Nach dem Scheitern der Gespräche der Parteispitzen von SPD, B90/Grüne und FDP stehen die Zeichen auf baldige Neuwahlen. Nach dem Rauswurf der FDP aus der Regierung werden die beiden verbliebenen Koalitionspartner wahrscheinlich in einer Minderheitsregierung weitermachen und dabei auf die Duldung der CDU/CSU bauen.
Ob das gelingt, wird sich zeigen. Doch was bedeutet die Situation für die Solarwirtschaft und den weiteren Ausbau der Photovoltaik? Klar ist, Christian Lindners Frontalangriff auf die Solarförderung und den Klimaschutz – ob erst gemeint oder nur als taktisches Manöver aufgestellt, um den Bruch der Ampelregierung zu provozieren, sei hier dahingestellt – wird so nicht Realität werden. SPD und B90/Grüne werden an den bisherigen Ziele festhalten.
Solarenergie ist Wirtschaftsfaktor
Doch nun könnte die Union das Zünglein an der Waage werden. Die Solarwirtschaft fordert alle politischen Parteien auf, beim Fortgang der dezentralen Energiewende an einem Strang zu ziehen. „Eine erfolgreiche Energie- und Klimaschutzpolitik benötigt ausreichende Gestaltungsspielräume und handlungsfähige Mehrheiten im Bundestag“, betont Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW Solar). „Für die Stromversorgung unseres Landes ist die Solartechnik inzwischen systemrelevant. Mit ihren rund 150.000 Jobs und einem Jahresumsatz von rund 25 Milliarden Euro ist sie zugleich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Jede parteitaktische oder ideologische Verzögerung gefährdet die Versorgung von Industrie und Wirtschaft mit günstigem Strom aus erneuerbaren Energien“, warnt Körnig, auch mit Blick auf die kommenden Monate des Wahlkampfes.
Parteiübergreifend Kompromisse finden
Er appelliert im Namen des BSW Solar und als Stimme der Solar- und Speicherbranche an die Mitglieder des Deutschen Bundestages, jetzt parteiübergreifend Entscheidungs- und Kompromissfähigkeit bei wichtigen energiepolitischen Fragestellungen zu beweisen. Sie sollten für Investitionssicherheit in der Energiewende sorgen und den Abbau von Marktbarrieren fortführen. „Die Solar- und Speicherbranche erwartet von allen seriösen Parteien schon im Wahlkampf ein klares Bekenntnis zur Fortführung des Ausbaus der Solarenergie als systemrelevanter, günstigster und beliebter Energieerzeugungstechnik“, betont Carsten Körnig.
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Verunsicherung vermeiden
Gleichzeitig warnt er vor einer Verunsicherung von Wirtschaft und Verbrauchern. Diese müsse unbedingt vermieden werden. „Sie würde die Versorgung mit günstigem Grünstrom gefährden. Für das Erreichen der bereits in der großen Koalition vereinbarten Klimaschutzziele ist das ebenso elementar wie für eine erfolgreiche Zukunft der Solar- und Speicherbranche in Deutschland. Dies ist ein gesamtgesellschaftliches Anliegen, wie auch Meinungsumfragen belegen“, betont der BSW-Solar-Chef.
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Vorgesehene Maßnahmen bis Dezember verabschieden
Ähnliche Forderungen kommen auch von Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). „Das Ende der Ampelkoalition während der aktuellen nationalen, europäischen und internationalen Herausforderungen ist ein politischer Offenbarungseid“, sagt sie. „Im Energiesektor hat die Koalition richtige Weichen gestellt und die Grundlage für Unabhängigkeit, Versorgungssicherheit und Preisstabilität geschaffen. Es kommt jetzt darauf an, dass die bereits im Verfahren befindlichen Gesetze und Haushaltsmittel für die Kontinuität der Energiemaßnahmen noch bis Dezember verabschiedet werden. Stillstand und Hängepartien können wir uns auch in einer politischen Krise nicht leisten.“
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Union liebäugelt mit Kernenergie
Ob hier die Union mitspielt, bleibt zu hoffen, ist aber nicht sicher. Jenseits der Wahltaktik hat deren Vorsitzender Friedrich Merz die Ansätze von Christian Lindner gelobt. Einige von ihnen seien auch mit den Positionen der Union vereinbar. Auf dem Energiekongress der Union am 5. November 2024 haben die CDU- und CSU-Vertreter schon mal durchblicken lassen, in welche Richtung ihre Energiepolitik weisen würde. Hier war viel von Technologieoffenheit die Rede.
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Dies bedeutet eine Hinwendung zur Kernfusion, wie viele Redner auf dem Kongress betonen. Man liebäugelt aber auch wieder mit der Kernspaltungstechnologie. Den Wiedereinstieg in die Atomkraft ist aber keine neue Forderung der Union. Ob sich so die Kosteneffizienz erreichen lässt, die die Union bei der Energiewende fordert, bleibt abzuwarten – abgesehen von den weiteren Herausforderungen, die mit der Kernenergie verbunden sind, bei denen die Union extrem vage bleibt.
Klimaschutzziele bleiben
Immerhin wollen CDU und CSU das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nicht streichen. Auch das Bekenntnis zu erneuerbaren Energien ist ein zentraler Punkt in einem Positionspapier der Unionsfraktion im Bundestag, das die Diskussionsgrundlage für den Energiekongress darstellte. Doch klar ist auch, dass die Solar- und Windkraft nicht mehr im Mittelpunkt der Energiewende stehen solle. Hier sollte Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie ebenfalls wieder stärker berücksichtigt werden. Der Ausbau der Wasserstofftechnologie steht ebenfalls nicht auf dem Prüfstand.
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Bürger an der Energiewende weiter beteiligen
Sogar fortschrittliche Ansätze lassen CDU und CSU zu. So ist die Rede von einer Stärkung des Energy Sharings, also des Teilens von Solarstrom innerhalb von Kommunen und Quartieren, und des Mieterstroms. Damit sollen die Bürger stärker an der Energiewende teilhaben können.
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Ungemach droht den Bürgern aber gleichzeitig durch die abermalige Eröffnung der Diskussion um die Energiewende im Heizungskeller. So wolle die Union das Heizungsgesetz wieder zurücknehmen und statt dessen den Verbrauch fossiler Brennstoffe mit einem höheren CO2-Preis belegen. Immerhin stellt sie einen Sozialausgleich in Aussicht. Doch das haben die Ampelkoalitionäre in ihrem Vertrag ebenfalls schon getan, was die FDP aber bisher erfolgreich zu verhindern wusste.
So bleibt Vieles wage, was die Union in Sachen Energiewende verfolgt. Doch immerhin will sie diese nicht komplett aushebeln. (su)