Am Kennedy Space Center in Florida probt Amerikas Raumfahrtbehörde schon mal die Zukunft der Energieversorgung. In diesem Jahr hat die NASA einen Vertrag mit der Florida Power & Light Corporation (FPL) unterzeichnet, die für die Stromversorgung des US-Bundesstaates verantwortlich ist. Von ihrem Startgelände in Cape Canaveral wird die NASA fast 300.000 Quadratmeter an die FPL abtreten, damit diese – auf zwei getrennten Gebieten – eine Zehn-Megawatt-Solarfarm anlegen kann. Die Erlöse der kleineren der beiden Solaranlagen will die NASA für sich behalten: Sie soll ein Megawatt Strom für das Raketenabschussgelände bereitstellen. 80 Millionen Dollar lässt sich FPL den Erwerb der NASA-Grundstücke kosten. Mit diesem Vertragsabschluss macht der Sonnenstaat seinem Namen Ehre und ist nunmehr die Nummer zwei unter allen US-Bundesstaaten bei der Verwertung von Solarenergie.
Der Spitzenreiter mit elf Solarfarmen, der Sonnenstaat auf der anderen Seite des Kontinents, macht sich nun auch daran, Photovoltaik mit Astronautik zu verschmelzen. Die Pacific Gas & Electric Company (PG&E), das kalifornische Pendant zur FPL, will ihre Nähe zur Sonne noch weiter ausbauen und Sonnenlicht nicht nur auf dem Boden einfangen, sondern gleich im All. Zu diesem Zweck hat PG&E ein Abkommen mit der kalifornischen Firma Solaren getroffen. Das Start-up-Unternehmen verpflichtet sich darin, PG&E ab 2016 mit Solarenergie zu versorgen, die von Satelliten im All eingefangen wird. Das Prinzip klingt so einfach, wie es technisch anspruchsvoll umzusetzen sein dürfte: Ein oder mehrere Satelliten umkreisen die Erde in der geostationären Umlaufbahn. In diesem Abstand – 36.000 Kilometer von der Erdoberfläche entfernt – stehen Satelliten stets an der gleichen Stelle des Himmels, da sie im selben Tempo um die Erde kreisen wie diese sich um sich selbst dreht, also einmal in 24 Stunden. Dort oben besteht ferner ein ständiger, direkter Blickkontakt zwischen Satellit und Sonne.
Back to the Future
Nahezu ohne Unterbrechung können die Solarpanele eines solchen Satelliten Energie erzeugen und den Strom per Mikrowellen zur Erde schicken. Schlechtes Wetter spielt dabei keine Rolle, da Mikrowellenstrahlung Wolken durchdringen kann. Dieses Konzept klingt so verführerisch, dass es skeptisch macht. Man fragt sich, warum sich bislang noch niemand an die Umsetzung gemacht hat. Weder hat jemals eine Raumfahrtbehörde auch nur ein entsprechendes Experiment im Weltall durchgeführt, noch hat jemals ein Staat ausreichend Geldmittel für die Realisierung eines solchen Projektes bereitgestellt. Dabei reichen die ersten Ideen zur Umsetzung eines solchen Projektes zurück in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts: Der damalige US-Präsident Jimmy Carter hatte erstmals finanzielle Mittel für die Förderung von Energie aus dem All bewilligt. Bevor der Vorschlag für den Bundeshaushalt des Jahres 1979 jedoch das Weiße Haus verließ und zu Beratungen an den Kongress überwiesen wurde, wurde Space Solar Power das Opfer von Sparmaßnahmen und noch von Carter selbst wieder gestrichen. „Wir haben damals Lobby-Arbeit betrieben und die beiden Häuser des Kongresses – das Repräsentantenhaus und den Senat – von der Dringlichkeit alternativer Energiegewinnung zu überzeugen versucht“, erinnert sich Mark Hopkins, damals und heute in Diensten der National Space Society (NSS). „Leider waren wir dabei nicht erfolgreich.“ In den ausgehenden 70er Jahren habe Solarenergie aus dem All mit Kohlekraftwerken und Kernenergie konkurrieren müssen, erklärt der Vizepräsident und Geschäftsführer der NSS. Das sei unmöglich gewesen, da zu dieser Zeit niemand auf den Kohlendioxidausstoß geachtet habe, der bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe entsteht. Genausowenig habe sich jemand um Sicherheitsrisiken bei der Verwendung von Nuklearenergie gekümmert. Diese Energiequellen hätten zudem als preiswert gegolten, was der Entwicklung von Sonnensegeln im All frühzeitig den Wind aus den selbigen nahm.
„Aber die Zeiten haben sich grundlegend geändert“, freut sich Hopkins, der sich bis heute für die Idee einsetzt, umweltschonend Energie von der Sonne abzuzapfen. Die Kosten für die Entwicklung photovoltaischer Zellen seien ja in den letzten vier Jahrzehnten drastisch gesunken. Diese seien nunmehr ein Massenprodukt, das sich heute auf jedem Satelliten, der die Erde umkreist, befindet. Auch auf anderen Gebieten, erklärt Hopkins, seien wichtige technologische Fortschritte seit den 70er Jahren gemacht worden: „Computer und Roboter sind heute so intelligent und autonom, dass wir ausschließlich mit ihrer Hilfe entsprechende Anlagen in der Erdumlaufbahn zusammenbauen könnten, ohne den Einsatz von Astronauten“.
Heureka!
Ökonomischer und ökologischer Bedarf sowie die technischen Möglichkeiten also haben in den letzten Jahren zu einem Comeback von Space Solar Power geführt. Zumindest die Modelle sind mittlerweile so ausgereift, dass sie schon morgen ins All starten könnten. Eines stammt von der amerikanischen Moon Society, einem privaten Interessenverband, der sich für eine Rückkehr zum Mond starkmacht, sich aber auch für andere Innovationen in der Weltraumfahrt einsetzt. „Hier haben Sie zwei riesige Spiegelanlagen, die das Sonnenlicht einfangen und auf einen zentralen Kollektor richten“, erklärt Peter Kokh sein Modell. Der Präsident der Moon Society hat einen Nachbau einer Space-Solar-Power-Anlage auf der International Space Development Conference im Mai in Orlando vorgestellt. Er beruht auf den Skizzen, Animationen und Zeichnungen von NASA und National Space Society und soll beweisen, dass das Prinzip funktioniert.
Dieser zentrale „Kollektor“, die Photovoltaik- und Übertragungsantenne, erklärt Kokh, verwandelt das Sonnenlicht in Elektrizität und sendet die Energie hinunter auf die Erde in Form von Mikrowellen. Es werden konventionelle photovoltaische Zellen eingesetzt, um elektrische Spannung zu erzeugen. Die Elektrizität wird dann über Kabel an ein Modul weitergeleitet, das sich auf der anderen, der Erde zugewandten Seite der runden PV-Einheit befindet und Funkfrequenzen erzeugt. Dieses Modul könnte entweder einen Verstärker enthalten, wie er im Mobilfunk verwendet wird, oder ein Magnetron, das typischerweise in Mikrowellenöfen Verwendung findet. Einige dieser Module würden zusammenarbeiten, um ein großes Bündel Strahlungsenergie zu erzeugen – wie ein Flughafen-Radar –, das dann an die Erde übertragen wird. „Jede dieser Einheiten könnte den Energiebedarf einer Großstadt decken“, sagt Peter Kokh.
„Die Idee ist, dass wir dort oben im All, wo Sonnenlicht in voller Stärke 24 Stunden am Tag verfügbar ist, ohne Wolken oder Dunst, mit Hilfe eines Netzes aus PV-Satelliten so viel Sonnenlicht sammeln könnten, um die ganze Erdbevölkerung mit der Energiemenge zu versorgen, die sie wünscht“, sagt Kokh. Ehrgeizige Pläne, deren theoretische Umsetzung die Moon Society jedoch mit ihrem Modell beweist: Während der Demonstration wird eine an den Kollektor angeschlossene Diode durch den gewonnenen Strom zum Leuchten gebracht. Die prinzipielle Umwandlung von Licht in Mikrowellen und deren Verwendung als Stromzufuhr also funktioniert – im Kleinen. Das Original im Orbit würde die Mikrowellen zunächst an einen Empfänger auf der Erde schicken. Für diese Bodenstation haben sich die Unterstützer von Space Solar Power den Begriff „Rectenna“ ausgedacht, ein Kurzwort für „rectifying antenna“ (gleichrichtende Empfangsantenne). „Es wird Führungsstrahlen geben, so dass die Mikrowellenstrahlung sofort abgeschnitten wird, wenn sie vom Ziel abweichen sollte“, erklärt Peter Kokh. „Es ist also eine total sichere Sache.“ Ein Mikrowellen-Beam, der über eine Distanz von 36.000 Kilometern geschickt wird, bleibt kein Strahl, sondern franst aus. Ähnlich dem Lichtkegel einer Taschenlampe, der mit zunehmender Entfernung von der Leuchtquelle immer mehr streut, verbreitet sich der Mikrowellenstrahl aus dem All – und zwar so sehr, dass als Rectenna keine Satellitenschüssel mehr funktionieren kann, sondern ein ganzes Areal von Empfangsanlagen nötig wird. Optisch würde eine solche Rectenna-Farm den irdischen Solarfarmen ähneln. Rectenna-Anlagen würden jedoch nicht über Solarzellen auf ihrer Oberfläche verfügen, sondern über Dioden, die die Mikrowellen-Strahlung auffangen und sie in Gleich- oder Wechselstrom umwandeln. „Ihre Größe wird von der Intensität der Strahlung abhängen“, erläutert Darel Preble, der Vorsitzende des Space-Solar-Power-Workshops am Georgia Institute of Technology. So müsste die Seitenlänge einer solchen Farm bereits bei fünf Kilometern liegen, wenn die Strahlung mit einer Frequenz von 5,8 Gigahertz auf der Erde eintrifft. „Ein schwächeres Signal und kleinere Anlagen machen keinen Sinn“, rechtfertigt Preble die Pläne. Alternativ stünde die Frequenz von 2,45 Gigahertz bereit, die von der International Telecommunications Union (ITU) ebenfalls für die Öffentlichkeit freigegegen wurde, bei den Anhängern von Space Solar Power aber auf wenig Interesse stößt.
Im Unterschied zu herkömmlichen Solaranlagen würden die Rectennas aber auch anderweitige Nutzungen des entsprechenden Grundstücks zulassen. „Unter der Empfangsebene könnte beispielsweise Landwirtschaft betrieben werden“, überlegt Preble. Als Beispiel dafür dient das Arecibo-Radioteleskop auf Puerto Rico: Unter der fest installierten Schüssel, die einen Durchmesser von mehr als 300 Metern hat, geht das Dschungelleben ganz normal weiter. Vertikal zehn Meter unter der Schüssel wachsen Farne, Begonien und Orchideen. „Wir könnten uns mit Farmern dahingehend einigen, dass wir die Rectennas in einer Höhe von vielleicht fünf Metern errichten, so dass sie darunter Pfirsichbäume pflanzen könnten“, schlägt Preble vor. Im Unterschied zu Solarkollektoren nämlich seien die Empfangsfolien von Rectennas für Sonnenlicht durchlässig.
Beam me down, Scotty!
Solaren hat sich bereits für eine Empfangsanlage entschieden: In Los Baños, etwa 100 Kilometer südwestlich von San Francisco, sollen die Mikrowellen aus der Umlaufbahn ab 2016 einlaufen. „Wir werden einen Zaun um die Anlage bauen, so dass niemand von außen eindringen und sich verletzen kann“, sagt Carl Boerman, der Leiter der Abteilung Energiedienstleistungen bei Solaren. Für die Arbeiter auf der Station werde es Sicherheitsstandards geben und Vorschriften, die dafür sorgen sollen, dass niemand dem Beam für länger als zehn Minuten ausgesetzt ist. Generell sei die Strahlung aus dem All aber ungefährlich: „Der Hitzeeffekt der Mittagssonne ist siebenmal stärker als der Hitzeeffekt der Energie, die von unseren Satelliten ausgestrahlt wird“, sagt Boerman. Auch für Vögel, die den Strahl kurzzeitig durchqueren, sei er somit also ungefährlich. Einziger möglicher Nebeneffekt: „Das Telefonieren mit Handys könnte in diesen Gegenden ein Problem werden“, erklärt Darel Preble vom Space-Solar-Power-Workshop. „Die Interferenzen mit Mobilfunkstrahlen sind eines der wichtigen Themen, die bedacht werden müssen bei der Auswahl der Frequenz und der Filter sowie bei der Entscheidung, ob es nicht besser ist, die Empfangsstationen fern von Städten in abgelegenen Gegenden aufzubauen, wo typischerweise landwirtschaftliche Betriebe vorherrschen.“ Auch vor Blitzeinschlägen und selbst vor starken Winden müssen die Empfangsfolien geschützt werden.
Diese Probleme auf dem Boden stellen für Solaren jedoch derzeit nicht die größte Herausforderung dar. Erst einmal geht’s ums Geld: In diesen Wochen und Monaten bemüht sich das erst acht Jahre junge Unternehmen darum, seine Hardware überhaupt finanziert zu bekommen. „Wir führen Gespräche mit verschiedenen Gruppen, die alle mehr oder weniger international sind“, sagt Boerman, ohne die Namen der Interessenten preisgeben zu wollen. Offenbar handelt es sich dabei jedoch vor allem um Stiftungen, die an der Förderung umweltfreundlicher Projekte interessiert sind und diese finanziell unterstützen. Auch um Transportmittel ins All kümmert sich Solaren jetzt schon – und nennt hier ganz offen die Namen der beiden möglichen Interessenten: „Wir würden unsere Startraketen entweder bei Boeing oder Lockheed kaufen, oder beide kombinieren“, so Boerman. Boeing ist seit Jahren mit der Delta-4-Raketenserie erfolgreich, Lockheed Martin mit seinem Gegenstück, der Atlas 5. Beide Firmen gehören zu den führenden Raumfahrtkonzernen in den USA und schießen sowohl für private Unternehmen wie für die NASA regelmäßig Satelliten und Sonden in den Weltraum. Wahrscheinlich wird Solaren viermal für derartige Starts in die Tasche greifen müssen: Vier einzelne Solar-Power-Anlagen will die Firma auf die geostationäre Umlaufbahn schicken. „Diese Anlagen werden entweder unabhängig voneinander operieren oder wir könnten zwei davon automatisch andocken lassen. Allerdings werden Konstruktions- oder Montageprozesse im All nicht notwendig sein“, sagt der Leiter von Solarens Energie-Abteilung. Bestückt werden die „Solar Power Devices“ mit herkömmlichen Solarzellen auf Siliziumbasis. Eine Zeitlang hatte Solaren erwogen, für das neue System Dünnschichtzellen einzusetzen. „Wir mussten das Gewicht niedrig halten, um es bezahlbar zu machen, und wir mussten es so einfach wie möglich planen, um es machbar zu machen“, sagt Boerman zu den Überlegungen Solarens, die dann auf die bewährte Technik hinausgelaufen seien. „Dies ist ein Raumfahrtprojekt, deshalb müssen wir raumfahrtqualifizierte Solarzellen verwenden, nichts Neues. Wir werden die herkömmlichen Solarzellen benutzen, die heute auf Satelliten eingesetzt werden, und wir hoffen, ihre Effizienz erhöhen zu können.“
Ein Schritt nach dem anderen
Am von Solaren vorgelegten Zeitplan und an der Effizienz des vorgeschlagenen Systems bestehen unter Experten Zweifel. Einer von den Skeptikern ist John Mankins, der von 1995 bis 2001 bei der NASA die Forschungsgruppe zur Space Solar Power geleitet hat und heute Artemis Innovation als Präsident vorsteht. Diese Beratungsfirma in der Nähe von Washington, D.C. macht sich für die Förderung neuartiger Technologien stark, zu denen sie auch Space Solar Power zählt. „Es gibt heute einen allgemeinen Konsens darüber, dass Solarenergie-Satelliten technisch machbar sind“, so die Bestandsaufnahme von John Mankins. „Es gibt jedoch noch keinen Beweis, dass sie ökonomisch realisierbar sind. Viele der vorausgesetzten Technologien gibt es zwar im Labor, aber sie wurden nie integriert oder eingesetzt und auf Systemebene getestet. Die Frage ist: Kann es mit Profit gemacht werden?“ Mankins fürchtet, dass Solaren einen wichtigen Schritt überspringt und gleich von der Theorie des Schwarzen Bretts auf den hart umkämpften Energiemarkt drängt, ohne sich Zeit für Tests und Entwicklung zu nehmen. „Es gibt noch eine Reihe von wichtigen Schritten, die unternommen werden müssten – die Technologien bestimmen, implementieren, am Boden validieren, dann ins Weltall nehmen und dort Demonstrationen durchführen –, bevor man wirklich sagen könnte, wie hoch der Preis für Energie aus Photovoltaik-Satelliten sein wird.“ Technische Machbarkeit und wirtschaftliche Effizienz müssten bei der Energie aus dem All zusammenkommen. Versagt auch nur eine der beiden Säulen, sei das System nicht konkurrenzfähig. Ein Start-up-Unternehmen wie Solaren, das derzeit nur aus zehn Personen besteht, könne so etwas nicht stemmen, fürchtet der ehemalige NASA-Mitarbeiter. „Das bedeutet mehrere Millionen Dollar für die Technologie, mehrere zehn Millionen Dollar für die Demos auf Systemebene, mehrere hundert Millionen Dollar, um es ins All zu bringen, mehrere Milliarden Dollar, um ein Pilot-Kraftwerk zu errichten, einen Prototypen.“
Statt sich eine kleine Firma an einem solchen Vorhaben verheben zu lassen, plädiert John Mankins für eine internationale Zusammenarbeit der Raumfahrtagenturen der USA, Europas und Japans. Auch Universitäten sollten mit ihren Forschungen eingebunden werden. „Es wäre eine großartige Gelegenheit, Entwicklungsländer einzubeziehen, die riesige Märkte für Solarenergie aus dem All wären, zum Beispiel Indien oder China“, so der Artemis-Präsident. Schon von der Arithmetik her glaubt Mankins nicht, dass Solaren seinen ehrgeizigen Plan wird umsetzen können, 200 Megawatt Strom ab 2016 zu liefern. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation (ISS) mit ihren 16 Sonnensegeln liefert etwa 100 Kilowatt. Die von Solaren geplanten Satelliten müssten also zweitausendmal so leistungsstark sein.
Statt auf die Kräfte des Marktes setzt Mankins in diesem Fall eher auf die Politik. Amerikas neuer Präsident Barack Obama hat sich die Förderung grüner Energien auf die Fahnen geschrieben. Derzeit gibt es für Space-Solar-Power-Projekte zwar keine Gelder für die NASA, aber diese Situation könnte sich schon bald ändern. Mit Lori Garver will Obama eine „Ehemalige“ der National Space Society (NSS) zur Vize-Chefin der NASA machen: Garver war von 1988 bis 1998 Geschäftsführerin der 1987 gegründeten National Space Society. Sie gilt als Befürworterin von Space Solar Power. „Wir glauben, dass es in dieser Administration gute Chancen auf Förderung gibt“, hofft Mark Hopkins von der NSS. Auch John Mankins geht davon aus, dass die Idee von Space Solar Power mit den neuen Fürsprechern im Weißen Haus und in der NASA neuen Schwung bekommt. „Es könnte sich, vielleicht schon im kommenden Jahr, eine Diskussion auf nationaler Ebene entwickeln, bis hin ins Weiße Haus oder ins Office of Science and Technology Policy.“
Interessant für das Pentagon
Vielleicht wird sich bis dahin auch das US-Verteidigungsministerium an die Seite der Befürworter von Space Solar Power stellen. „Im Militär ist die Rede von einer Förderung im kommenden Jahr“, berichtet Mark Hopkins – Genaueres wisse man jedoch nicht. Oder sagt das US-Militär nicht. Das Streben nach alternativen Energiequellen gibt das Pentagon jedoch zu: „Wir machen uns Gedanken über die Konfliktherde im 21. Jahrhundert“, so die vage Beschreibung von Lieutenant Colonel Paul Damphousse, dem Leiter der Abteilung Technologiekonzepte (Advanced Concepts) des National Security Space Office (NSSO). Bestes Beispiel: „Ressourcenknappheit ist einer dieser potenziellen Konfliktpunkte.“ Deswegen sehe sich das Militär beizeiten nach Alternativen zum Beispiel zum Öl um. Doch es gibt noch einen weiteren, wesentlich pragmatischeren und unmittelbareren Grund, warum das amerikanische Verteidigungsministerium an Space Solar Power interessiert ist: Es ist schwierig, teuer und gefährlich, für US-Truppen in anderen Ländern Energie vor Ort bereitzustellen. So müssen die USA in das Öl-Exportland Irak absurderweise das Öl einführen, mit dem ihre Truppen versorgt werden. Die entsprechenden Lkw-Konvois sind dankbare, weil hochexplosive Ziele für Terroristen. Einmal am Ziel angekommen, ist das importierte Öl bis zu hundertmal teurer als das entsprechende Benzin an amerikanischen Tankstellen. „Wir machen uns Gedanken, wie wir Energie in einige unserer ausländischen Einsatzgebiete bekommen“, klagt Paul Damphousse. „Wenn wir das mit drahtloser Energieübertragung tun könnten, dann wäre das etwas Attraktives für uns.“
Vielleicht klingt beim amerikanischen Militär unterschwellig auch die Sorge darüber an, dass andere Staaten die USA bei der Entwicklung dieser neuen Technologie überholen könnten. Die japanische Regierung hat sich im neuen Space-Plan gerade erst verpflichtet, der Weltraumagentur JAXA in den kommenden zehn Jahren jährlich umgerechnet bis zu zehn Millionen US-Dollar für Forschung im Bereich Space Solar Power bereitzustellen. 2015 will die JAXA einen Testballon in Form eines kleinen Solarsatelliten starten, der das Verfahren demonstrieren und erstmals das eingefangene Sonnenlicht als Mikrowellen durch die irdische Atmosphäre auf den Boden beamen soll. Bis 2030 soll die Solarstation in der Umlaufbahn dann komplett errichtet sein. Auch private Firmen haben in Japan bereits Space Solar Power als künftigen Geschäftszweig entdeckt: Mitsubishi, IHI und 14 weitere japanische Firmen wollen in einem Konsortium rund 15 Milliarden Euro als Anschubfinanzierung für diese neue Technologie aufbringen. Und auch Europa denkt in diese Richtung: Die europäische Weltraumagentur ESA hatte eine zweijährige Studie zur Durchführbarkeit von Space-Solar-Power-Satelliten in Auftrag gegeben, die zu einem positiven Ergebnis kam und nun verlängert werden soll.
Space Power made in Switzerland
In der Schweiz macht sich bereits ein Unternehmen daran, Solaren Paroli zu bieten: Space Energy aus Schaffhausen will seinerseits bereits in drei Jahren den ersten von mehr als 40 Satelliten in eine niedrige Erdumlaufbahn schicken und dort zunächst parken. Auch die Schweizer setzen bei den Startraketen auf Boeings bewährte Delta 4. Auf der International Space Development Conference in Orlando hat Space Energy im Mai einen Vorvertrag mit den amerikanischen Raketenbauern abgeschlossen. Auch die „Space Solar Power Devices“ von Space Energy sollen modular aufgebaut sein und erst im All aneinanderdocken. Im Unterschied zu den Satelliten von Solaren soll der Zusammenbau jedoch in einer erdnahen Umlaufbahn in etwa 300 Kilometer Höhe über die Bühne gehen, in die jede Woche 15 Tonnen transportiert und von Robotern zusammengefügt werden. Nach zwei Jahren soll jeweils eine Einheit fertig sein, die dann ihre Reise zur geostationären Umlaufbahn antritt. Insgesamt will Space Energy 15 solcher Stationen bis 2029 errichtet haben, durchschnittlich eine pro Jahr. Ihre Abmessungen werden mit fast vier Quadratkilometern enorm sein. „Die Kosten für die ersten Stationen werden zwischen 12 und 16 Milliarden Dollar liegen und danach runtergehen auf sieben bis acht Milliarden pro Device“, hofft der Schwede Stephan Tennsel, Gründer und Chef von Space Energy. Mit den Erlösen der ersten beiden will die Firma den Bau der restlichen finanzieren.
Eine Investmentgruppe aus Zürich beteiligt sich mit mehr als 200 Millionen Euro Anschubfinanzierung an dem Projekt. Erster vollzahlender Kunde soll dann die indische Regierung werden, mit der Space Energy derzeit verhandelt. Als Angebot liegt eine Zahlung von mehr als 200 Milliarden Dollar für die Lieferung von 120 Gigawatt innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren auf dem Tisch. Die Verträge sind jedoch noch nicht unterzeichnet. „Unsere Satelliten werden ihre Mikrowellenbeams zeitgleich an verschiedene Orte auf dem Boden schicken können, was Indien sehr entgegenkommt, da das Land bei der Versorgung seiner Bevölkerung mit Energie Probleme hat, die insgesamt den Fortschritt des Landes bremsen“, so Tennsel. Dies sei der entscheidende Vorteil des Konzeptes von Space Energy gegenüber dem von Solaren: Es gebe keinen Schwund. „Wenn Energie auf dem Boden erst aufwendig hin- und hertransportiert werden muss, geht immer ein Teil verloren. Mit unserem System landet der Strom direkt da, wo er gebraucht wird.“
Mehrere Eisen im Feuer
Während Space Energy seinen Solarstrom nach Indien verkaufen will, soll der von Solaren gewonnene im Lande bleiben. Das Interesse an alternativen Energiequellen seitens der Pacific Gas & Electric Company, die mit den von Solaren zugesagten 200 Megawatt etwa 150.000 Haushalte im südlichen Kalifornien mit Strom versorgen will, ist nicht ganz freiwillig, sondern vom Staat verordnet: Kalifornien hat sich verpflichtet, bis 2012 mindestens 20 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Da Solaren erst ab 2016 liefern will, käme die Firma jedoch zu spät, um ihrem Kunden PG&E dabei zu helfen. „Solaren ist wichtig in einer viel langfristigeren Strategie, nicht um dieses kurzfristige Ziel zu erreichen“, versucht John Marshall, Sprecher von PG&E, die Maßstäbe zurechtzurücken. Auch wenn das Vorhaben mit Solaren scheitere, habe der Stromlieferant immer noch andere Eisen im Feuer. „Der Bundesstaat will mehr erneuerbare Energie, unsere Kunden wollen mehr erneuerbare Energie, und wir verpflichten uns selbst dazu.“ Welche Asse PG&E sonst noch im Ärmel hat, will Marshall nicht verraten. Das Unternehmen gibt sich jedoch Mühe, nicht den Eindruck zu erwecken, es würde alle Eier in einen einzigen Korb legen: „Wir sind offen für andere Vorschläge“, sagt John Marshall ganz offen. „Wir verhandeln nicht ausschließlich mit einem Unternehmen. Mit Solaren ins Geschäft zu kommen, bedeutet kein Ausschluss von anderen Unternehmen.“ PG&E habe Verträge mit verschiedenen Produzenten regenerativer Energiequellen abgeschlossen und setze somit auch auf unterschied-liche Technologien. „Eines unserer Ziele ist die Diversifikation sowohl der Lieferanten als auch der Technologien, die sie repräsentieren“, so der PG&E-Sprecher.
Zum 40. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung im Juli meldeten sich auch altgediente Astronauten der NASA mit ihren Ideen zu Wort, so etwa Rusty Schweickart, der mit der Mission Apollo 9 ins All geflogen war. Es sei viel zu teuer, das Material zum Bau kilometergroßer Anlagen von der Erde in eine geostationäre Umlaufbahn zu bringen. Stattdessen solle die NASA zu einem Asteroiden fliegen: „Das Material ist schon dort oben.“ Menschen oder Maschinen müssten lediglich zu einem erdnahen Asteroiden fliegen, sich seiner Bodenschätze wie Silizium bedienen, daraus Space Solar Power Devices bauen und diese auf die Erde richten. „Auf diese Weise könnte sich die Ökonomie von der Gewinnung von Solarenergie im All und deren Übertragung auf die Erde dramatisch verändern.“