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Michael Powalla vom ZSW: „Wir haben eine hervorragend aufgestellte deutsche Forschungslandschaft“

Die Solarbranche trifft sich in diesem Jahr zum 40. Mal im Kloster Banz. Die Forschung spielte von Anfang an immer eine große Rolle. Was ist – jenseits der wissenschaftlichen Expertise – für einen erfolgreichen Wissenschaftsstandort notwendig?

Michael Powalla: Essenziell ist: Wir brauchen einen starken Heimatmarkt. Also einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien und damit der Photovoltaik als eine der beiden Säulen der zukünftigen Stromerzeugung. Wir brauchen die Regularien und auch die dafür passende Politik, um diesen Ausbau zu ermöglichen. Die Anlagenbauer und Betreiber müssen auf geeignetes Wissen und Methoden zurückgreifen können, um hochwertige Module auszuwählen und einzusetzen sowie einen rund 30-jährigen Betrieb zuverlässig begleiten zu können. Dazu braucht die angewandte Forschung die Unterstützung der Politik. Der Photovoltaikstandort Deutschland kann durch die Forschung alleine nicht aufrechterhalten werden. Deshalb muss der Markt hierzulande vorhanden sein und weiter wachsen. Darüber hinaus müssen wir auch die Herausforderungen des Gesamtenergiesystems in den Griff bekommen.

Was bedeutet das für die Photovoltaikforschung und deren Präsenz auf dem PV-Symposium?

Die Photovoltaik muss mehr Verantwortung für die Energieversorgung unseres Industrielandes übernehmen. Wir müssen das Zusammenspiel von Photovoltaik, Windkraft, Speichern und flexiblen Verbrauchern orchestrieren. Netzanschlusspunkte für Großanlagen können so effizienter genutzt werden, die Stromerzeugung kann verstetigt werden. Weiterhin können die Verbraucher durch Reaktion auf flexible Tarife ihren Teil beitragen, das Energieangebot effizient zu nutzen. Damit werden die heutigen Herausforderungen wie Dunkelflauten und Spitzenlasten gelöst.

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Was kann die Forschung dazu beitragen?

Vor uns steht die Aufgabe der Speicherintegration und der Ertüchtigung der Netze sowie der besseren Steuerung von Lasten und Erzeugungsanlagen. Dazu kann die Photovoltaikforschung sehr viel beitragen. Deshalb wird dies auch auf dem PV-Symposium wieder einer der Schwerpunkte sein. Zusätzlich dazu werden Weiterentwicklungen in den Bereichen Software, KI-basierter Steuerung und Prognose von Erzeugung und Energieflüssen im Netz sowie neue Entwicklungen aus der Solartechnik, der Speichertechnik und der Netzintegration und der Netzoptimierung präsentiert.

Das Themenspektrum ist in den vergangenen 40 Jahren immer breiter geworden. Wie notwendig ist dies?

Inzwischen geht es nicht mehr nur um die Solartechnik. Inzwischen geht es darum, die Systeme technisch zu optimieren, aber auch volkswirtschaftlich zu optimieren, sodass die Photovoltaikanlagen in das Energiesystem passen. Das heißt, da kommen immer mehr neue Beteiligte in das System wie Stadtwerke, Bilanzkreisverantwortliche, Netzbetreiber und andere. Das war vor 40 Jahren noch nicht so. Deshalb brauchen wir auch ein vernünftiges Marktdesign, sowohl technisch als auch ökonomisch. Wir müssen dafür sorgen, dass die einzelnen Komponenten des Energiesystems aufeinander abgestimmt sind.

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Welche Bedeutung hat eine heimische Industrie für den Aufbau eines zukünftigen Energiesystems und die Forschung?

Eine enorme Bedeutung. Denn wir müssen resilienter werden. Ohne heimische Industrie werden wir mittelfristig technologisch den Anschluss verlieren. Anwendung und Forschung sind auf die Rückkopplung mit der Industrie angewiesen. Zudem gibt es große Exportchancen für unseren Maschinenbau und unsere Ausrüsterindustrie beispielsweise in Indien oder anderen Regionen. Wir haben viele Millionen Anlagen in Deutschland in Betrieb. Es gibt sehr viele Produkte am Markt. Diese müssen qualitativ hochwertig sein. Das heißt, wir müssen die Qualität der Module überwachen, um auch die Finanzierbarkeit der Projekte durch die Banken sicherzustellen. Dazu sind neue Messverfahren notwendig. Wie in den vergangenen Jahren werden wir auch in diesem Jahr auf dem PV-Symposium mehrere Vorträge zum Thema Qualität haben.

Was sind hier die entscheidenden Themen?

Es geht nicht nur um die Siliziumwafer, sondern auch um die Verkapselung, die Kunststoffe, die Anschlussdosen und so weiter. Aus China kommen so viele unterschiedliche Produkte. Die Module werden immer größer, die Glasscheiben werden immer dünner und da gibt es zum Teil, muss ich leider sagen, echte Qualitätsprobleme. Sicherlich gibt es einwandfreie, hochwertige Module aus China. Aber leider sind die Banken durch die schwarzen Schafe schon verunsichert. Dazu kommen noch die Verunsicherungen durch kurzfristige Regeländerungen und auslaufende Genehmigungen - zum Beispiel das EEG. Schließlich hat ein großes Solarkraftwerk einen Projektvorlauf von zwei Jahren. Wir brauchen zur Projektanbahnung unbedingt Investitionssicherheit.

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Welche Bereiche spielen in der Forschung auch noch eine Rolle?

Wir müssen aber auch ganz neue Module wie beispielsweise Tandemsolarzellen, neue Technologien und neue Anwendungen wie Agri-PV, schwimmende Solarkraftwerke oder Hybridanlagen entwickeln. Sonst können wir international nicht mehr mithalten. Die deutsche Forschung ist immer noch ganz vorn mit dabei. Aber in vielen Bereichen, unter anderem im Bereich der Produktionstechnologie, können wir teilweise jetzt schon gar nicht mehr mithalten.

Was muss geschehen, dass Deutschland weiterhin bei der technologischen Entwicklung vorn mitspielt?

Wir müssen der heimischen Wirtschaft eine Chance geben, diese Forschungen kommerziell umzusetzen. Noch haben wir die Industrie, die natürlich international konkurrenzfähig sein muss. Entsprechend wichtig sind solche Ansätze wie ein Resilienzbonus oder Local-Content-Regelungen bei Ausschreibungen und Förderungen, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen. Große Hoffnungen macht hier auch der Net Zero Industry Act der EU. Hier sollen die Produktionskapazitäten für Netto-Null-Technologien in der EU gesteigert werden. Das hilft, die Klima- und Energieziele zu erreichen, die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen und die Energieabhängigkeit zu reduzieren. Solarenergie und Photovoltaik sind hier einer der definierten Schwerpunkte.

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Gilt das auch für Wechselrichter?

Ja. Da verzerrt sich der Wettbewerb derzeit ebenfalls. In diesem Bereich gehen die Anforderungen aber noch weiter. Denn wir brauchen in diesem Bereich auch Resilienz bezüglich der Datensicherheit. Jeder Wechselrichter ist über eine App auslesbar. Wenn der Wechselrichter jedoch permanent eine Verbindung zu einer Datenbank beim Hersteller hat, um diese App mit Daten zu versorgen, dann ist das ein potenzielles Einfallstor für Manipulation. Das muss im Blick behalten werden. Wechselrichter müssen zudem für das Netz stabilisierend wirken – wie ehemals die rotierenden Massen der Generatoren in fossilen Kraftwerken. Dies sind lokale Anforderungen, die durch entsprechende Anschluss- und Prüfprozeduren, insbesondere für Großkraftwerke, geregelt werden müssen. Die technische Umsetzung ist wieder ein Thema für Forschung und Entwicklung von Leistungselektronik – und muss besonders auf nationale Märkte und Netzanforderungen zugeschnitten sein.

Das Gespräch führte Sven Ullrich

Lesen Sie im zweiten Teil des Interviews mit Michael Powalla, das morgen erscheint, wie eine stabile Finanzierung der Forschung aussehen muss und welche die nächsten Schritte in der Solar- und Speicherforschung sind.