Das Hamburger Landgericht hat entschieden, die gegen die Conergy AG vorliegenden, knapp 20 Klagen in ein Musterverfahren zu überführen. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg habe nun als zuständige Instanz in einem Musterprozess insbesondere die Vorwürfe der Aktionäre zu klären, sagte Rechtsanwalt Janos Morlin von der Kanzlei Rotter Rechtsanwälte auf Anfrage der photovoltaik. Conergy habe demnach in den Jahren 2006 und 2007 gegen Bilanzierungsregelungen verstoßen und dadurch überhöhte Umsatzzahlen ausgewiesen sowie Lieferverzögerungen bei Silizium und Modulen verspätet veröffentlicht. Mit der Entscheidung werde nun das Verfahren gebündelt, so Morlin, dessen Kanzlei die Mehrzahl der Kläger vertritt. Es werde ein Kläger beispielhaft herausgenommen. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts werde dann beispielhaft auf die anderen Kläger übertragen.
Conergy wollte Musterverfahren
Conergy wurde von der Presseerklärung der Münchner Rechtsanwaltskanzlei am letzten Messetag der „Intersolar Europe“ in München überrascht. Das Photovoltaik-Unternehmen begrüßte die Einleitung des Musterverfahrens. „Diese Einleitung geht auf einen Antrag von Conergy zurück, um den Gesamtprozess zu vereinfachen und Kosten zu sparen“, sagte Sprecher Alexander Leinhos der photovoltaik. Das Photovoltaik-Unternehmen habe im September 2009 selbst einen Antrag beim OLG Hamburg gestellt, zur Klärung bestimmter Sach- und Rechtsfragen ein Musterverfahren beim einzuleiten. „Die Kläger hatten umfangreich aber erfolglos auf Zurückweisung dieses Antrags plädiert“, sagte Leinhos weiter. Das Landgericht habe nun dem Conergy-Antrag entsprochen. „Ein Verfahren gegen Conergy wurde bereits rechtskräftig vom OLG Hamburg abgewiesen. Gegen das Unternehmen sind vor dem Landgericht Hamburg noch 17 Zivilklagen auf Schadensersatz wegen angeblich verspäteter ad-hoc Mitteilung anhängig. Von diesen 17 verbliebenen Klägern werden 13 durch die Kanzlei Rotter vertreten“, erklärte Leinhos. Zum laufenden Verfahren selber wollte sich Conergy aber nicht äußern.
Eröffnung frühestens im August
Mit der Eröffnung des Verfahrens sei im August oder September zu rechnen, erklärte Morlin. Allerdings sei voraussichtlich erst in etwa einem Jahr mit einem abschließenden Urteil zu rechnen. Danach gebe es die Möglichkeit, das Urteil noch vor dem Bundesverfassungsgericht anzufechten. Damit könnte sich die abschließende Entscheidung über die Zahlung von Schadensersatz in Millionenhöhe noch etwa drei Jahre ziehen, sagte Morlin. Die Erfolgsaussichten für die Kläger beurteilte er nach den ersten Feststellungen des Gerichts als gut.
Ende 2007 war Conergy in eine schwere Liquiditätskrise gerutscht. Bereits im Februar 2007 soll das Hamburger Solarunternehmen aber bereits von den den Lieferengpässen gewusst haben, lautet der Vorwurf der Kläger. Somit habe Conergy absehen können, dass es zu Gewinneinbrüchen kommen werde. Diese Insidertatsachen seien aber erst in einer ad-hoc-Meldung vom 25. Oktober 2007 veröffentlicht worden, so der Vorwurf der Kläger. Aktionäre, die zwischen dem 01. Februar 2007 und jedenfalls 25. Oktober 2007 Aktien von Conergy gekauft haben, hätten einen deutlich niedrigeren Preis für ihre Papiere bezahlt, wenn die Insidertatsachen sofort nach ihrer Entstehung veröffentlicht worden wären. Diese Anleger können gegenüber dem Unternehmen nun auf Schadensersatz nach Artikel 37b Abs. 1 Nr. 1 Wertpapierhandelsgesetz geltend machen, erklärte die Münchner Rechtsanwaltskanzlei im Oktober 2008. (Sandra Enkhardt)