Axel Schwalm hat jede Menge Horrorgeschichten über schadhafte Photovoltaikanlagen auf Lager. „60 Prozent der installierten Anlagen sind fehlerhaft“, sagt er. Der Leiter des Kundenservice am Prüf- und Zertifizierungsinstitut des Verbandes der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) in Offenbach überprüft schon seit vielen Jahren elektrische Geräte aller Art vom Radio bis zum Transformator. Gleichzeitig ist er beim VDE auch der Experte für Photovoltaiksysteme.Ein Themenbereich, den er in der Zukunft weiter vertiefen wird. Seit 2004 kooperieren das Institut aus Offenbach und das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Letzten September gründeten sie zusammen das neue Prüflabor VDE-Fraunhofer ISE Testzentrum Photovoltaik,kurz TZPV. Das ebenfalls in Freiburg angesiedelte Institut vereint Leistungs- und Sicherheitsprüfungen für Solarmodule und bietet einen Check-up für Photovoltaikanlagen an, den es sozusagen „am lebenden Objekt“ durchführt. Die fertigen Anlagen werden vor Ort auf Herz und Nieren geprüft. „Während wir die Leistung und die Funktion der Solaranlagen überprüfen, ist das VDE-Institut für die sicherheitsrelevanten Fragen zuständig“, erklärt Klaus Kiefer, der am Fraunhofer ISE den Bereich netzgekoppelte Photovoltaik leitet. Mit der Überprüfung der Gesamtanlage wollen die Institute eine Lücke auf dem Markt schließen. Und die ersten Ergebnisse geben ihnen Recht: zwölf der bisher 20 untersuchten Anlagen wiesen Mängel auf. „Häufig arbeiten die Handwerker unter Zeitdruck, damit der Anlagenbetreiber nochvon einer höheren Einspeisevergütung profitiert“, sagt Schwalm.
Es geht um bare Münze
Doch mit der übereilten Installation schaden sie den Betreibern langfristig. So würden manche Installateure ungleiche Module verschalten, die überhaupt nicht zusammenpassen. Das Problem ist, dass das Modul mit der niedrigeren Leistung auch den Ertrag der höherwertigen Module drosselt. Außerdem seien die Anlagen oft schlecht dimensioniert. Den erwünschten Ertrag bringen sie dann natürlich auch nicht, was zu finanziellen Einbußen führt.„Bei den aktuellen Einspeisetarifen, die das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz garantiert, führt selbst eine Minderleistung von nur einem Prozent bei einer Solaranlagemit einer Leistung von einem Megawatt über 20 Jahre zu einem Mindererlös von 100.000 Euro“, rechnet VDE-Mitarbeiter Schwalm vor. Weitere Einbußen können durch fehlende Sorgfalt bei der Verschattungsanalyse zustande kommen. Mit speziellen Aufnahmegeräten messen die Prüfer daher den Verschattungsgrad und berechnen, wie er sich auf den Gesamtertrag der Solarstromanlage auswirkt. Reklameschilder oder Bäume können dem Sonnenlicht im Wege stehen. Aber die Ingenieure von VDE und ISE erkennen auch exotischere Störfaktoren: „Vögel, die auf alten Oberleitungen sitzen, können mit ihrem Mist ganze Modulreihen verschatten“, sagt Schwalm.
Beispiel aus der Praxis
Nicht alle Fehlerursachen sind offensichtlich. Im Herbst 2008 stellten die Fraunhofer-ISE-Mitarbeiter bei zwei Zwei-Megawatt-Solarstromanlagen im spanischen Granada an den Wechselrichterdisplays deutliche Ertragsdifferenzen fest – obwohl alle Cadmium-Tellurid-Module die gleiche Neigung und die gleiche Ausrichtung hatten und in gleich langen Strängen zu gleichen Wechselrichtertypen gelangten. „Unser Generalunternehmer überprüft nun, ob Netzschwankungen für die Leistungsminderung verantwortlich sind“, sagt Commerz-Real-Projektleiter Heinz Wilhelmi, deren Projektgesellschaft die Photovoltaikanlage betreibt.Der zur Commerzbank-Gruppe gehörende Anbieter von Leasing- und Investitionslösungen Commerz Real AG hatte das Fraunhofer ISE bereits bei früheren Solaranlagen mit der Anlagenabnahme beauftragt. „Bei einer Zehn-Megawatt-Solaranlage im bayerischen Pocking stellte das ISE Feuchtigkeit in den Generatoranschlusskästen fest“, berichtet Wilhelmi. Das System ging 2005/2006 mit der damals weltweit größten Leistung von zehn Megawatt in Betrieb. Der Generalunternehmer hat die Mängel daraufhin beseitigt. Hätten die ISE-Mitarbeiter sie nicht erkannt, hätte die Feuchtigkeit vermutlich zur Korrosion der Bauteile geführt.Eine weitere Fehlerquelle sind oft die Solarmodule selber. Sie werden von den Fraunhofer-Mitarbeitern unter die Lupe genommen. Die Wissenschaftler messen die Leistung der einzelnen Modulstränge und rechnen die Messwerte anschließend auf Standardbedingungen hoch, um Abweichungen von der Nennleistung zu erkennen. Um defekte Module zu finden, müssen sie einen noch größeren Aufwand betreiben. Sie lassen dazu eine Wärmebildkamera auf einer mobilen Hebebühne über das Solarfeld schweben. Wo ein besonders hoher Strom fließt, wie bei Hot Spots, oder dort, wo der Sonnenstrom nicht abgeführt wird, haben Module eine andere Temperatur als im Normalbetrieb. Die Infrarotaufnahmen zeigen solche Problemstellen durch eine andere Farbe. Nach der Ertragsüberprüfung schauen sich die Ingenieure die sicherheitsrelevanten Stellen an. Sie überprüfen, ob die elektrische Sicherheit, der Brandschutz und die Statik dem Stand der Technik entsprechen und das Photovoltaiksystem die entsprechendenNormen einhält. Außerdem vergleichen sie das Verhältnis von Solargenerator- zur Wechselrichterleistung und untersuchen, ob die maximal zulässigen Systemspannungen eingehalten werden: Überdimensionierte Wechselrichter erreichen erst bei höheren Einstrahlungswerten gute Wirkungsgrade. Unterdimensionierte Geräte reduzieren dagegen ihre Leistung, was auch den Ertrag der Anlage reduziert. Im schlimmsten Fall wird die maximale Eingangsspannung des Wechselrichters überschritten. Dann brennt das Gerät durch. Die gesamte Abnahme einer Anlage dauert zwei bis drei Tage. Im Anschluss erstellen die Institute einen 60 bis 80 Seiten starken Prüfbericht. Er enthält eine Fotodokumentation, sämtliche Messergebnisse, Kennlinien und eine Bewertung. Nach Behebung der Mängel überprüfen die Ingenieure die Anlage erneut vor Ort. Ist alles in Ordnung, bestätigen sie die einwandfreie Funktion. Vor Ablauf der Gewährleistung bieten die Institute dann auch Wiederholungsprüfungen an. Dabei wird zumBeispiel festgestellt, ob die Leistungsgarantie der Module eingehalten wird.
Kosten, die sich lohnen
Je nach Anlagenstandort kostet die Abnahme 12.000 bis 15.000 Euro. „Das rechnet sich bei größeren Solarstromanlagen auf jeden Fall“, ist Axel Schwalm überzeugt. Denn neben dem Mehrertrag kann man außerdem bei den Kosten für die Versicherung sparen. „Die Mannheimer Versicherung bietet bereits gestaffelte Tarife mit reduzierten Prämien für geprüfte Anlagen an. Die Allianz denkt derzeit über eine entsprechende Reduzierung ihrer Prämien nach“, berichtet Schwalm. Die Kosten für die Anlagenabnahme könnten sich somit allein durch die niedrigeren Prämien rechnen. Auch einige Banken denken bereits über günstigere Darlehen für geprüfte Solaranlagen nach. Als Beispiel nennt Schwalm die Deutsche Bank.Neben Investoren und Betreibern gehören auch Installateure, die auf Nummer sicher gehen wollen, zu den Auftraggebern für die Anlagenabnahme. „Nach dem Geräte- undProduktsicherheitsgesetz haften Installateure schließlich für jegliche Schäden, die durch ihre Produkte entstehen“, sagt Schwalm.
RAL-Gütesiegel und Anlagenpass
Die Anlagenabnahme vom Fraunhofer ISE und dem VDE-Institut ist nicht das einzige Gütezeichen für Solarstromanlagen. So führte das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung aus Sankt Augustin beispielsweise 2005 das RAL-Gütesiegel ein. Die Kriterien dafür sind neben der Qualität der Komponenten, der Planung und der Ausführung des Anlagenbaus auch Service und Betrieb der Anlagen.Der Bundesverband Solarwirtschaft und der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke haben im Oktober 2008 den Anlagenpass für Solarstromanlagen herausgebracht. Er beschreibt die eingesetzten Komponenten und gibt dem Photovoltaikkunden außerdem detaillierte Informationen über die Planung und die Installation seiner Solarstromanlage und ein Protokoll der Abnahmeprüfungen an die Hand.Bei größeren Solarstromanlagen hält VDE-Mitarbeiter Axel Schwalm Zertifikate wie das RAL-Gütesiegel und den Anlagenpass allerdings nicht für ausreichend. „Für diese Zertifikate werden lediglich Informationen und Unterlagen gesammelt, aber keine Tests vor Ort durchgeführt“, sagt er. „Hot Spots und Module, die nicht zusammenpassen, erkennt man aber nur, wenn die Anlage läuft.“