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Senioren unter Strom

Reinhard Ebbecke ist Müllermeister in Mockrehna, 30 Kilometer östlich von Leipzig gelegen. Dort besitzt er eine wunderschöne hölzerne Windmühle aus dem 18. Jahrhundert. Kurz nach der Wende vor rund 20 Jahren bekam Ebbecke Besuch von einem Bekannten. Der schlug ihm vor, mit der Mühle nicht nur Getreide zu mahlen, sondern auch Strom zu produzieren. „Uns war ziemlich schnell klar, dass das technisch nicht geht. Aber er hat mich damit auf eine andere Idee gebracht: Wenn das mit dem Wind nicht funktioniert – warum dann nicht mit der Sonne Energie erzeugen?“, erinnert sich Ebbecke.

Der Müllermeister, heute längst im Ruhestand, informierte sich bei der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und holte Angebote für Photovoltaikanlagen ein. Die waren ihm allerdings zu teuer. Umgerechnet rund 12.500 Euro pro Kilowattpeak musste man damals noch im Durchschnitt für ein Solarsystem bezahlen. Zu viel für Ebbecke, der gerade erst in die Ausstattung seiner Mühle investiert hatte. Doch dann kam das 1.000-Dächer-Programm des Bundesforschungsministeriums, mit dem der Staat bis zu 70 Prozent der Kosten einer Solaranlage übernahm. Ebbecke bewarb sich um die Förderung und bekam den Zuschlag. Mit dem Geld konnte er 1992 auf seinem Wohnhaus neben der Mühle ein Fünf-Kilowatt-System installieren lassen. „Das war damals für lange Zeit die größte Anlage in ganz Sachsen“, erklärt Ebbecke. Die Module stammten von Siemens, der Wechselrichter von Solar Konzept.

Mit ihren 20 Jahren ist die Anlage heute längst ein Methusalem unterden Solarsystemen. Doch das hohe Alter merkt man ihr nicht an. Sie liefert noch fast genauso viel Strom wie in jungen Jahren: Seit 2005 lag der Ertrag mit einer Ausnahme stets zwischen 800 und 900 Kilowattstunden pro Kilowattpeak – verglichen mit dem über die gesamte Betriebsdauer erzielten Durchschnittsertrag von 870 Kilowattstunden eine hervorragende Leistung. „Das Ding läuft nach wie vor bestens“, freut sich Ebbecke. Und auch optisch macht sie immer noch viel her. „Die Module haben sich nicht verändert, es gibt keine Verfärbungen. Die Anlage sieht aus wie am ersten Tag“, sagt der Sachse. Nur der Wechselrichter musste einmal ausgetauscht werden, da Kondensatoren durchgebrannt waren.

Kaum Ertragsverluste

Hat der Müllermeister einfach nur Glück gehabt – oder zeigen sich auch andere Anlagen so robust, die im Zuge des 1.000-Dächer-Programms zu Beginn der 1990er Jahre installiert wurden? Diese Frage hat jetzt der Solarberater und Dozent an der TU Chemnitz Professor Udo Rindelhardt im Auftrag der Sächsischen Energieagentur (Sanea) untersucht. Dazu hat er mit einem Fragebogen die Betriebsergebnisse, den technischen Zustand und die vorgenommenen Wartungsmaßnahmen von 102 Anlagen in Sachsen erfasst. Zusätzlich wurden 45 dieser Systeme vor Ort untersucht.

Das wichtigste Ergebnis: Auch nach 20 Jahren verlieren fast alle Anlagen nur geringfügig an Leistung. Das gilt insbesondere für die Systeme mit Modulen von Siemens, BP Solar und Newtec. „Deren Erträge sind weitgehend stabil geblieben. Und es ist auch nicht zu erwarten, dass sie bald einbrechen werden“, sagt Rindelhardt. Über den Daumen gepeilt haben diese Anlagen einen Leistungsabfall von insgesamt gerade einmal etwa fünf bis zehn Prozent erlitten. Dabei sind bereits die im Vergleich zu den 1990er Jahren erhöhten Solarstrahlungswerte des letzten Jahrzehnts berücksichtigt – die tatsächlich erzielten Erträge liegen also noch höher. Etwas schlechter schneiden die Systeme mit Modulen von Helios, Photowatt oder Nukem ab. Hier beträgt der bereinigte Verlust seit 2005 bis zu 20 Prozent. „Bei diesen Modulen kündigt sich so langsam ein Ende an. Aber fünf Jahre halten auch sie sicher noch durch“, meint Rindelhardt.

Komplettausfälle einzelner Module verzeichneten die Betreiber so gut wie nie, nur in sehr wenigen Fällen mussten im Laufe der Zeit Paneele ersetzt werden. Mit einer Ausnahme: Bei einem Modultyp von DASA trat nach etwa fünf Jahren ein Serienfehler bei den Zellverbindern auf. Alle Produkte dieser Baureihe wurden kostenlos ausgetauscht. Das bedeutet, dass die Anlagen in der Studie nur eingeschränkt berücksichtigt werden konnten.

„Die Studie zeigt, dass die kristalline Photovoltaik sehr langlebig ist“, fasst Martin Reiner von der Sanea zusammen. Nach 20 Jahren erzielen die Anlagen immer noch 80 oder 90 Prozent ihrer ursprünglichen Leistung. „DerStrom, den sie dann erzeugen, ist sehr billig, weil sie zu dem Zeitpunkt ja bereits abgeschrieben sind. Das sollte man bei der Debatte um die Zukunft des Erneuerbare-Energien-Gesetzes berücksichtigen“, betont Reiner.

Wechselrichter funktionieren noch

Auch viele Wechselrichter zeigen sich äußerst belastbar. In mehr als der Hälfte aller untersuchten Anlagen leistet immer noch der ursprünglich installierte Inverter seinen Dienst. Mit 80 Prozent lag die Austauschrate bei den Produkten von Siemens besonders hoch, bei den fast in jeder dritten Anlage eingesetzten Wechselrichtern von SMA betrug die Rate 53 Prozent. Probleme traten vor allem in den ersten Betriebsjahren auf. Dabei spielte allerdings auch eine Rolle, dass die Niederspannungsnetze in Sachsen damals nicht immer normgerecht betrieben wurden. Ebenso waren Blitzeinschläge im Verteilnetz eine relevante Störquelle. Rindelhardt zieht auf jeden Fall ein positives Fazit: „Die Studie zeigt, dass Wechselrichter durchaus eine Lebensdauer von 20 Jahren erreichen können.“ Herbert Schanzer hat allerdings etwas andere Erfahrungen mit seinem Inverter gemacht. Er betreibt seit 1992 eine 2,1-Kilowatt-Anlage mit BP-Solarmodulen auf seinem Wohnhaus in Schimmelbach im Bayerischen Wald. Der SMA-Wechselrichter musste in den 1990er Jahren mehrfach repariert und schließlich 2001 ersetzt werden. Das trübt seine Stimmung jedoch nicht. Er ist hoch zufrieden mit seiner Anlage, denn der Ertrag stimmt auch nach 20 Jahren noch: „Der Leistungsabfall beläuft sich auf weniger als zehn Prozent“, erklärt Schanzer. Mit den Modulen hatte er noch gar keine Probleme – mit Ausnahme eines Panels, das beim Betreten des Dachs zu Bruch gegangen ist und ausgetauscht wurde. Nur bei der Verkabelung hakt es heute: „Bei Schneeschmelze tritt irgendwo ein Isolationsfehler auf. Da muss ich bei Gelegenheit mal ran“, sagt der Ingenieur.

Insgesamt 24.000 Euro kostete die Anlage damals. Etwa 8.000 Euro davon trug Schanzer selbst, der Rest wurde durch das 1.000-Dächer-Programm abgedeckt. „Diese Investition war mir die Sache wert“, erklärt der Niederbayer. Und als dann im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Kraft trat, wurde die Anlage sogar rentabel. Ein guter Grund für Schanzer, 2001 zusätzlich eine 4,5-Kilowatt-Anlage zu installieren. Vor zwei Jahren kam dann noch ein drittes System mit einer Leistung von zehn Kilowatt dazu.

Eine Wartung hat Schanzer in all den Jahren nicht vornehmen lassen. „Ich habe im Winter immer den Schnee von den Modulen runtergeschaufelt, aber das war es dann auch schon“, erklärt er. Damit ist er nicht allein: Vier Fünftel der von Rindelhardt befragten Betreiber gaben an, dass sie nie oder nur selten eine Wartung durchgeführt haben. Das spreche für die Zuverlässigkeit der Systemkomponenten, so der Autor der Studie.

Und welche Schlussfolgerung lässt die Untersuchung für die heute installierten Solarsysteme zu? Werden sie auch in den 30er Jahren dieses Jahrhunderts noch in großen Mengen Strom erzeugen? Rindelhardt warnt davor, die Ergebnisse der Studie eins zu eins auf die aktuelle Modulgeneration zu übertragen, weil sich

Wechselrichter an untersuchten Anlagen
installiertersetzt
SMA3217
Siemens2016
Dorfmüller64
Solarkonzept225
ASP70
SOLWEX115
UFE40
gesamt10247

Die Auswertung zeigt, dass Wechselrichter deutlich länger als zehn Jahre halten können. Nicht einmal die Hälfte der Geräte wurde ersetzt.das Design der Modelle in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich geändert hat. „Die Zellen waren damals dicker, und sie litten auch nicht unter Problemen wie Mikrorissen, Schneckenspuren oder spannungsinduzierten Degradationen, die heute bei einigen Modulen zu beobachten sind.“

Und neue Anlagen?

Solange man diese Fehler nicht verstehe beziehungsweise abstelle, sei es unmöglich, das Langzeitverhalten der heute produzierten Module vorherzusagen, meint der Experte. Deshalb hält er die Versprechen der Hersteller, über einen Zeitraum von 20 oder gar 25 Jahre eine Garantie auf die Module zu geben, für abwegig – „mal ganz abgesehen davon, dass man dann wahrscheinlich angesichts der Entwicklungen auf dem Solarmarkt in vielen Fällen gar nicht mehr weiß, bei wem man seine Ansprüche anmelden soll“, so Rindelhardt. Vor dem Problem hätten auch die Solarpioniere aus den 1990er Jahren gestanden, wenn es damals schon solch weitreichende Garantiezusagen gegeben hätte: Viele der Modulhersteller, die im Zuge des 1.000-Dächer-Programms Panels geliefert haben, gibt es heute nicht mehr; andere haben sich aus dem Photovoltaikgeschäft zurückgezogen.

Reinhard Ebbecke ist das vermutlich egal, denn seine Anlage läuft und läuft. Längst ist er zum gefragten Photovoltaikexperten geworden, der in all den Jahren schon vielen Nachbarn mit Rat und Tat zur Seite gestanden ist. Vor 20 Jahren dagegen war die Skepsis noch groß: „Als ich von meinen Solarplänen erzählte, haben Freunde und Bekannte gesagt: Du spinnst!“, erinnert er sich. „Sogar der Elektriker, der damals bei der Installation half, hat mich für verrückt erklärt. Und raten Sie mal, womit er heute sein Geld verdient? Er betreibt zusammen mit seinem Sohn eine Firma, die Photovoltaikanlagen verkauft!“

www.saena.de/tycon/file.php?id=7059

Das 1.000-Dächer-Programm

Sie waren die Vorhut: Fast 2.000 Anlagen wurden zwischen 1990 und 1994 mit öffentlicher Förderung auf deutschen Dächern installiert. Das vom Bundesforschungsministerium und den Ländern finanzierte Programm hatte das Ziel, Erfahrungen mit Planung, Bau und Betrieb von Photovoltaikanlagen auf Ein- und Zweifamilienhäusern zu sammeln. Das Interesse war riesig. Mehr als 60.000 Immobilienbesitzer informierten sich beim Ministerium über das Programm, fast 4.000 davon stellten einen Antrag auf Förderung. Etwa jeder zweite davon wurde bewilligt.
Die durchschnittliche Leistung der auf den Eigenverbrauch ausgelegten Anlagen betrug 2,64 Kilowattpeak, die Kosten lagen bei umgerechnet 12.500 Euro pro Kilowattpeak. Etwa zwei Drittel davon übernahm der Staat. Im Gegenzug mussten die Betreiber ihre monatlichen Ertragsdaten fünf Jahre lang zur Auswertung an das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg schicken.
Rund die Hälfte der durch das 1000-Dächer-Programm geförderten Anlagen war mit Siemens-Modulen ausgestattet, ein weiteres Drittel mit Panels des Luft- und Raumfahrtkonzerns DASA. Auf Platz drei folgten Produkte von BP Solar mit einem Anteil von elf Prozent. Bei den Wechselrichtern kam ein Drittel aus der Fabrikation von SMA. Der Anteil von Solar Konzept betrug 22 Prozent, der von Siemens 19 Prozent.

Ralph Diermann