Der Umstieg auf die Elektromobilität ist scheitert für viele an der Hürde, dass sie nicht wissen, wo sie ihr Auto laden können. Zwar geht der Ausbau der Ladeinfrastruktur erklecklich voran. Doch vor allem in Städten, wo die Mehrheit der Menschen in Mehrfamilienhäusern wohnt und ihr Auto im öffentlichen Straßenraum parkt, ist die Skepsis groß. Selbst wenn Ladesäulen in der Nähe vorhanden sind, ist nicht selten die Angst vorhanden, dass die Ladeplätze besetzt sind und man ohne Fahrstrom bleibt, wenn man das Auto braucht.
Auswirkungen auf das Verteilnetz untersucht
Eine Variante zumindest für einen großen Teil der betroffenen Autobesitzer ist das Laden am Arbeitsplatz. Doch hier steht die Frage im Raum: Verursacht das gleichzeitige Laden von vielen Elektroautos am Arbeitsplatz Probleme im Verteilnetz? Diese Frage haben die Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft im Rahmen eines Selbsttests beantwortet.
Dazu haben sie im Rahmen des Projekts LamA – Laden am Arbeitsplatz gemeinsam mit Partnern an 36 Fraunhofer-Instituten insgesamt 480 Ladepunkte aufgebaut. An drei der Institute in Freiburg, Stuttgart und Dresden wurde das Ladeverhalten der Mitarbeiter zusammen mit den Auswirkungen auf das Verteilnetz wissenschaftlich untersucht. Dazu wurden allein am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg 20 Ladestationen installiert. Diese wurden mit einem Lademanagement gesteuert.
Laden m Arbeitsplatz – eine optimale Anwendung
Mit einem abschließenden Praxistest haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und BN Netze, eine Tochter des Energieversorgers Badenova, nachgewiesen, dass eine intelligente Steuerung im Netzleitsystem das Verteilnetz vor einer Überlastung schützt, wenn viele Nutzer gleichzeitig ihr Fahrzeug laden möchten. „LamA ist ein Pilotmodell mit dem Ziel, den Berufspendlerverkehr zu dekarbonisieren“, beschreibt Jörn Schumann vom Projektteam des Fraunhofer ISE das Ziel der Untersuchung. „Das Laden von Elektrofahrzeugen am Arbeitsplatz ist ein optimaler Anwendungsfall: Das Privatfahrzeug steht ja ohnehin den ganzen Tag über auf dem Firmenparkplatz. Durch die Implementierung von Ladesäulen auf Unternehmensparkplätzen kann die Elektromobilität zur massentauglichen Alternative werden. Zudem lassen sich die Ergebnisse des Projekts auch auf andere Anwendungsfelder wie Einkaufszentren oder Tankstellen übertragen.
Nutzeranforderungen berücksichtigt
Allerdings ist es wichtig, dass das Laden intelligent gesteuert wird. Denn würden alle Nutzer ihr Fahrzeug gleichzeitig laden, könnte die Lastgrenze am Trafo überschritten werden. Um eine Überlastung des Verteilnetzes durch massive Leistungsspitzen und damit eventuelle Schäden an der Infrastruktur zu vermeiden, muss die Ladeleistung durch eine Steuerungslogik geregelt werden.
Zentral ist hier ein Ladealgorithmus, der einen Plan erzeugt, wann welches Auto mit welcher Leistung geladen wird. Neben Lastprognosen, die für das Netz relevant sind, werden hier auch Nutzeranforderungen wie die gewünschte Abfahrtszeit berücksichtigen. Das Lademanagement überwacht und steuert den Ladevorgang. Es reagiert zudem auf externe Steuersignale bei einer drohenden Überlastung des Netzes. Dann wird die Ladeleistung reduziert. „Diese Betriebsweise führt zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Ladeleistung über den Tag und verringert auf Systemebene Netzausbaukosten“, erklären die Freiburger Forscher.
Über die Grenze hinaus gegangen
Für den Praxistest haben die Wissenschaftler des Fraunhofer ISE das System an die Grenzen geführt. Denn sie haben die Last an der Ladeinfrastruktur absichtlich erhöht, um Grenzwertverletzungen zu simulieren. Hier ging es darum, wie das System tatsächlich im Stresstest reagiert. Es hat bestanden. Denn sobald die Grenzwerte verletzt wurden, kam sofort das Signal, dass die Ladeleistung gedrosselt werden muss, was das Lademanagement dann umgesetzt hat. „Praxistest zeigte erfolgreich, dass die E-Fahrzeuge die verbleibende Kapazität des Netzanschlusses ausnutzen können, um gezielt die Ladewünsche umzusetzen“, haben die Forscher des Fraunhofer ISE mit ihrem Projekt bewiesen.
Vorteile gegenüber der öffentlichen Ladeinfrastruktur
Für BN Netze ist es nicht der erste Stresstest, den das Unternehmen mit Blick auf die Elektromobilität durchführt. „Wir haben bereits in mehreren Projekten und Feldversuchen die Überwachung und Steuerung von Elektroladeladesäulen und privaten Ladestationen getestet und optimiert. Das Laden am Arbeitsplatz ist ein intelligenter Ansatz, der gegenüber dem willkürlichen Aufstellen von Ladesäulen im öffentlichen Raum viele Vorteile bietet“, betont Lukas Smoluch, der von Seiten der Badenovatochter das Projekt am Fraunhofer ISE geleitet hat. (su)
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