Am Beispiel der Photovoltaikfassade des Institutsgebäudes in Stuttgart ermittelten die Forschenden des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), wie hoch der Anteil von selbst erzeugtem Solarstrom am gesamten Stromverbrauch sein kann. Diese Daten übertrugen sie auf ein Modellgebäude. Das Ergebnis: Der Strom aus den Solarmodulen von Dach und Fassade kann bei einem Standard-Bürogebäude fast 40 Prozent des Gesamtbedarfs decken – und das sogar ohne den Einsatz von Solarstromspeichern. Die Kombination aus Dach- und Fassadenphotovoltaik lohnt sich sowohl im Tagesverlauf als auch saisonal.
Büro- und Verwaltungsgebäude brauchen viel Strom. Das liegt vor allem an der Beleuchtung, Lüftung und Klimatisierung, aber auch an den verwendeten Elektrogeräten. Künftig muss dieser Energiebedarf klimafreundlich gedeckt werden: Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2050 einen klimaneutralen Gebäudesektor zu realisieren. Strom aus Photovoltaikanlagen bietet sich daher an. Bis 2030 sind hierzulande mindestens 100 Gigawatt installierte Leistung erforderlich, ein guter Teil davon an Gebäuden. Doch noch nutzen zu wenige Eigentümer von Nichtwohngebäuden diese Art der CO2-freien Stromversorgung und wenn, dann meist ausschließlich als Dachinstallation.
Kombination Solarfassade und Dachanlage lohnt sich
Die wenigsten Eigentümer integrieren zusätzlich Solarmodule in die Gebäudehülle. Dabei lohnt sich das, denn mit zunehmender Gebäudehöhe steigt die Fläche der Fassade stetig an, während die Dachfläche konstant bleibt. Über die Stromerzeugung hinaus ermöglichen Photovoltaikfassaden den Schutz vor Wind und Wetter. Außerdem bieten sie Verschattung, reduzieren Wärmeverluste und ersetzen konventionelle Bauteile. Eine schallisolierende Wirkung haben sie auch. Das Gebäudeenergiegesetz belohnt den Einbau solcher Solarfassaden mit einer besseren energetischen Einstufung des Gebäudes. Eine gute Wirtschaftlichkeit ist immer dann gegeben, wenn bereits bei der Planung von neuen Gebäuden eine Solarfassade berücksichtigt wird. Der finanzielle Zusatzaufwand kann dann bereits nach zehn Jahren abbezahlt sein, danach macht die Fassadenanlage Gewinn.
Bei der Nutzung von Dünnschichtmodulen mit einem Halbleiter aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) kommen ästhetische Vorteile hinzu. Die Module bieten die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie Glasfassaden. Das ermöglicht homogene Glasflächen in dezenten Farben. Variable Modulgrößen, Sonderformen und flexible Bauteile stehen ebenfalls zur Verfügung. Am ZSW arbeiten die Forscherinnen und Forscher an der Optimierung dieser Anwendungen.
131 Kilowatt Photovoltaik installiert
Welchen Anteil am Strombedarf eines Bürogebäudes Photovoltaikmodule an der Fassade und auf dem Dach decken können, haben die Forschenden am ZSW anhand eines Modells mit realen Erzeugungs- und Verbrauchsdaten ausgerechnet: Zuerst ermittelten sie am eigenen Institutsgebäude in Stuttgart die Solarstromerzeugung der CIGS-Dünnschichtsolarmodule an der Südost- und der Südwest-Fassade sowie die der Anlage auf dem Dach.
In einem zweiten Schritt rechneten die Forscher die Erzeugungsdaten am Institut auf einen typischen fünfstöckigen Verwaltungsbau hoch. Ihre Annahme: Ein Viertel der Gesamtfassade und 30 Prozent der Dachfläche sind mit Photovoltaik belegt, was im Beispiel zu einer installierten Leistung von 131 Kilowatt führt. Die Solarmodule erzeugen dann zusammen rund 115.000 Kilowattstunden Strom im Jahr gegenüber 170.000 Kilowattstunden Strombedarf. Der Bedarf ergibt sich aus Messdaten des Landes BW für Verwaltungsgebäude.
Solare Fassade: 29 Prozent Eigenversorgung
Die Berechnungen zeigen, dass Bürogebäude ihren Strombedarf zu einem guten Teil mit Solarstrom von der Fassade und dem Dach bestreiten können. „Allein die Fassaden lieferten über den Zeitraum von einem Jahr 29 Prozent des verbrauchten Stroms“, erklärt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. 80 Prozent des erzeugten Solarstroms konnten hierfür genutzt werden, den Rest speisten die Solarmodule in das Stromnetz ein. „Die Kombination von Photovoltaik an der Fassade und auf dem Dach steigerte den Eigenversorgungsanteil sogar auf 39 Prozent“, so Geyer. 58 Prozent des Solarstroms konnten dafür eingesetzt und so lokal verbraucht werden. Der Rest verbesserte den Ökostromanteil im Netz.
Auch über die Jahreszeiten hinweg passen Dach- und Fassadensolaranlagen gut zueinander und machen so die Stromversorgung von Bürogebäuden grüner: Während für die Dachanlage erwartungsgemäß die größten Leistungswerte in den Sommermonaten auftreten, ergänzt die Photovoltaikfassade durch ihre höchste Leistungsabgabe während der Wintermonate das jährliche Erzeugungsprofil auf ideale Weise. Fassadenanlagen nutzen die tief stehende Sonne im Winter aufgrund ihrer vertikalen Ausrichtung besser als Dachanlagen. (nhp)
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