Die Branchen der erneuerbaren Energien sind vollkommen unzufrieden mit dem gestern in Berlin gefundenen Kompromiss zur EEG-Novelle. Für die Photovoltaik hat sich gar nichts verbessert. Aber auch für die anderen Technologien sind die Verbesserungen, die die Ministerpräsidenten der Bundesländer ausgehandelt haben, kaum ausreichend.
Die Branchen der erneuerbaren Energien äußern sich sehr kritisch über den am gestrigen Abend erzielten Kompromiss zur Novelle des EEG. Die Ministerpräsidenten haben zwar einige strittige Punkte für sich entscheiden können. Doch vor allem die weiterhin geplante Belastung des Eigenverbrauchs von Solarstrom stößt auf völliges Unverständnis. Vor allem vor dem Hintergrund der weitgehenden Befreiung des Eigenverbrauchs von Strom aus fossilen Kraftwerken der Industriebetriebe wird klar, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und die Ministerpräsidenten der Bundesländer nach den Verhandlungen sich zwar verbal hinter die Energiewende gestellt haben. Aber die Taten offenbaren andere Ziele, nämlich die weitere Subventionierung der großen Industrieunternehmen durch die privaten Verbraucher und die Rückkehr zur Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern.
Renaissance der Kohle
Vor allem die Braun- und Steinkohle erlebt derzeit eine Renaissance. So stieg die Verstromung von Braunkohle mit ihren Folgeschäden für die Umwelt und die Landschaft mit 162 Milliarden Kilowattstunden auf den höchsten Stand seit 1990. Auch die Stromerzeugung aus Steinkohle hat sich im vergangenen Jahr gegenüber dem Jahr 2012 um 6,5 Prozent auf 124 Milliarden Kilowattstunden erhöht. „Die Flutung des deutschen Marktes mit Kohlestrom führt bei gleichzeitigem Ausbau erneuerbarer Energien zu einem hohen Stromexportüberschuss und treibt gleichzeitig den Kohlendioxidausstoß unnötig um rund 30 Millionen Tonnen in die Höhe“, kritisiert Norbert Allnoch, Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR). Die Bundesregierung setzt mit ihren Lösungen aber nicht am eigentlichen Problem an, sondern will die erneuerbaren Energien deckeln. „Das EEG wird damit zum Förderprogramm für Industrie und konventionelle Energieerzeugung und begünstigt das, von dem man eigentlich abrücken wollte: Die CO2-intensive Stromproduktion“, erklärt Peter Ahmels, Leiter der Abteilung Klimaschutz und Energiewende bei der Deutschen Umwelthilfe.
Rund 50.000 Jobs stehen auf dem Spiel
Im Falle der Photovoltaik nimmt sie sogar in Kauf, dass der deutsche Markt weiter zurückgeht und fast ganz zum Erliegen kommt, indem sie den Systemanbietern und Installateuren das Marktmodell zerstört, was sie sich aufgebaut haben, um den Solarstrom möglichst unabhängig von der Förderung zu machen. „Während stromintensive Unternehmen weitgehend von der EEG-Umlage befreit bleiben, sollen nach aktuellen Plänen der Bundesregierung gewerbliche Solaranlagenbetreiber für die Nutzung selbst erzeugten Solarstroms ab dem 1. August 2014 eine Energiewendeabgabe in Höhe von 4,4 Cent je Kilowattstunde entrichten müssen“, kritisiert folgerichtig der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar). „Mieter sollen bei solarer Direktversorgung sogar die volle EEG-Umlage zahlen. Diese Ungleichbehandlung stößt bei der Solarbranche und bei Verbraucherschützern auf massive Kritik.“ Immer wieder hat die Photovoltaikbranche auf die Bedeutung des Eigenverbrauchs für den Solarmarkt Deutschland und den Erfolg der Energiewende hingewiesen. Immerhin haben im vergangenen Jahr Unternehmer aus Handel, Gewerbe und Dienstleistung über die Hälfte aller Investitionen in neue Solarstromanlagen gestemmt. „Mit dieser Abgabe, egal wie hoch sie ausfällt, werden die Kosten für Industrie und Mittelstand zwangsläufig steigen. Solange die Idee einer Eigenverbrauchsabgabe nicht vom Tisch ist, sehe ich keinen echten Fortschritt!“, kritisiert Udo Möhrstedt, Vorstandsvorsitzender von IBC Solar im bayerischen Bad Staffelstein. „Der Eigenverbrauch von Solarstrom ist ein wichtiger und kostengünstiger Treiber der Energiewende und sollte deshalb weiter von der EEG-Umlage befreit bleiben“, fordert Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar. „Andernfalls wird sich in Deutschland der starke Markteinbruch bei der Photovoltaik fortsetzen mit allen negativen Konsequenzen für die Arbeitsplätze in der mittelständischen Solarbranche. Rund 50.000 weitere Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel.“
Repowering nicht gedeckelt
Aber auch für die Windkraft und die Bioenergie ist der Kompromiss nicht so vorteilhaft, wie es den Anschein hatte und wie es die Verhandlungspartner verkaufen wollen. So fällt zwar das Repowering alter Windkraftanlagen nicht unter den Zubaudeckel. Dieser Kompromiss war auch dringend notwendig. „Die Einrechnung des sogenannten Repowering hätte den echten Zubau in den nächsten Jahren zum Erliegen gebracht“, sagt Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Der Zubaudeckel für Neuanlagen liegt aber immer noch bei 2,5 Gigawatt und ist damit viel zu gering, betont der BEE. Ähnlich geht es den Biogasanlagen. Zwar wird die Modernisierung bestehender Anlagen nicht an den gesamten Zubau angerechnet. Aber mit 100 Megawatt neuer Biogasleistung liegt der Zubaudeckel viel zu niedrig, als dass ein Überlebend er Branche möglich wäre, warnt der BEE. „Dabei ist die regelfähige und flexible Bioenergie unverzichtbar für die Energiewende“, sagt Falk. „Außerdem macht sie uns unabhängiger von Importen aus politisch unsicheren Staaten und schafft Wirtschaftskraft vor Ort.“ Weitere Kritikpunkte der Branchen, die die Verhandlungspartner gestern gar nicht angesprochen haben, sind die generelle Ausschreibungen ab 2017, die Pflicht zur Direktvermarktung des Ökostroms und die inakzeptable Stichtagsregelung. Das verunsichert die Investoren. „Dadurch sind Investitionen in Millionenhöhe akut bedroht“, warnt Hermann Falk vom BEE. „Planungssicherheit für große, langfristig wirksame Infrastrukturinvestitionen sieht anders aus.“
Kein großer Wurf gelungen
Das eigentliche Problem der steigenden Stromkosten für die Endkunden ist der Energiegipfel in Berlin aber überhaupt nicht angegangen. „Anstatt die EEG-Umlage durch einen neuen Umlagewälzungsmechanismus effektiv zu senken, wird einfach der Zubau neuer Ökostromanlagen beschränkt. Das ist absurd!“, erklärt Udo Möhrstedt von IBC Solar. Beim feilschen um die Pfründe kam statt dessen das Kostenargument, das die gesamte Debatte der vergangenen Jahre bestimmt hat, plötzlich unter die Räder. Dabei wäre es so einfach gewesen. Mit dem Zurückfahren der Rabatte der stromintensiven Unternehmen bei der Zahlung der EEG-Umlage wäre in Berlin der große Wurf zur Eindämmung der Kosten für die Verbraucher gelungen. „Die Bundesregierung untergräbt mit ihren neuesten Plänen beständig die Akzeptanz für die Energiewende, indem sie Teile der Industrie noch stärker begünstigt als bisher“, kritisiert deshalb auch Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. „Deren Lasten tragen zunehmend der Verbraucher und mittelständische Unternehmen, die auf Arbeitskräfte und Energieeffizienz setzen und somit nicht in den Genuss der Vergünstigungen kommen.“ (Sven Ullrich)