Nachdem der Nationalrat auf die Linie des Ständerates umgeschwenkt ist, hat jetzt auch die Parlamentskammer der Kantone den Kompromiss für die Energiestrategie 2050 gebilligt. Sie sieht einige Veränderungen vor. Vor allem aber fehlt ein Plan für den Atomausstieg.
Die Energiestrategie 2050 nimmt Gestalt an. Nachdem der Nationalrat bereits auf die Linie des Ständerates eingeschwenkt ist, hat nun auch die Kantonskammer des Parlaments die Änderungen gebilligt. Damit ist der Weg frei für die Verabschiedung.
Der Ständerat hat sich auf mehrere Maßnahmen geeinigt. So soll es zunächst keinen geordneten Atomausstieg geben. Die Kantone haben sich darauf geeinigt, dass die Atomkraftwerke der Schweiz so lange am Netz bleiben sollen, wie sie der ENSI für sicher hält. Zum Atomausstieg wird es aber am 27. November noch einmal ein Referendum geben, in dem die Eidgenossen einen schnelleren Ausstieg aus der Atomkraft auf den Weg bringen können. Die Initiatoren des Referendums fordern, dass die Atomkraftwerke in der Schweiz spätestens 45 Jahre nach deren Inbetriebnahme vom Netz gehen sollen.
Direktvermarktung steht an
Auch für die erneuerbaren Energien wird es einige Änderungen geben. Zum einen bleibt es beim niedrigeren Ausbauziel, so dass im Jahr 2020 mindestens 4,4 Terawattstunden Ökostrom in die eidgenössischen Netze fließen soll. Bis 2035 soll dieser Anteil auf 11,4 Terawattstunden erhöht werden. Zum Vergleich: Derzeit werden jährlich etwa drei Terawattstunden Ökostrom – hierzu zählen nur Photovoltaik-, Windkraft- und Biogasanlagen, aber nicht die Wasserkraftwerke – ins Schweizerische Netz. Insgesamt liegt die Stromproduktion bei etwa 60 Terawattstunden.
Zudem soll die Kostendeckende Einspeisevergütung zu einem Direktvermarktungssystem umgestaltet werden. Dies wird auch für die Wasserkraftwerke gelten. Das bedeutet, dass die Betreiber in Zukunft ihren Strom selbst vermarkten müssen. Das Parlament will damit erreichen, dass der Strom aus Solar- und Windkraftanlagen in Zukunft nur dann eingespeist wird, wenn er auch wirklich gebraucht wird. Zusätzlich zum Erlös aus dem Stromverkauf bekommen die Betreiber dann noch eine Einspeiseprämie, die sich je nach Erzeugungstechnologie unterscheidet. Diese Änderung gilt allerdings nur für Photovoltaik-, Windkraft-, Biomasse-, Geothermie- und Wasserkraftanlagen ab einer vorher festgelegten Größe. Für die Betreiber der kleinen Solaranlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Kilowatt wird es weiterhin die bisher geltende Einmalvergütung in Form eines Zuschusses zu den Investitionskosten geben.
Netzzuschlag steigt
Diese Investitionskostenzuschuss und die Einspeiseprämie wird weiterhin über einen sogenannten Netzzuschlag finanziert. Diesen zahlt jeder Stromkunde als Aufschlag auf jede verbrauchte Kilowattstunde. Der Netzzuschlag soll von derzeit 1,5 auf maximal 2,3 Rappen pro Kilowattstunde steigen. Damit stehen pro Jahr 1,3 Milliarden Franken für die Förderung der Energiewende zur Verfügung.
Die Energiewende soll aber nur zeitlich befristet gefördert werden. Eine sogenannte Sunset-Klausel legt fest, dass ab dem sechsten Jahr nach Inkrafttreten der Energiestrategie 2050 keine neuen Anlagen mehr ins Fördersystem aufgenommen werden. Ab 2031 sollen auch die Einmalvergütungen und Investitionsbeiträge auslaufen.
Beschwerdeverfahren begrenzt
Dazu kommen noch Vorgaben für die Raumordnung. Die Kantone können genau festlegen, wo überhaupt Ökostromerzeugungsanlagen gebaut werden dürfen. Zudem können die Kantone selbständig die Regeln für die Bewilligung festlegen, so dass der Umbau des Energiesystems schneller vorangeht. Deshalb werden auch die Rechtsmittelwege beschränkt. Auf diese Weise will man den Beschwerden der Anwohner Herr werden. „Wenn sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, können Beschwerden betreffend die Plangenehmigung von Starkstrom- und Schwachstromanlagen nicht mehr bis vor Bundesgericht weitergezogen werden“, begründet der Ständerat diese Entscheidung.
Dem Kompromiss zustimmen
Die Branche ist zwar nicht gerade glücklich mit diesen Regelungen. Doch immerhin ist es ein Kompromiss, der zu einem Ausbau der erneuerbaren Energien führen wird. „Das Parlament hat die bundesrätliche Vorlage des ersten Pakets in wesentlichen Punkten geschwächt“, erklärt Jürg Buri, Geschäftsführer der Schweizerischen Energiestiftung. „Die Energiestrategie ist ein politischer Kompromiss. Sie bringt aber insbesondere dank der ausgebauten Förderung für erneuerbare Energien und dem Neubauverbot für AKW klar eine Verbesserung gegenüber dem Status quo.“ Buri kritisiert, dass die Energiestrategie ursprünglich als Atomausstiegsstrategie angekündigt wurde, ein konkreter Ausstiegsplan oder auch nur erhöhte Sicherheitsanforderungen für die uralten Atomkraftwerke in der Schweiz aber fehlen. Auch wenn es das Parlament verpasst hat, den Atomausstieg endlich voranzubringen, rät er dem Parlament, die Energiestrategie, so wie sie jetzt auf dem Tisch liegt, endlich zu verabschieden. „Für einen geordneten und planbaren Atomausstieg steht in Ergänzung zur Energiestrategie die Atomausstiegsinitiative bereit“, betont Buri. „Ein Ja zum geordneten Atomausstieg ergänzt die Energiestrategie perfekt und bringt die nötige Planbarkeit. Das hilft auch der Energiewirtschaft“, ist er überzeugt. (su)