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Mehr Absolventen für die Solarindustrie

„Fachkräftemangel“ hat gute Chancen, zum Wort des Jahres gewählt zu werden. Während die Regierung darüber berät, ob und wie Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden können, ist der Fall in der Photovoltaikindustrie ein wenig anders gelagert. Bislang gibt es weltweit kaum Fachkräfte, die einen speziell auf die Anforderungen der Branche zugeschnittenen Studiengang absolviert haben. Das liegt nicht daran, dass die Materie so kompliziert wäre, sondern dass es bisher kaum solche Ausbildungen gab. In den vergangenen Jahren hat sich das geändert: Mehrere Hochschulen bieten inzwischen Aus- und Weiterbildungen mit Schwerpunkt Photovoltaik an.Bei dem 2008 angelaufenen Bachelor-Studiengang Solartechnik an der Hochschule Anhalt in Köthen wird es in diesem Jahr die ersten Absolventen geben. Bislang ist die Zahl der Studierenden übersichtlich, sie bewegt sich zwischen 18 und momentan 5. Die niedrige Zahl ist den Turbulenzen in der Solarindustrie geschuldet: „Der Bedarf ist schon da, aber man merkt die Krise in der Solarindustrie auch an der Bereitschaft, in Ausbildung zu investieren“, sagt Professor Henry Bergmann von der Hochschule Anhalt. In Köthen ist die Beteiligung eines Solarunternehmens erforderlich: Das Lehrangebot ist als duales Studium konzipiert, also als Hochschulstudiummit fest integrierten Praxisblöcken in einem Unternehmen.

Der Student durchläuft die üblichen Theoriephasen an der Hochschule und verbringt die vorlesungsfreie Zeit in dem Unternehmen, mit dem er vor Studienbeginn einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. „Durch die direkte Bindung an das Unternehmen sind die Studierenden sehr motiviert“, stellt Bergmann fest. „In den Praxisphasen werden sie bereits mit konkreten Aufgaben in den Solarunternehmen betraut.“ Bisher arbeitet die Hochschule mit rund 15 Praxispartnern zusammen, darunter Q-Cells, Sovello, Bosch Solar Energy und das Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP.„Unsere ersten drei Studenten haben Anfang Oktober ihr Studium an der Hochschule aufgenommen, nachdem sie ein vierwöchiges Praktikum in unserem Hause absolviert haben“, sagt Heike Traemann von Bosch Solar. „Die Zusammenarbeit mit der Hochschule Anhalt ist bislang sehr kooperativ und konstruktiv. So hat uns die Hochschule bei der Suche geeigneter Studenten unterstützt.“ Die Studierenden erhalten von ihren Unternehmen ein Stipendium in Höhe von einigen hundert Euro. Die Lehrinhalte wurden in enger Kooperation zwischen allen Beteiligten abgestimmt. „Es gibt regelmäßig Beratungen eines Studienausschusses, in dem Vertreter der Hochschule mit den betrieblichen und studentischen Vertretern evaluieren, ob die Inhalte mit den Bedürfnissen übereinstimmen“, sagt Bergmann. „Auf diesen regelmäßigen Treffen findet ein hervorragender Austausch statt“, ergänzt Franka List vom Praxispartner Q-Cells. Auch sonst lobt sie die Zusammenarbeit. „Oftmals kommen die Professoren zu uns und nehmen die Bachelorprüfungen in den Laboren des Q-Cells-Trainingscenters ab.“ Für die universitäre Ausbildung sponsert die Firma zudem für fünf Jahre die Stiftungsprofessur an der Universität Halle-Wittenberg.

Eigenständiges Arbeiten gefragt

Der Lehrplan des dualen Studiums in Köthen besteht zu einem Drittel aus Grundlagen, die jedes Ingenieursstudium beinhaltet, ein Drittel beschäftigt sich mit den Prozessen der Siliziumfertigung, der Solarzellenherstellung und Solarmodulfertigung, mit Dünnschichttechnologien, aber auch mit Anwendungen der Photovoltaik. „Neben dem Interesse an Photovoltaik-relevanten Wissenschaften und Technologien, wie der Festkörper- und Halbleiterphysik, muss ein Student Spaß an experimentellem Arbeiten im Labor und in der Fertigung und die Fähigkeit zu eigenständigem Arbeiten und Aneignen von neuem Wissen mitbringen“, erläutert Traemann die Anforderungen an die Studenten.

Fremdsprachenkenntnisse, Präsentationstechniken und betriebswirtschaftliches Wissen sowie Soft Skills werden in Köthen in der restlichen Zeit des Lehrplans vermittelt. „Innerhalb der Praxisphase können die Studenten uns kennen lernen und wir sie. Dabei zeigt sich schnell, ob und in welchem Bereich siebei uns reinpassen. Das hat schon zu Festanstellungen geführt“, sagt Franka List.

Wer nach der solaren Grundausbildung in Köthen seine universitäre Ausbildung vertiefen will, kann einen Master draufsetzen, wie etwa an der TU Bergakademie Freiberg. Dort haben im Wintersemester erstmals elf Kommilitonen den neuen Studiengang „Photovoltaik und Halbleitertechnik“ aufgenommen. Dort wird ebenfalls der Spagat zwischen Industrienähe und akademischer Ausbildung versucht. „Bei der Entwicklung des Studiengangs haben wir Firmenvertreter dazugeholt und sie befragt, was Studierende mitbringen sollen“, erklärt Professor Johannes Heitmann von der TU Bergakademie Freiberg. Das Ergebnis ist: Die jungen Leute sollen neben Grundlagen in der Physik auch über explizite Kenntnisse in der Evaluierung von Versuchen, statistische Kenntnisse und Know-how aus der Werkstoffkunde verfügen. Nicht zuletzt fordern Unternehmen vertiefte Kenntnisse der Modultechnik.

Standort im solaren Herzen

Auf der Website des Studiengangs wuchert die sächsische Hochschule mit ihrem größten Pfund – der Nähe zur Photovoltaikindustrie. Das ist nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich gemeint. In der Tat sind am Standort im Erzgebirge einige namhafte Solarunternehmen vertreten, unter anderem Solarworld. Es sollte nicht schwierig sein, die verhältnismäßig kleine Zahl der Studierenden für industrieorientierte Projekte und Masterarbeiten in den Unternehmen vor Ort unterzubringen. Vor allem aber gehe es darum, „durch Vorlesungen von den lokalen Experten aus der Industrie den Studierenden praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, damit die Studierenden die Denke der Industrie verstehen“, sagt Heitmann.

Die Herstellung, Charakterisierung und Verarbeitung von Halbleitermaterialien, die auch die Basis für die moderne Mikro- und Nanoelektronik bilden, spielen im Studiengang eine wesentliche Rolle. „Die Freiberger Forschung hat in diesem Bereich eine lange Tradition. Die Elemente Indium und Germanium wurden von hiesigen Wissenschaftlern entdeckt“, sagt Heitmann. Beim Standort naheliegend, ist das Studium relativ „siliziumorientiert“. Durch Dozenten von Unternehmen wie Heliatek, das sich mitorganischer Dünnschichttechnologie befasst, soll aber auch ein Einblick in diesen Bereich sichergestellt werden.

Beim Studium in Freiberg wird auch auf eine wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung geachtet. Die Studenten können aus einem breiten Angebot betriebswirtschaftlicher Vorlesungen wählen. Für den Erfolg eines Unternehmens ist es unabdingbar, dass seine Angestellten Wertschöpfungsketten beurteilen können. „Diese zusätzliche Qualifikation der Ingenieursabsolventen wird von Unternehmen sehr stark nachgefragt“, sagt Heitmann.

Überblick: Photovoltaik-Studiengänge
NameArtHochschuleAbschlussVoraussetzungRegelstudienzeitWebsiteBesonderheiten
Photovoltaik und HalbleitertechnikMasterstudiengangTU Bergakademie Freiberg SachsenMaster of ScienceErster berufsqualifizierender Hochschulabschluss in einem natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengang mit einschlägigem Grundlagenprofil4 Semesterhttp://tu-freiberg.de/schueler/photovoltaik/studium.htmlKooperation mit vor Ort ansässigen Solarunternehmen
GPE-SolarMasterstudiengangTU BerlinMaster of ScienceBachelorabschluss in einem ingenieurwissenschaftlichen Studiengang, TOEFL-Test über 70 Punkte4 Semesterhttp://www.gpe.tu-berlin.de/index.php?id=19Internationaler Studiengang, Unterrichtssprache: Englisch, behandelt auch Solarthermie
Online Photovoltaics –MasterstudiengangUni FreiburgMaster of ScienceErster berufsqualifizierender Hochschulabschluss in einem natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Studiengang mit einschlägigem Grundlagenprofil4 Semesterhttp://www.pv-master.com/Kooperation mit Fraunhofer ISE, berufsbegleitendes Online-Fernstudium, internationaler Studiengang, Unterrichtssprache: Englisch
Photovoltaik- und HalbleitertechnologieBachelorstudiengangFachhochschule JenaBachelor of EngineeringAbitur oder Fachhochschulreife sowie ein 12-wöchiges Vorpraktikum6 Semesterhttp://www.fh-jena.de/index.php/page/1085/4881Zusammenarbeit mit dem Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena
Solartechnik (dual)BachelorstudiengangHochschule AnhaltBachelor of EngineeringAbgeschlossene Fachhochschulreife und Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen bzw. Forschungsinstitut der Solarbranche erforderlich6 Semesterhttp://www.hs-anhalt.de/nc/studium/studienangebote/von-a-z/studiengang/solartechnik-dual.htmlDualer Studiengang

Wer Mitarbeiter sucht, die während ihres Studiums tendenziell mehr mit Dünnschichttechnologie in Berührung gekommen sind, kann sich unter den Absolventen des Masterstudiengangs „Photovoltaik- und Halbleitertechnik“ an der Fachhochschule Jena umsehen. Die Fachhochschule arbeitet eng mit dem Institut für Photonische Technologien (IPHT) Jena zusammen. Im Studiengang werden den Studierenden Kenntnisse vermittelt, wie Solarzellen mit physikalisch-technischen Verfahren in modernen Produktionsanlagen hergestellt werden und worauf es bei der Überwachung und Weiterentwicklung dieser Prozesse und Anlagen ankommt. Deshalb ist der Besuch der Fächer Physikalische Technologien, Mikrotechnik, Mikrosystemtechnik und Reinraumtechnologien verpflichtend. Im Studium werden auchGrundlagen der Steuerungs- und Automatisierungstechnik sowie der Mechatronik behandelt, um der Automatisierung der Produktionsprozesse Rechnung zu tragen.

Kulturelle Kompetenz wird hingegen beim Studienprogramm Global Production Engineering for Solar Technology, kurz GPE-Solar, der Technischen Universität Berlin großgeschrieben. Das internationale Master-Programm existiert seit 2008 und entstand als Abspaltung aus dem Original „GPE-Manufacturing Master Programm“, das es bereits seit 15 Jahren gibt.

Ende Oktober sind in Berlin 35 neue Studenten aus der ganzen Welt begrüßt worden. „Sie haben die verschiedensten Hintergründe, die meisten besitzen einen Bachelor-Abschluss in Elektrotechnik, Mechatronik oder Maschinenbauingenieurwesen. Es gibt allerdings auch Wirtschaftsingenieure, Physiker oder sogar Architekten“, sagt Jens Palacios, Mitarbeiter des Studienprogramms. Der englischsprachige Studiengang ist rund um die Anforderungen in der kaufmännischen Praxis konzipiert und behandelt alle Schritte der wertschöpfenden Prozesskette, angefangen von der Produktionstechnik für Solarkomponenten über die Planung, Installation und den Betrieb von Solaranlagen bis hin zur Verwaltung, Finanzierung, Recht und Marketingaspekten. Dabei geht nicht nur um Photovoltaik, sondern auch um Solarthermie. „Das Programm ist ziemlich flexibel, was die Gestaltung des Stundenplans betrifft“,sagt Palacios. Die modulare Programmstruktur ermöglicht es, relativ früh einen individuellen Schwerpunkt zu setzen. Es lohnt sich also für Personalchefs aus Unternehmen nachzufragen, auf welchen Bereich sich die Studenten fokussiert haben. „Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich vielleicht die Hälfte der Absolventen betriebswirtschaftlich orientiert und rund ein Drittel sich sehr technisch auf die Herstellung, Prozesse und Technologie spezialisiert“, beschreibt der Studienberater seine Absolventen.

Fortbildung durch E-Learning

Unternehmen, die für eine Umschulung branchenfremder Fachkräfte keine Kapazitäten haben, oder Konzerne, die sich gen Solarindustrie orientieren, können ihren Mitarbeitern den „Master Online Photovoltaics“ finanzieren. Der Studiengang, der von der Universität Freiburg in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und der Fraunhofer Academy angeboten wird, richtet sich an berufstätige Akademiker, die sich weiterbilden wollen.

Voraussetzung für die Teilnahme ist neben einem universitären Abschluss in einem technischen oder naturwissenschaftlichen Studienfach eine einjährige Berufserfahrung. Im Mai 2010 haben die ersten 16 Teilnehmer aus allen Teilen der Welt ihr Studium aufgenommen. In Online-Schulungen werden Kenntnisse über Halbleiterbauelemente, Material- und Solarzellenbestimmung, Dünnfilmtechnologie, Elektronik, Lebensdaueranalysen, Produktion und Ökonomie erneuerbarer Energien vermittelt. Die Namen der Lehrenden lesen sich wie das „Who is who“ der Solarbranche, darunter finden sich Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer ISE, oder Michael Powalla vom ZSW Stuttgart.

„Natürlich gibt es bei den einzelnen Vorlesungen qualitative Unterschiede, aber man merkt sofort, dass die Professoren nur den Bereich unterrichten, auf den sie spezialisiert sind – ihr Steckenpferd sozusagen“, sagt der immatrikulierte Gero Kästner. Er hat bereits ein Hochschulstudium als Verfahrens- und Umwelttechniker hinter sich. „In meinem ersten Studium hätte ich mir manchmal gewünscht, dass sich die Dozenten so viel Mühe geben.“ Nun arbeitet er seit einiger Zeit am Fraunhofer ISE. Er hatte aber den Wunsch, fachlich über seinen jetzigen Arbeitsplatz, an dem er sich mit kristallinen Zellen beschäftigt, hinauszuschauen. „Mit dem Studium bekomme ich einen sehr detaillierten Einblick in alle Bereiche der Photovoltaik. Ich merke schon jetzt, wenn ich auf einer Solarmesse Fragen stelle, dass die vom Personal am Stand oft gar nicht mehr beantwortet werden, weil mein Wissen tiefer geht“, sagt der begeisterte Student.

„Wir konzentrieren uns ganz bewusst auf die technologische Weiterbildung. Das umfasst im Vergleich zu anderen Studiengängen ein verhältnismäßig enges Themenspektrum, dafür gehen wir richtig in die Tiefe“, sagt der Freiburger Studienbetreuer Martin Kaseman. „UnsereAbsolventen sind insbesondere für die Bereiche Forschung und Entwicklung und Kontrolle der Produktionslinien prädestiniert.“ Natürlich kann das Wissen auch anderweitig verwendet werden. „Wir haben auch einen Angestellten eines Bankinstituts unter den Studierenden. Diese Bank benötigt Spezialisten, um technologische Vorhaben von Start-ups aus der Solarbranche beurteilen zu können“, sagt Kasemann.

Die Materialien können zu jeder Tages- und Nachtzeit heruntergeladen und dann bearbeitet werden. Alle zwei Wochen findet ein Online-Tutorium statt. Um das vermittelte Wissen praktisch zu unterfüttern, gibt es mehrere kurze Präsenzphasen in den Laboren des Fraunhofer ISE. Ab dem kommenden Jahr steht auch ein eigenes Lernlabor zur Verfügung, wo die „Studierenden mit konkreten Problemen bei der Herstellung eines Moduls konfrontiert werden“, wie der Studienbetreuer Kasemann erläutert. Die Fehler im Prozess müssen die Studenten mit Hilfe der erlernten Messtechniken zur Qualitätskontrolle von Solarzellen ermitteln und dafür Lösungen vorschlagen.

Noch gibt es nur wenige „solare Absolventen“. Den noch jungen Studiengängen den Rücken zu stärken ist auch Aufgabe der Solarindustrie, damit sich Aus- und Fortbildungsstudiengänge etablieren können. Denn trotz aller Turbulenzen, denen die Branche gerade ausgesetzt ist, darf nicht vergessen werden: Ohne Aus- und Weiterbildung gibt es ganz sicher kein Wachstum.

Daniela Becker

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