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Bewegung auf dem Dach

„Größer – schwerer – toller: Das ist die Entwicklung, die den Ingenieurszielen entspricht“, sagt Arnd Pietrzak, Entwickler bei dem US-amerikanischen Hersteller Solar Integrated, und denkt dabei an nachgeführte Photovoltaiksysteme. Die ursprünglich kleinen Sonnensegel haben Dimensionen von Dächern erreicht. Pietrzak lässt das kalt. Er hat ein Nachführsystem entwickelt, das neben den Tracker-Giganten wie David neben Goliath wirkt. „Es ist ein leichtes und modulares System“, beschreibt er das Produkt, das Solar Integrated seit diesem Jahr unter dem Namen „Follow The Sun“ vertreibt. Das Besondere daran ist aber weniger die bescheidene Modulgröße, denn der Aufstellungsort. Das System ist nicht nur für die Freilandmontage, sondern vielmehr für die Installation auf dem Flachdach konzipiert.

Idee aus der Branche

„Den Ball hat mir jemand aus der Branche zugeworfen“, antwortet Pietrzak auf die Frage, wie er auf die Idee kam, dieses System zu entwickeln. „Es war zu der Zeit, als Nachführsysteme noch viele Kinderkrankheiten hatten.“ Er wollte deshalb eine robuste, einfache Konstruktion entwerfen, die stabil ist und „wirtschaftlich in der Mitte liegt“. Das Ergebnis ist ein einachsiges System, bei dem die Module sich horizontal schwenken lassen. Die kristallinen Module, die zwischen 1,4 und 1,6 Meter breit und 0,8 bis ein Meter hoch sein können, sind auf zwei Schienen hintereinander montiert. Ein Antrieb kann bis zu 15 Module bewegen.

Damit ist das System gleich in zwei Marktsegmenten ein Sonderfall. Flachdachanlagen sind in den meisten Fällen herkömmlich aufgeständert starre Systeme oder in die Dachhaut integrierte Dünnschichtbahnen. Für Nachführanlagen andererseits ist die Freilandmontage üblich, bevorzugt in sonnenreichen Gegenden wie Spanien und Italien. Dies hängt mit den Vor- und Nachteilen dieser Montageart zusammen. Die Module von nachgeführten Photovoltaikanlagen richten sich nach dem Sonnenstand aus und können so jeweils den höchstmöglichen Ertrag erwirtschaften. Andererseits laufen sie Gefahr, sich gegenseitig zu verschatten. Um diese Einbuße so weit wie möglich zu reduzieren, muss ein Mindestabstand eingehalten werden.

Wirtschaftlich ist die vergleichsweise teurere Anlage nur, wenn der Solarertrag entsprechend hoch ist. Dieser Problematik ist sich natürlich auch Arnd Pietrzak bewusst. „Man kämpft immer mit dem Flächennutzungsgrad“, bestätigt er. „Es gibt Situationen, in denen die Anlage Sinn macht, und andere, in denen sie keinen Sinn macht.“

Mehr Ertrag auf dem Flachdach

Sein einachsiges System entwickelte Pietrzak zunächst als Selbstständiger. 2007 präsentierte er den Prototypen auf der Intersolar, damals noch in Freiburg, und knüpfte so Kontakt zu Solar Integrated. Das Unternehmen mit einer deutschen Niederlassung in Mainz erwarb die Rechte an der Entwicklung und stellte Pietrzak gleich mit ein. Mit dem neuen Produkt will Solar Integrated eine Lücke schließen. Spezialgebiet des Herstellers sind extrem leichte Solarbahnen für Membran-, Bitumen- oder Metalldächer, die nur minimale zusätzliche Traglasten aufnehmen können. Ihr Nachteil: Die Dünnschichtanlagen benötigen mehr Fläche, um den gleichen Ertrag wie kristalline Module zu erzeugen. „Follow The Sun“ soll nun auf Flachdächern zum Einsatz kommen, deren Statik größere zusätzliche Lasten erlaubt.

Die Entscheidung für eine nachgeführte Anlage oder ein herkömmliches Aufdachsystem ist ein Rechenexempel. Andrea Bodenhagen, Marketingleiterin bei Solar Integrated Technologies in Mainz, beziffert die Mehrkosten des modularen Systems mit zehn Prozent im Vergleich zu fix aufgestellten Anlagen. Dafür könne das System 18 bis 23 Prozent mehr Ertrag erwirtschaften, sagt sie. In Deutschland würde sich die Installation bis auf die Höhe von Frankfurt am Main lohnen. Priorität hätten momentan aber Griechenland, Spanien und Italien.

Arnd Pietrzak nennt die höhere Eigenkapitalrendite als Kaufargument (siehe Kasten). Sie sei gerade in Griechenland ein Vorteil, weil dort das Investitionskapital häufig geringer wäre. Ein Kostenaspekt, der bei seinem System zu Buche schlägt, ist der Mehraufwand für die Wartung. Unter anderem muss regelmäßig überprüft werden, ob sämtliche Schrauben noch fest sind und ob die Lager nicht anfangen, Spiel zu bekommen. Etwa 1,5 Prozent an zusätzlichen Kosten kalkuliert Pietrzak pro Jahr hierfür ein. Darin sind Austauschteile schon inbegriffen. Sie müssen von dem möglichen Mehrertrag, den das System erwirtschaften kann, abgezogen werden. Bei den beiden Testanlagen, die es gibt, konnte er allerdings noch keinen Verschleiß feststellen.

„Krasser Außenseiter“

Eine Anlage ist bei Solar Integrated in Mainz installiert. Die zweite betreibt Juwi Solar auf ihrem Testfeld in Mohrbach. Sie ist auf einem Schafunterstand mit einer Dachneigung von zehn Grad installiert. Seit Ende 2008 ist die Anlage am Netz, berichtet Andreas Stengel, der zuständige Bauleiter bei Juwi. „Das ist schon ein sehr unübliches System. Ein krasser Außenseiter“, sagt er und lacht. Juwi wolle das System ausprobieren und den Kosten-Nutzen-Faktor im Dauerbetrieb ermitteln. Um Aussagen über die Wirtschaftlichkeit zu treffen, sei es zu früh, so Stengel. Ob das System dann auch wirklich zum Tragen komme, müsse man abwarten.

Bisher noch keine Erfahrung mit diesem Anlagentyp hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) in Stuttgart. „Es kann sein, dass sich die Anlage kommerziell lohnt, es kann aber auch nicht sein“, sagt Hans-Dieter Mohring, Leiter des Fachgebietes Photovoltaik: Modulare Systeme und Anwendungen am ZSW. Ohne die genauen Details zu kennen, könne man keine Aussage treffen. „Der Zugewinn einer nachgeführten Anlage hängt von vielen Faktoren ab“, erläutert Mohring dies. Die wichtigsten sind die Art der Nachführung (ein- oder zweiachsig), das Strahlungsklima (diffuse/direkte Strahlung), die geographische Lage und der Aufbau des Generatorfeldes (wechselseitige Verschattung). Ohne einen „Nachbarn“ erwirtschaftet ein Sonnensegel den optimalen Zugewinn. Ansonsten gilt: „Je größer der Abstand, desto geringer die Verschattung. Auf die Gesamtfläche bezogen, sinkt damit aber auch der Ertrag. Bei wenig Fläche auf dem Dach sieht Mohring daher am ehesten herkömmliche Systeme.

Teurere Investition und Wartung

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin), erstellte zusammen mit seinen Studenten zu Beginn der Entwicklungszeit für Arnd Pietrzak Berechnungen über die Zugewinne in verschiedenen geographischen Lagen. Er geht von einem Zugewinn von 15 bis 25 Prozent bei einachsigen Systemen aus. Dagegenrechnen müsse man die höheren Investitionskosten und die Kosten für die Wartung über 20 Jahre. „Die wirtschaftlichen Vorteile sind nicht so gigantisch“, zieht er Bilanz. Seiner Meinung nach geht der Trend langfristig ohnehin wieder zu fest installierten Systemen. Deutschland scheint diesen Trend schon einmal vorweggenommen zu haben. Nachgeführte Anlagen wurden hier hauptsächlich in den Jahren 2004 bis 2006 errichtet (18 bis 34 Prozent der zugebauten Leistung), ergab eine Studie des ZSW. 2007 und 2008 sank der Anteil dieser Anlagen auf sechs beziehungsweise zehn Prozent der Leistung. Bei den sinkenden Modulpreisen scheint es wahrscheinlich, dass der Anteil in diesem Jahr weiter fallen wird.

Immer wieder Anläufe

Ein Unikat ist das nachgeführte Aufdachsystem von Solar Integrated nicht. Der Marktführer für Nachführsysteme, Degerenergie in Horb am Neckar, hat seit 2002 den TOPtracker, ein einachsiges System für die Montage auf Flachdächern, Deponien und an Gebäuden, im Programm. Bei der ersten Version des TOPtrackers lag die maximal mögliche Modulfläche bei 6,1 Quadratmeter, in der zweiten, aktuellen Version sind es 8,5 Quadratmeter (TOPtracker 8.5). Die Mehrkosten für den TOPtracker benennt Artur Deger, Gründer und Geschäftsführer von Degerenergie, mit acht Prozent, der Mehrertrag liege bei 30 Prozent. „Der Kunde hat die Wahl: Will er mehr Module mit weniger Rendite oder ein nachgeführtes System mit weniger Modulen und höherer Rendite“, sagt er. Die Anlagen sind um den Globus von Deutschland über Spanien, Italien und Frankreich bis hin nach Jamaica aufgestellt. Wie viele der Systeme auf Flachdächern installiert wurden, kann Artur Deger nicht sagen, da seine Vertriebsmitarbeiter die Installationsweise häufig nicht erfahren. Er geht aber davon aus, dass nachgeführte Anlagen auf oder an Gebäuden „sicher immer Einzelanwendungen bleiben“ werden.

Der jüngste Auftrag kam aus Sizilien, wo 2.664 TOPtracker 8.5 montiert werden sollen, allerdings im Freiland. Hier ist die niedrige Höhe des Systems von Vorteil. Bei dieser Anlage kann Deger unter 2,50 Meter bleiben, was auf der Insel bei Freilandanlagen Voraussetzung ist. Auch das System von Solar Integrated ist auf Industriedächern nur einen Meter hoch, bei der Montage im Freiland 1,8 Meter. Aus diesem Grund wirbt Solar Integrated damit, dass es sich auch für Freilandanlagen eignet, die „aus technischen oder ästhetischen Gründen nicht mit den üblichen großen Anlagen ausgestattet werden können.“

Für den PV-Dachspezialisten wird es damit ein Feldversuch. Schafft Pietrzaks System es, sich unter den anderen Produkten für die Dachmontage einen Platz zu erobern oder findet es doch wieder den Weg auf den Boden, dort wo die Nachführanlagen „zu Hause“ sind? Arnd Pietrzak zeigt sich gelassen. Seit dem Frühjahr sei die Entwicklung abgeschlossen, sagt er. „Jetzt heißt es bauen – gucken – bauen – gucken. Wir gehen Schritt für Schritt in den Markt.“

Beispielrechnung

Ein angehender Solarstromerzeuger hat 40.000 Euro Eigenkapital zur Verfügung. Wenn er nun eine statische PV-Anlage für 400.000 Euro erwirbt, erwirtschaftet er auf sein Eigenkapital vielleicht eine Rendite von zehn Prozent. Seinen Gewinn schmälern die (beispielsweise) fünf Prozent Zinsen, die er auf die 360.000 Euro Fremdkapital zahlen muss.
Erwirbt er nun eine kleinere, nachgeführte Anlage für zum Beispiel 350.000 Euro, so braucht er bei dem gleichen Eigenkapital weniger Fremdkapital aufzunehmen. Die Eigenkapitalrendite ist dann höher.

Ina Röpcke