Im normalen Betrieb müssen Kraftwerke immer wieder vom Netz genommen werden, was zu erheblichen Ausfallzeiten führt. Wegen der Unterbrechungen, die in erster Linie nicht durch Unfälle, sondern etwa durch notwendige Brennstoffwechsel, Wartungen von Anlagen oder gestiegene Sicherheitsanforderungen verursacht werden, kann rund ein Drittel der Kapazität aller Kernkraftwerke nicht zur Stromerzeugung genutzt werden. „Kernkraft ist nicht vollständig beherrschbar und auch nicht konstant verfügbar“, summiert DIW-Studienautor Ben Wealer. „Wegen langer, geplanter und ungeplanter Ausfallzeiten sind Backup-Kapazitäten notwendig. Damit ist Kernkraft als Energielieferant auch aus ökonomischer Sicht nicht zukunftsträchtig.“
Frankreich: hohe Ausfallzeiten von Atommeilern
Dass die Risiken der Kernkraft oft unterschätzt werden, liegt den Forschenden zufolge auch daran, dass es keine einheitliche Bewertungsskala für Kernenergie-Unfälle gibt. Ursache dafür sei eine inkonsistente technische und sozioökonomische Bewertung der Zwischenfälle. Hier sollten stattdessen empirische Bewertungsmodelle zum Einsatz kommen.
Die DIW-Studie nimmt exemplarisch die Kernkraftwerke in Frankreich und Deutschland unter die Lupe. In Frankreich, dem nach den USA weltweit zweitgrößten Produzenten von Strom aus Kernenergie, ist die Ausfallrate von Atommeilern recht hoch: Seit den 1970er Jahren wurden mehr als 30 Prozent der Kapazitäten nicht genutzt. Auch in Deutschland werden immer wieder erhebliche Ausfallzeiten registriert. Die Kapazitätsauslastung liegt aber bei mehr als 70 Prozent und damit über der von Frankreich und dem weltweiten Durchschnitt von 66 Prozent. Gerade in Frankreich konnte im Detail gezeigt werden, dass selbst geplante Ausfallzeiten ungewollte Schwankungen in der Stromerzeugung verursachen und Kernkraft somit die Grundlast nicht decken kann.
Modelle vernachlässigen Sicherheitsrisiken
Das Unglück von Fukushima hat den Bedeutungsrückgang von Kernkraft für die internationale Energiewirtschaft weiter beschleunigt. Derzeit liegt ihr Anteil an der globalen Stromerzeugung bei lediglich rund zehn Prozent – Tendenz fallend. Entgegen den empirischen Beobachtungen rückläufiger Investitionen messen Energiesystemmodelle der Kernkraft vor allem wegen geringerer CO2-Emissionen aber zum Teil eine wachsende Bedeutung in der Zukunft bei.
Diese Modelle vernachlässigen der Studie zufolge aber die hohen Sicherheitsrisiken und die fluktuierende Fahrweise der Kernkraftwerke. „Diese Aspekte sollten in der energiewirtschaftlichen Analyse aber konsequent berücksichtigt werden“, fordert Studienautorin Claudia Kemfert. „Viele Energie- und Klimamodelle lassen außer Acht, dass die Risiken der Kernkraft seit jeher von der Gesellschaft getragen werden, da sie bis heute in keinem Land der Welt abgesehen von eher symbolischen Haftpflichtversicherungen der Kraftwerksbetreiber versicherbar sind.“ (nhp)
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