeisevergütung mehr bekommen. Doch die konventionellen Kraftwerke müssen zusätzlich noch in Brennstoffe investieren, nur damit sie nicht abgeschaltet werden müssen und sie in diesen Zeiten herbe Verluste einfahren. (su)