Welche Erfahrungen haben Sie bei der Sonnenstromfabrik in Wismar mit der gebäudeintegrierten Photovoltaik (BIPV)?
Bernhard Weilharter: Wir sind seinerzeit mit Solrif in die gebäudeintegrierte Photovoltaik gestartet, mit dem Indachsystem von Ernst Schweizer. Darin werden die Solarmodule als Dachhaut installiert. Für Solrif setzen wir grundsätzlich Glas-Glas-Module ein, in verschiedenen Formaten: als 60-Zeller, 54-Zeller oder 48-Zeller. Allerdings ist das Solrif-System in Deutschland nicht so geläufig, das wird eher in Frankreich oder Italien verwendet. In der Schweiz und in Frankreich wird das System sehr erfolgreich verbaut.
Welcher Markt ist in der BIPV vorneweg?
Das Solrif-System wird sehr viel in der Schweiz installiert. Ernst Schweizer hat dort einen eigenen Vertrieb aufgebaut, mit unseren Glas-Glas-Modulen. Zukünftig werden wir in der Schweiz mit drei wichtigen Großhändlern aktiv sein.
Kommt der Markt für Indachsysteme langsam in die Gänge? Oder erkennen Sie eher eine Seitwärtsbewegung?
Wir können für das Solrif-System als Full Black oder als transparentes Glas-Glas-Modul anbieten, zudem können wir mit der Zellmatrix spielen. Das erweitert die Möglichkeiten, zum Beispiel für Wintergärten oder Carports. In Schweden haben wir beispielsweise einen Vertriebspartner gefunden, der solche Indachsysteme unter die Leute bringt. Man kann sagen, dass sich der Markt dreht. Die staatlich garantierte Vergütung spielt eine geringere Rolle. Die BIPV funktioniert am besten in Ländern, die freie Märkte haben. Wo die Kunden nach ästhetischen Ansprüchen entscheiden.
Verwenden Sie für Indachlösungen ausschließlich das Solrif-System?
Wir verwenden auch das Indachsystem der Firma Impegs, eines kleineren deutschen Herstellers. Es eignet sich für rahmenlose Laminate. Man kann es als Kaltdach einsetzen, für Wintergärten oder solare Carports. Es ist wasserdicht und sieht sehr gut aus. Damit planen wir die ersten Tankstellen in Schweden. Bislang haben sie Trapezblechdächer. Künftig sollen sie Impegs-Dächer mit unseren Glas-Glas-Modulen bekommen.
Warum Glas-Glas-Module und nicht die preiswerteren Glas-Folie-Laminate?
Auch dort geht es um ästhetische Aspekte. Es muss einfach gut aussehen. Wir können mit der Zellmatrix spielen, also die Semitransparenz der Module einstellen. Mit Glas-Folie geht das nicht. So können wir zum Beispiel eine 48er-Zellmatrix im Format eines 60-Zellen-Moduls unterbringen. Außerdem können wir bei Glas-Glas-Modulen mit rahmenlosen Laminaten arbeiten und so die Optik zusätzlich aufwerten.
Welche Möglichkeiten für die BIPV sehen Sie als Modulhersteller außerdem?
Wenn wir vom Schrägdach oder vom Satteldach weggehen, sind natürlich vor allem die Fassaden interessant. In Frankreich haben wir mit Miramas einen für uns wichtigen Meilenstein setzen können. Aktuell planen wir weitere Projekte in Holland und Skandinavien. In Deutschland ist das regulatorische Umfeld kompliziert. In Stuttgart haben wir mit der Firma Galaxy einen Partner gefunden, der uns bei der Planung solcher Solarfassaden hilft und das notwendige Wissen aufbaut.
Was ist bei der Planung die größte Herausforderung?
Es gibt innerhalb Deutschlands kein einheitliches Regelwerk. Eigentlich braucht man eine bauaufsichtliche Zulassung, das wird von den Behörden gefordert. Andernfalls müssen Sie die Wind- und Soglasten bei jeder Fassade neu nachweisen.
Gläser werden auch an Fassaden installiert. Kann man die dafür geltenden Normen nicht auch für Solarmodule nutzen?
Unsere Solarmodule bestehen aus zwei teilvorgespannten Gläsern, zwischen denen sich das Laminat befindet. Das entspricht dem Verbundsicherheitsglas, das Sie mit einer bauaufsichtlichen Zulassung abdecken können. Diese Zulassung wird durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) erteilt. Der Prozess ist sehr aufwendig, extrem teuer und vor allem sehr starr. Sobald Sie das Format des Moduls ändern, und sei es nur um einen Zentimeter, gilt die Zulassung nicht mehr. Oder Sie verwenden andere Solarzellen, weil Sie höhere Leistungen aus dem Modul holen wollen. Wenn Sie irgendeine Kleinigkeit am Modul verändern, wird die Zulassung hinfällig.
Also landen Sie wieder bei der Einzelzulassung …
Genau. Es gibt noch andere Aspekte. Eine besondere Herausforderung ist der Brandschutz. Jede Solarfassade muss hinterlüftet sein. Zugleich fordert Brandschutz, dass sich hinter den Modulen keine Flammen bilden können. Durch den Kamineffekt könnte sich ein Brand sehr schnell ausbreiten. So gesehen, kann die Planung einer Solarfassade sehr komplex werden. Deshalb wollen wir verstärkt mit Partnern wie Galaxy in Stuttgart kooperieren.
Welche weiteren Partner stehen Ihnen zur Seite?
Wir haben eine Partnerschaft mit dem bekannten Glashersteller AGC Interpane, der eine eigene Sparte für die BIPV unterhält. Die Spezialisten dort bauen ganz verrückte Projekte, mit XL-Modulen und Glasstärken von acht Millimetern, wo ein Panel mehrere Hundert Kilogramm wiegt. Das können wir bei CS Wismar nicht prozessieren. Also geben wir solche Anfragen an AGC Interpane weiter. Im Gegenzug bekommen wir alle Anfragen, die sich mit unseren Produkten gut realisieren lassen.
Wo sehen Sie Ihre Chance für den weiteren Ausbau von Solarfassaden?
Wir sind schon jetzt in der Lage, die Modulformate an die Vorgaben der Architekten anzupassen. Auch die Dicke der Laminate können wir variieren. Unsere Chance sind die hohen Quadratmeterpreise, die Sie für bestimmte Fassadenprodukte hinblättern müssen. Nicht selten liegen sie um ein Mehrfaches über den Preisen der Solarmodule. Bisher sind die Solarfassaden eher eine Nischenlösung, die nur kleinere Modulmengen abfordert, oft mit Sondermaßen. Die Architekten brauchen keine Module von der Stange, das ist ein anderes Geschäft.
Wie wollen Sie Ihre Produkte noch attraktiver gestalten?
Künftig wollen wir farbige Module anbieten, in Farbvarianten, die nicht allein aus den Zellen oder der Rückseitenfolie kommen. Die Farben werden per Siebdruck auf das Frontglas aufgebracht, von Dunkelgrau über viele Farben bis hin zu Weiß. Die damit verbundenen Verluste in der elektrischen Leistung werden von den Architekten und den Bauherren durchaus akzeptiert.
Wie entwickelt sich die Nachfrage vonseiten der Architekten?
Das Interesse bei den Architekten wächst. Aber sie machen nur ungern Kompromisse bei der Gestaltung. Das schränkt den Kreis der möglichen Projektpartner und Lieferanten ein, und es treibt die Preise in die Höhe.
Wie meinen Sie das?
Je früher der Fassadenplaner die Photovoltaik in seine Überlegungen einbezieht, desto größer sind die Chancen auf eine wirtschaftliche Lösung. Nichtwissen ist der größte Preistreiber. Am teuersten schlagen Sonderformate oder Farben zu Buche. Viele Fassaden könnte man aber mit verfügbaren Solarprodukten und Standardlösungen bauen, wenn man sich rechtzeitig damit befasst. Das wiederum böte uns mehr Masse und die Möglichkeit, die Preise in der Fertigung zu senken.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Solaxess
Weiße Solarmodule verschwinden optisch in der Fassade
Das Schweizer Unternehmen Solaxess hat die erste Fassade mit weißen Solarmodulen ausgestattet. Bisher galt es als physikalisch unmöglich, überhaupt Photovoltaik in Weiß anzubieten. Doch Forscher aus Neuchâtel haben mit Solaxess eine Folie entwickelt, die vor dem Laminieren auf das Modul gelegt und verschmolzen wird.
Die Folie hat die Eigenschaft, nur das sichtbare Lichtspektrum zu reflektieren. Der infrarote Anteil wird zur Stromproduktion genutzt. Denn er ist für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar und damit auch nicht farbbildend. Auf diese Weise entsteht ein komplett weißes Modul.
Vor wenigen Wochen haben Solarteure 52 monokristalline Paneele an die weiße Fassade eines Mehrfamilienhauses in Boudry, südwestlich von Neuchâtel, installiert. Der Freiburger Hersteller SI Module hat sie mit der Spezialfolie von Solaxess versehen. Die Module wurden nach den Abmaßen hergestellt, die der Architekt wünschte. Die Solarfassade erzeugt etwa 3.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Sie versorgt die Wärmepumpe, die Gemeinschaftsräume sowie die Hauselektrik.
Dr. Bernhard Weilharter
ist Geschäftsführer der CS Wismar GmbH. Nach seiner Promotion startete er zunächst eine berufliche Laufbahn bei Bosch Siemens Hausgeräte. Danach wechselte er in die Strategieberatung der Accenture AG. Danach erfolgte der Wechsel zur Palfinger AG, einem Anbieter von Lkw- und Marinekränen. Dort entwickelte er sich innerhalb kurzer Zeit zum Leiter der Konzernstrategie. Parallel absolvierte er eine berufsbegleitende Ausbildung zum Krisen- und Sanierungsmanagement. Nach Abschluss des Studiums wechselte er zum Unternehmenssanierer Wieselhuber & Partner und übernahm als Chief Restructuring Officer leitende Funktionen. 2014 ging er zur Pari Group, einer Industrieholding mit den Schwerpunkten Energieeffizienz und erneuerbare Energien. In dieser Tätigkeit verantwortete er den Kauf des heutigen Modulwerks der CS Wismar GmbH. 2016 stieg Weilharter bei der Pari Group aus und übernahm die Geschäftsführung der CS Wismar GmbH.