Für den anspruchsvollen PV+Test kauft der TÜV Rheinland die zu prüfenden Module verdeckt ein. Kaum sind sie ausgewählt, werden die Transportkisten mit Schocksensoren ausgestattet, die jede Bewegung beim Transport aufzeichnen. Denn die Tester wollen ja keine Ergebnisse erhalten, die durch selbstverschuldete unsachgemäße Handhabung negativ beeinflusst wurden. Das macht deutlich, wie sensibel der Transport von Modulen ist und wie schnell ein unsachgemäßer Umgang dabei die Module nachhaltig schädigen kann.
Bis ein Modul auf ein Dach gelangt ist oder seinen Platz auf einem Freilandgestell gefunden hat, musste es in der Regel eine längere und abwechslungsreiche Reise überstehen. Es ist vielleicht mit einem Schiff transportiert worden, im Flugzeug, auf verschiedenen Lkw und Kleintransportern. Dazwischen wurde es immer wieder entladen, abgestellt und aufgenommen. Gabelstapler haben es eventuell unsanft angepackt, es kann im Regen gestanden haben, gequetscht worden sein, durchgeschüttelt und unsanft abgesetzt.
Größere Blessuren nach solch einer Reise sind augenscheinlich. Zunächst kann schon ein Blick auf die Transportverpackung warnen, sagt Florian Reil von der TÜV Rheinland Energie und Umwelt GmbH: „Haben sich Bänder oder Verpackungen gelöst? Sind die Pufferzonen vielleicht schon deformiert? Oder beginnen sich Pappwände bereits aufzulösen?“ Mit einer lädierten Verpackung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass auch die Module darin zu Schaden gekommen sind. Sichtbare Kratzer, Beulen und andere Blessuren sind nicht nurein optisches Problem. Die Module büßen eventuell einen Teil ihrer Leistung ein und altern vorzeitig, verbunden mit höherer Leistungsdegression.
Diese Mängel können aber auch eintreten, wenn den Verpackungen und den Modulen überhaupt nichts anzusehen ist. Oft wird der Schaden dann erst später oder nie bemerkt. Der Betreiber wundert sich lediglich, dass die Erträge hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Horizontal oder vertikal
Die Hersteller und Spediteure verpacken ihre Module unterschiedlich aufwendig, je nach subjektiver Einschätzung der möglichen Gefährdung. Das ist nicht verwunderlich. Noch wissen selbst Experten nicht genau, wie sich außergewöhnliche Transportbelastungen letzten Endes langfristig auf die Module auswirken. Aber die Forschungsarbeiten laufen, und schon jetzt helfen die bisher gewonnenen Daten bei der Entwicklung von Standards für den Transport und die Verpackung. Und sie können Spediteuren und Installateuren dazu dienen, trotz kostenbewusstem Transport Risiken zu vermeiden.
Module lassen sich horizontal oder vertikal transportieren. Jede dieser beiden Transportarten habe Vor-und Nachteile, sagt Florian Reil vom TÜV Rheinland. „Es gibt kein Transportverfahren, das generell besser oder schlechter ist.“ Das hätten die Transportuntersuchungen für Module in seinem Haus ergeben. Derzeit erarbeitet der TÜV Rheinland neue Prüfstandards für den Transport und forscht zu den Folgen von unsachgemäßem Umgang mit Modulen. Neben dem TÜV werkeln aber auch Hersteller und Händler intensiv an Standards für den sicheren und dabei kostengünstigen Transport.
Der Systemanbieter IBC Solar nutzt dafür, wie andere Hersteller und Händler auch, Elektrolumineszenz-Messungen. „Beim horizontalen Transport haben Sie das Problem, dass die Glasscheibe vibriert und dadurch Mikrorisse in die Zellen kommen“, sagt Marco Siller, Leiter des Produktmanagements bei IBC Solar. „Beim Stapeln von Solarmodulen horizontal übereinander drückt das Gewicht je nach Transportsystem auf die Ecken oder auf den Modulrahmen.“ So kommt einiges an Druck zusammen. Immerhin wiegt ein Modul circa 20 Kilogramm. Davon werden bis zu 30 in einer Palette übereinander gestapelt, obendrauf kommt oft noch eine weitere Palette. Siller resümiert: „Da ist es die eindeutig bessere Lösung, dass wir die Module vertikal einstellen und so der Rahmen der Module die ganze Konstruktion noch unterstützt.“ Der Trend zu mehr EL-Messungen habe zum Umdenken geführt. „Daraufhin hat man dann entsprechend die Module um 90 Grad gedreht“, sagt Siller. Auch wenn das für die Hersteller einen Mehraufwand bedeutet, weil die automatisierten Fertigungsstraßen die Module eigentlich in horizontaler Lage ausstoßen. Sie müssen dann für den Transport gedreht werden.
Folie oder Karton
Auch bei den Verpackungen gibt es verschiedene Varianten. Etwa die Verpackung in Folie. „Wenn ein Stapler mit der Gabel versehentlich in eine Folienverpackung hineinfährt, dann kann die Folie wieder zugehen“, sagt Siller. So werde der Schaden oft nicht gleich bemerkt. „Bei Karton ist es eindeutig sichtbar, dass eine Beschädigung der Fracht stattgefunden hat.“ Jörg Althaus, Geschäftsfeldleiter im Bereich Solarenergie beim TÜV Rheinland, gibt dagegen zu bedenken, dass die Folienverpackung auch ihre Vorteile hat. „Der Transporteur oder Gabelstaplerfahrer erkennt auf Anhieb, dass es sich um Module handelt, mit denen besonders vorsichtig umgegangen werden muss.“ Bei Verpackungen aus Pappe oder Holz sei das so nicht der Fall, trotz Warnhinweisen. Die würden eben nicht immer beachtet werden.
Allerdings gibt es auch kritische Entwicklungen. Mit dem Preisdruck bei den Modulen wird auch am Verpackungsmaterial gespart. So beobachtet beispielsweise ein Systemanbieter, dass die Wandstärken bei den Kartonagen immer dünner werden. Die Einsparung kann zu Lasten der Sicherheit gehen, weil die Module dann schneller beschädigt werden können. Da wird es immer wichtiger, auf zuverlässige Logistikunternehmen mit geschultem Personal zurückzugreifen. Doch in der Praxis verlassen sich die auftragnehmenden Logistikunternehmen oft auf Subunternehmer, die mit den spezifischen Anforderungen beim Modultransport zu wenig vertraut sind.
Quer durch Deutschland
Das Systemhaus Frankensolar hat im vergangenen Sommer zum Test insgesamt drei Paletten mit horizontal gelagerten Modulen in Folienverpackungen von zwei unterschiedlichen Herstellern auf eine Reise quer durch Deutschland geschickt. Der Transport ging vom bayerischen Neumarkt über die Straße nach Nordstrand nördlich von Hamburg und auf dem gleichen Weg wieder zurück. Insgesamt waren das rund 1.480 Transportkilometer. Unterwegs wurden die Paletten je zweimal umgeladen und in Zentrallager abgestellt, wie auch sonst in der Praxis oft üblich. Bei jeweils neun Modulen haben die Tester vor- und nachher EL-Aufnahmen gemacht: Bei den obersten drei Modulen, bei dreienin der Mitte und bei den untersten drei Modulen. Eine der beiden Paletten versahen sie außerdem mit einem Beschleunigungs- sowie einem Temperatursensor (siehe Grafik oben).
Gravierende Folgen
„Besonders kritisch war der Umschlag der Ware bei den Speditionen“, erinnert sich Stefan Rösch, Produktmanager bei Frankensolar. „Wir hatten Beschleunigungen bis zu 12 g, also das Zwölffache der Beschleunigung durch die Erdanziehungskraft.“ Die Folgen seien gravierend gewesen, so Rösch: „Eine Palette war komplett zerstört, da haben sogar Palettenteile gefehlt. Die Module hingen dann schief auf der Palette.“ Doch auch der Lkw-Transport habe den horizontal gelagerten Module zugesetzt, weil sie zu schwingen begannen. „Die EL-Prüfungen ergaben Mikrorisse bei den untersten Modulen. Auf einer der drei Paletten hatte auch das oberste Modul nach dem Transport Mikrorisse.“ Nach diesen alarmierenden Testergebnissen ist für den Produktmanager klar: „Transportunternehmen müssen begreifen, dass sie Photovoltaikmodule wie rohe Eier zu behandeln haben. Wir haben das Problem erkannt und unsere Hausspeditionen informiert.“ Auch bei den Herstellern sieht der Produktmanager Handlungsbedarf: Sie müssten eigentlich ihre Verpackungen weiter optimieren. Zum Beispiel die Bodenplatten, auf denen die Module liegen oder stehen. „Die konstruiert ja jeder Hersteller selbst. Teilweise sieht man, dass sie sich beim Heben durch den Gabelstapler gefährlich durchbiegen.“
Enorme Kräfte
Wenn die Module horizontal gelagert sind, überträgt sich diese Belastung besonders stark auf das unterste Modul. Oft ist zu beobachten, wie sich die gesamte Palette unten staucht und oben dehnt. So wird sichtbar, welche starken Kräfte auf die Module wirken können, wenn Bodenkonstruktion und Hebewerkzeuge nicht richtig aufeinander abgestimmt sind. „Zwischen dem untersten Modul und dem Palettenboden muss genügend Abstand vorhanden sein“, rät Rösch. „Wenn die Ware gehoben wird und sich die Bodenplatte durchbiegt, kann so das untere Modul nicht beschädigt werden. Viele Hersteller haben mittlerweile solche Paletten entwickelt, bei anderen reicht aber der Abstand noch nicht aus.“ Die Palettenbretter müssen außerdem stark genug sein. Paletten haben unten seitliche Aussparungen, die es Flurfördergeräten ermöglichen, mit ihren Zinken in die Palette zu fahren, um sie zu heben. Die Aussparungen sollten mit den Zinken der Hubwagen oder Gabelstapler abgestimmt sein, so dass die Palette ganz aufgenommen werden kann, statt sich durch zu kurze oder zu dicke Zinken beim Heben übermäßig durchzubiegen. Bei horizontal zu transportierenden Modulen sind ausreichend große und häufige Abstandshalter an den Ecken und auf den Rahmen verteilt notwendig, um die Druckkräfte der darüberliegenden Module abzuleiten.
„Wir haben unseren Test bisher nur mit horizontal gelagerten Modulpaletten durchgeführt, weil wir da die meisten Probleme sehen“, erklärt Rösch. „Wir werden den Test nochmals unter gleichen Bedingungen mit vertikal transportierten Modulen durchführen. Um dann unter vergleichbaren Bedingungen zu sehen, welche Transportart die bessere ist. Die beiden Hersteller wurden informiert und überarbeiten ihrer Verpackungssysteme.“ Bei vertikal transportierten Modulen ist es schwieriger, einzelne Module zu entnehmen und die halb leere Transportkiste dann weiter zu bewegen, betont Marco Siller von IBC Solar. Die restlichen Module müssen sogesichert sein, dass sie im Behälter nicht umfallen oder rutschen können. Dennoch setzt der Systemanbieter ebenfalls auf vertikalen Transport. IBC Solar bezieht seine Module von insgesamt acht Herstellern. „Wir haben im Moment sieben der acht Hersteller auf eine Standardverpackung für vertikalen Transport umstellen können. Der achte Hersteller wird zum Januar 2013 umgestellt sein.“ Hier war das Ablegen der Module durch die vollautomatisierte Fertigung bisher nur horizontal möglich. Das soll sich jetzt ändern.
Noch viel zu forschen
Standardisierte Mehrwegverpackungen wie in der Autoindustrie wünschen sich viele Hersteller und vor allem Händler und Spediteure. Aufgrund der Zellverschaltung und des Handlings könne man sich auf vier grundlegende Größen bei kristallinen Modulen einigen, meint Rösch.
Ausgangspunkt wären 72-Zeller mit je Fünf-Zoll-Zellen sowie 48-, 60- und 72-Zeller mit je Sechs-Zoll-Zellen. „Unterschiedliche Längen- und Breitenmaße kommen aufgrund verschiede- ner Herstellerphilosophien zustande“, so Rösch. „Ein einheitliches Verpackungssystem sollte solche Differenzen ausgleichen. Ferner sind unterschiedliche Rahmenhöhen auszutarieren.“ Zwei Maße sind bei den Modulen am häufigsten: Der 60-Zeller mit den Sechs-Zoll-Zellen und der 72-Zeller mit den Fünf-Zoll-Zellen. „Für beide Solarmodule haben wir entsprechende Verpackungen definiert, diese getestet und dann in den Spezifikationen der Hersteller untergebracht. Wir haben also einen hauseigenen Standard“, sagt Siller. Die kleine Lösung also zunächst, bevor vielleicht irgendwann einmal eine große kommt.
Mehrwegverpackungen funktionieren nach den bisherigen Erfahrungen der Händler nur auf Großbaustellen. Bei kleineren Anlagen habe sich der Rücktransport einzelner Paletten und Verpackungen als zu aufwendig erwiesen und die Ausfallquote sei zu hoch. Hier werden daher in der Regel Einwegverpackungen verwendet.
Sicherheit und Effizienz beim Transport: Da gibt es noch viel Forschungs- und dann Umsetzungsbedarf. Längst sind Module nicht mehr knapp, und die Kunden verlangen hohe Qualität der Ware bei niedrigen Kosten. Dazu muss auch die Logistik ihren Beitrag leisten. Hersteller und Großhändler haben das erkannt. So werden sie künftig sicherlich noch einiges optimieren beim Modultransport. Vielleicht braucht der TÜV Rheinland dann eines Tages auch keine Sensoren mehr, wenn er neue Module für den PV+Test abholt.