Die Solar- und Speicherforschung muss viele Themen gleichzeitig bearbeiten. Wie breit kann so eine Forschungslandschaft aufgestellt sein?
Ich denke, wir haben eine hervorragend aufgestellte deutsche Forschungslandschaft. Das sieht man immer wieder auf dem PV-Symposium in Bad Staffelstein und natürlich auch auf den Konferenzen in ganz Europa. Wir sehen einen klaren Trend, dass die Photovoltaik nicht isoliert forscht, sondern dass es hin zur Kooperationsforschung geht.
Wie weit geht eine solche Kooperationsforschung schon?
Wir haben beispielsweise inzwischen eine gute Kooperation mit den Energieversorgern und Netzbetreibern in Deutschland. Da hat sich die Zusammenarbeit wesentlich verbessert. Das war zu Beginn von Bad Staffelstein anders.
Ist auch mehr internationale Kooperation notwendig?
Natürlich ist es wichtig, dass wir international kooperieren. Für uns ist vor allem die Kooperation innerhalb der EU sehr wichtig, da wir damit gute Ergebnisse erreichen. Bei vielen Themen arbeiten die europäischen Institute auch schon eng zusammen. Die Kooperation mit China hingegen ist sehr schwierig geworden, und wir wissen derzeit auch nicht, wie es in den USA weitergeht. Das ZSW hat auch Kooperationen mit Partnern in Amerika. Doch da spüren wir derzeit eine gewisse Unsicherheit. Dazu kommt noch, dass es derzeit keinen Bundeshaushalt gibt und deshalb Programme der Photovoltaik- und Batterieforschung stark reduziert sind.
Wie wichtig ist die Finanzierung durch den Haushalt?
Es ist essenziell, dass die Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien weiter gefördert werden. Denn die Akteurslandschaft ist im Gegensatz zu anderen Branchen kleinteilig – daher können einzelne Akteure nur wenig selbst in die Forschung investieren. Die Branche ist dennoch wichtig, mit einer Brutto-Beschäftigung im Jahr 2023 von rund 400.000 Menschen für alle Erneuerbaren und rund 100.000 Menschen im Bereich der Photovoltaik. Gleichzeitig können große volkswirtschaftliche Verluste vermieden werden, wenn Photovoltaikanlagen effizient arbeiten und daher günstigeren Solarstrom erzeugen. Eine starke Forschung für Photovoltaikkomponenten und Systeme ist volkswirtschaftlich ein Gewinn. Wir hoffen, dass die neue Regierung schnell gute Lösungen findet und für fairen Wettbewerb sorgt.
Wie viel Forschung kann die Industrie finanzieren?
Hier gilt es zu differenzieren. Einerseits gibt es Forschungsprojekte, die sehr nah an der Anwendung sind. Hier ist es sinnvoll, mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Derzeit ist die Industrie in Europa aber eher umsatzschwach und kann entsprechend weniger in die Forschung investieren als ein riesiger chinesischer Modulhersteller. Zudem muss die Industrie ohnehin einen gewissen Eigenanteil der Gesamtkosten eines Forschungsprojekts mit den Instituten tragen. Aber im Moment kann sie sich das nicht in dem Umfang leisten, wie es notwendig ist. Wir brauchen, um unser Energiesystem sicher zu entwickeln, mehr Forschungsförderung, und wir müssen die Forschungsförderung zulassen, die relativ wenig von der Industrie kofinanziert wird.
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Und andererseits?
Andererseits müssen wir aber auch weiter an den Grundlagen forschen. Dies funktioniert wie ein Trichter. Zunächst wird sehr breit über alle Bereiche hinweg geforscht. Doch nicht alle Ergebnisse werden dann auch weiterentwickelt und kommen zur Anwendung. Deshalb ist es wichtig, dass wir mehr Forschungsförderung in das System investieren, damit wir die Unabhängigkeit der Energiewende, die Datensicherheit und einen fairen Wettbewerb erreichen. Wenn dadurch die Umsätze der Unternehmen wieder steigen, kann die Forschungsförderung wieder strenger reguliert werden.
Welche nächsten Forschungsschritte stehen jetzt an?
Ganz oben auf der Agenda steht die Funktionalität von Hybridkraftwerken. Hier geht es um die Weiterentwicklung von Leistungselektroniksystemen, das Leistungsmanagement und die Netzintegration. Dies muss auch regulatorisch geöffnet werden, dass Solar- und Windkraftwerke an einem Netzanschlusspunkt möglich werden. Wichtige Forschungsfelder sind auch KI- und prognosegestützte Steuerung der Anlagen inklusive der Ausregelung von Bilanzkreisen. Außerdem ist viel Forschung zur Erschließung weiterer Flächen für die Photovoltaik notwendig. Wichtig sind auch Tandemsolarmodule und Produktionstechnik in der gesamten Wertschöpfungskette. Solche Themen standen in Bad Staffelstein immer schon zuerst und ganz oben auf dem Programm.
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Welche Rolle wird die KI tatsächlich im Energiesystem der Zukunft spielen – auch mit Blick auf die Datensicherheit?
Die KI ist nicht mehr wegzudenken. Sie ist schon längst im System vorhanden. Es ist nicht mehr die Frage, ob sie ins Energiesystem kommt, sondern nur noch eine Frage, wie weit sie das Energiesystem steuern wird. Wir nutzen künstliche Intelligenz zum Beispiel für Wind- und Solarprognosen und für Lastprognosen. Das ZSW hat zum Beispiel mit Gridsage eine Software entwickelt, die schon bei 25 Stadtwerken läuft und die KI-gestützt Last- und Erzeugungsprognosen liefert. Zukünftig werden auch Neuaufbauten, wie beispielsweise im ehemaligen Katastrophengebiet des Ahrtals, damit ausgerüstet. Dadurch erhöht sich die Transparenz für zukünftige Lastflüsse im Netz – der Netzbetrieb bleibt trotz fluktuierender Erzeugung stabil. In dieser Software steckt die KI schon drin. Wirklich neu ist, dass die KI auch beispielsweise in die Anlagenüberwachung mit integriert wird. Hier werden große Datenmengen automatisch ausgewertet. Auch für den Produktionsprozess spielt die KI eine immer wichtigere Rolle.
Wie unterstützt die KI in der Forschung?
Ich begrüße die Digitalisierung mit KI. Mir sind zwar die Gefahren bewusst. Aber ich leite zum Beispiel am ZSW einen eigenen Digitalisierungsarbeitskreis, mit dem wir Prozesse mit künstlicher Intelligenz digitalisieren. Wir entwickeln unter anderem einen eigenen Chatbot, der innerhalb des Instituts die Kommunikation vereinfacht. Die KI kann aber auch in der Forschung unterstützen, indem sie unsere Daten auswertet. Sie kann sehr schnell viele wissenschaftliche Publikationen auswerten und nach bestimmten Fragestellungen abscannen. Die KI kann keine neuen Fragestellungen kreieren. Aber sie kann Prozesse erheblich beschleunigen.
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Das ZSW hat ja den Wasserstoff schon im Namen. Welche Forschungen sind in diesem Bereich notwendig, um grünen Wasserstoff ins System zu bringen?
Es gibt inzwischen schon eine Reihe größerer nationaler Wasserstoffpläne inklusive Ausbau der Leitungen. Doch wir müssen den grünen Wasserstoff auch produzieren, nicht nur im Ausland, sondern auch lokal. An dieser Stelle ist die Weiterentwicklung der Elektrolyse und deren Kopplung mit Solar- und Windkraftwerken ein entscheidendes Forschungsthema. Daran arbeiten wir auch am ZSW mit unseren Elektrolysetechnologien und Elektrolysetestzentren. Wir testen im Moment in unserem Institut riesige Elektrolyseure, die wir zum Teil mit 20.000 Ampere betreiben. Dies sind dann Schritte, um zum Hybridkraftwerk zu kommen, das nicht nur eine Batterie, sondern mit einer lokalen Elektrolyseeinheit auch einen langfristigen Speicher enthält. Dieses Feld ist auch interessant für viele Unternehmen, die jetzt im Umfeld des Verbrennungsmotors als Zulieferer agieren und sich neue Betätigungsfelder suchen müssen. Schließlich beinhaltet die Elektrolyse unter anderem Details wie Gaszuführungen oder Dichtungssysteme. In diesen Bereichen haben diese Unternehmen viel Erfahrung.
Spielt die Verbrauchsseite auch eine Rolle in ihrer Forschung?
Ja, die Brennstoffzellenforschung ist ebenfalls ein entscheidendes Thema. Hier geht es um die verschiedenen Möglichkeiten der Nutzung, beispielsweise für die Mobilität. Wir müssen die Brennstoffzellentechnologie dringend weiterentwickeln. Da geht es unter anderem darum, neue Materialien zu entwickeln, um die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken, Langzeitstabilität zu verbessern und vor allem um eine Produktion skalieren zu können. Das ZSW betreibt beispielsweise eines der größten nicht kommerziellen Brennstoffzellentestlabore inklusive der erforderlichen Wasserstoffanalytik. Vor kurzem haben wir auch eine manufakturartige Brennstoffzellenfabrik in Betrieb genommen, die diese effiziente Technologie mit Optimierungen zur Produktionstechnologie unterstützt.
Das Gespräch führte Sven Ullrich.
Lesen Sie im ersten Teil unserer zweiteiligen Interviewserie mit Prof. Michael Powalla, wie die Solar- und Speicherforschung in Deutschland aufgestellt ist und wie sie weiter international mithalten kann.