Es ist eher selten, dass eine noch relativ junge und boomende Branche an das spätere Recycling ihrer Produkte denkt. So gesehen ist die Photovoltaikindustrie eine Ausnahme. Schon seit einigen Jahren diskutieren Hersteller, wie sich alte, beschädigte oder fehlerhafte Module einsammeln und recyceln lassen. Getrieben werden sie dabei allerdings weniger vom Umweltbewusstsein, sondern von der Tatsache, dass auch die Ressourcen für Photovoltaikmodule endlich sind: Der Preis für PV-Silizium hat sich seit 2004 etwa verdoppelt.
Cadmium, Tellur und Indium – wichtige Elemente für Dünnschichtsolarzellen – sind in den vergangenen vier Jahren um den Faktor drei bis zehn teurer geworden. Außerdem macht die Politik Druck. Voraussichtlich im Frühjahr 2008 will die EU-Kommission einen Vorschlag veröffentlichen, ob und wie PV-Module künftig unter die Elektronikschrott-Richtlinie fallen und in der Folge von den Herstellern eingesammelt und verwertet werden müssen.
Ein umweltgerechtes und ökonomisches Recycling für Module ist nicht simpel.
Zu den Voraussetzungen gehören: ein flächendeckendes Sammelsystem, eine Sortierung der Altmodule nach Hersteller und Modul-Typ, die Auftrennung in möglichst saubere Materialfraktionen, die Rückführung des Glases in den Floatprozess und eine Wiederverwendung der Siliziumwafer. PV-Module sind komplexe Systeme, in denen eine Vielzahl anorganischer Materialien mit organischen Klebern und Kunststoffen fest miteinander verbunden sind. Um sie aufzutrennen, braucht es thermische, chemische und mechanische Verfahren, die zum Teil erst noch entwickelt werden müssen. „Die in den Produkten verwendeten Stoffe werden in starkem Maße die Recyclingmöglichkeiten und damit die Kosten in der Zukunft beeinflussen“, sagt Dr. Karsten Wambach, Leiter des Geschäftsbereichs Solar Material der Deutsche Solar AG in Freiberg.
Noch ist die Rücklaufmenge an Modulschrott relativ klein. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland derzeit rund 2000 Tonnen Modulschrott anfallen, von denen nur wenige hundert Tonnen stofflich recycelt werden. „Beim Großteil des Schrotts wird nur der Alurahmen entfernt und der Rest als Zuschlag im Wegebau genutzt“, sagt Knut Sander vom Hamburger Ökopol-Institut. Durch den Boom der Solarenergie werden sich die Mengen stark ändern: Allein in Deutschland wird die installierte PV-Leistung zwischen 2007 und 2015 von derzeit etwa 3,9 Gigawatt auf 21 Gigawatt anwachsen, in Europa sogar von 4,4 auf 42 Gigawatt. Ökopol prognostiziert, dass im Jahr 2010 in Europa etwa 8.000 Tonnen Modulschrott verwertet werden müssen, 2020 dann bereits 36.000 Tonnen.
Siliziummodule auf kristalliner Basis beherrschen derzeit den Weltmarkt mit einem Anteil von etwa 85 Prozent. Dennoch gab es lange Zeit nur wenige Informationen über deren ökologischen Lebenszyklus. Eine dieser Lücken schließt eine Untersuchung der Universität Utrecht. Die Wissenschaftler haben gemeinsam mit neun Herstellern Daten gesammelt und ausgewertet, die Aufschluss geben über den Lebenszyklus von Wafern aus kristallinem Silizium. Die Daten umfassen Gewinnung und Verarbeitung des Siliziums bis hin zur Modulherstellung.
Die Ergebnisse sind positiv: Die Kohlendioxid-Emissionen der untersuchten Module liegen zwischen 25 und 40 Gramm pro erzeugter Kilowattstunde Strom. Zum Vergleich: Gas- und Dampfkraftwerke –(GuD) emittieren 400 Gramm CO2, Steinkohlekraftwerke gar 1.000 Gramm pro Kilowattstunde. Ribbon-Module schneiden im Vergleich der verschie denen Typen ökologisch am besten ab: Ihr Einfluss auf die Ozonschicht, auf die Versauerung der Gewässer oder die Bildung von Sommersmog ist niedriger als der von mono- oder polykristallinen Zellen. Die Energierücklaufzeit netzgebundener Systeme ist weit niedriger als noch vor einigen Jahren angenommen: in Südeuropa liegt sie bei 1,5 bis 2,5 Jahren, in Mitteleuropa zwischen 2,2 und vier Jahren. Durch moderne Produktionsverfahren wie beispielsweise Fließbettreaktoren zur Abscheidung des Siliziums oder durch noch dünnere Wafer könnte der Energieverbrauch um weitere 25 Prozent sinken, schätzen die niederländischen Experten.
An die Untersuchung der Niederländer schließt eine Analyse der Deutsche Solar AG an. Sie hat untersucht, wie ökologisch und wie wirtschaftlich das Recycling von Siliziummodulen ist. Das Unternehmen verwertet alte und fehlerhafte Module seit 2003 in einer Anlage am Standort Freiberg – pro Jahr derzeit eine Leistung von rund ein Megawatt (siehe Beitrag S. 32 ff.).
1,6 Jahre Energierücklaufzeit
Die Lebenszyklusanalyse, die die Deutsche Solar und Universität Utrecht gemeinsam durchgeführt haben, zeigt: Obwohl der Prozess viel Chemikalien und Heizenergie verbraucht, rechnet sich das Recycling. Ein Modul aus gebrauchten Wafern benötigt zwei Drittel weniger Energie in der Herstellung als ein Neumodul. Damit sinkt die Energierücklaufzeit von 3,8 auf 1,6 Jahre. Der Vergleich mit der Entsorgung von Modulschrott in der Müllverbrennung oder durch Schreddern – wobei die anorganischen Rückstände deponiert werden – spricht ebenfalls eine klare Sprache: Die negativen Auswirkungen von Verbrennung, Schredder und Deponie auf die Umwelt sind deutlich größer. Um das Recycling künftig noch effizienter zu machen und die Kosten zu senken, will die Deutsche Solar den Energie- und Chemikalienverbrauch weiter senken, indem der thermische Prozess optimiert und die Säurebäder besser ausgenutzt werden.
Noch wenig Erfahrung gibt es mit dem Recycling von Dünnschichtsolarzellen aus Verbindungshalbleitern wie Cadmiumtellurid (CdTe) oder Kupferindiumdiselenid (CIS). Sie spielen auf dem Markt bisher eine kleine Rolle, die Rückläufe sind entsprechend gering. Allerdings werden die in ihrer Herstellung günstigeren Dünnschichtmodule in ihrer Bedeutung wachsen. Vor allem aber enthalten sie Cadmium, Tellur oder Indium – Stoffe, die für Mensch und Umwelt durchaus Gefahren bergen können. „Daher müssen wir uns frühzeitig um deren Recycling Gedanken machen“, sagt Gudrun Sapich von der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) in Berlin.
Die stoffliche Verwertung von Dünnschichtmodulen ist aufwendiger als die von Siliziumzellen. Ein möglicher Weg ist die nasschemische Aufbereitung, wie sie der Hersteller First Solar in den USA durchführt. Dabei wird zuerst der Rahmen entfernt und die Module mechanisch zerkleinert. Die Halbleiterschicht wird mit Säuren vom Glas gelöst und abgefiltert. Das Glas wandert ins Glasrecycling. Der Filterkuchen enthält die Halbleitermetalle, die zunächst durch „Rösten“ in Oxide verwandelt werden. Die gemischten Metalloxide müssen dann in einer Kupferhütte voneinander getrennt und auf die notwendige Reinheit aufbereitet werden. Nach Angaben der Amerikaner gelingt es, mit diesem Prozess 96 Prozent der Module einschließlich des gesamten Metalls aufzuarbeiten. In Brandenburg entsteht derzeit eine Art europäisches Recyclingzentrum für Dünnschichtmodule: Am neuen Standort in Frankfurt an der Oder will First Solar künftig alte Zellen recyceln und die Metalloxide dann in Eisenhüttenstadt bei der neuen Niederlassung der kanadischen Firma 5N Plus aufarbeiten lassen.
Weniger Chemikalien
Die BAM hat in den vergangenen Jahren – gefördert von der EU – im Rahmen des Projekts Resolved untersucht, ob es alternative Aufbereitungsverfahren für CdTe und CIS-Zellen gibt, die mit weit weniger Chemikalien auskommen. Dazu haben die Experten eine Reihe von Verfahren getestet, beispielsweise das Abtrennen der Halbleiterschicht durch Abstrahlen im Vakuum oder durch rein mechanisches Abreiben in einem speziellen Mischer. Aufkonzentriert wurden die Metalle im Hydrozyklon und über Flotation. Die Ergebnisse sind bisher vielversprechend. Um zu untersuchen, ob das entstehende Konzentrat mit rund 70 Prozent CdTe wieder für neue Zellen genutzt werden kann, wurde es versuchsweise bei 5N Plus in Kanada aufbereitet. „Es zeigte sich, dass das Konzentrat auf die hohe Reinheit gebracht werden kann, die für neue Zellen notwendig ist“, resümiert Sapich.
Eine potenzielle Sorge um die CdTe-Module scheint unbegründet: Die Emissionen an gesundheitsschädlichem Cadmium sind minimal. Zu diesem Ergebnis kommt Vasilis M. Fthenakis, Wissenschaftler am amerikanischen Brookhaven National Laboratory, einer Forschungseinrichtung des amerikanischen Energieministeriums. Während des gesamten Lebenszyklus gelangen laut Fthenakis schätzungsweise 20 Milligramm Cadmium pro Gigawattstunde in die Umwelt – in erster Linie bei der Gewinnung des Schwermetalls und der Herstellung der leitenden Schicht. Während Betrieb, Entsorgung und Recycling der Module werde dagegen kein Cadmium freigesetzt. „Diese Emissionen sind insgesamt sehr niedrig“, urteilt Fthenakis. CdTe-Solarzellen bergen seiner Meinung nach damit weit weniger Gefahren für die Umwelt als beispielsweise Nickelcadmium-Batterien.