Sie sind jetzt seit fast zwei Jahren am ISE. Können Sie da schon eine Art Bilanz ziehen?
Sehr gerne. Also mein erster und wichtigster Bilanzpunkt ist: Nicht für einen einzigen Tag habe ich es bereut, hierhergekommen zu sein. Was ich hier vorgefunden habe, hat meine Erwartungen und Hoffnungen weit übertroffen. Der wesentliche Punkt ist, dass ich hier ein Forschungsinstitut voller engagierter junger Mitarbeiter vorgefunden habe, die alle wissen, dass das, was sie tun, nicht nur wissenschaftlich-technologisch von großem Interesse ist, sondern die hier arbeiten, weil sie daran denken, der Menschheit, dem Planeten zu helfen, weil es das Richtige ist, was hier getan wird. Diese Art von Motivation zeigt sich immer wieder, mit wem man auch spricht.
Wie setzen Sie diese Art von Motivation ein?
Zum Beispiel sage ich immer: Die zukünftige Energieversorgung der Welt wird auf Sonnenenergie beruhen, weil nur die Sonnenenergie diese quasi unbegrenzten Energiemengen zur Verfügung stellt. Ich verwende immer die Zahl 120.000 Terawatt Sonneneinstrahlung, die die Erde erreicht, im Vergleich dazu liegt heute unser gesamter menschlicher Energieverbrauch bei 13 Terawatt, im Jahre 2020 werden es 20 Terawatt sein. Man braucht sich gar nicht über Effizienzen einer Technologie zu unterhalten, die diese 120.000 Terawatt mit auch nur zehn- oder 15-prozentiger Effizienz in Strom umsetzen kann. Die direkte Nutzung der Solarenergie wird wirklich die Grundlage des Energiemixes sein, wenn wir Richtung 2100 schauen. Die Frage ist nur: Wie schnell machen wir es, wie schnell kommen wir dazu?
Also wann kommt der Durchbruch?
Der Hauptdurchbruch ist schon passiert. Der Hauptdurchbruch wurde initiiert durch das Einspeisegesetz in Deutschland. Und
parallel gab es ja zur damaligen Zeit in Japan ein Millionen-Dächer-Programm. Diese zwei großen Antriebe haben dafür gesorgt, dass Photovoltaik aus dem Bereich von Technologieentwicklung in die echte, richtige Massenproduktion eingestiegen ist. Was wir heute vor unseren Augen sehen, ist eine Explosion des Photovoltaikmarktes. Gerade jetzt, wo wir uns unterhalten, findet diese Explosion statt. Die Firmen sind dabei, Jahr für Jahr nicht um 30, 40, 50 Prozent, sondern bis zu 70 Prozent zu expandieren. Wir brauchen also nicht auf einen Durchbruch zu warten, sondern wie wir jetzt erlebt haben, ist der Anstoß bereits erfolgt durch das intelligente Einspeisegesetz, das eben jedem die Möglichkeit gibt, solides Geld zu verdienen mit PV, und das keine Mengenbegrenzung kennt – das ist ja ein Hauptfaktor des deutschen Einspeisegesetzes, dass es nicht etwa vorschreibt: „Wir fördern nur die ersten 100 Megawatt“, sondern wir setzen nach oben keine Grenzen. Dadurch wurde der Boom ausgelöst. Wir sind jetzt auch dabei, auf dieser Lernkurve, die zeigt, wie die Kosten runtergehen, wirklich sehr elegant zu segeln. Wir haben nur, wie Sie wissen, in den letzten zwei Jahren die Sonderentwicklung, dass die Nachfrage dermaßen explodiert ist, dass das Angebot damit nicht Schritt halten konnte. Und deshalb sind die Endverbraucherpreise seit etwa zwei Jahren stabil in der Gegend von fünf bis sechs Euro pro Watt installiert geblieben. Aber die Herstellungskosten, die reinen Herstellungskosten sind runtergegangen. Das Einzige, was nicht runtergegangen ist, ist der Anteil, der vom Siliziumpreis kommt. Hochreines Silizium ist im Moment der limitierende Faktor. Dazu kommen noch steigende Kosten bei den anderen zur Herstellung von Solarmodulen erforderlichen Materialien.
Das ist doch eigentlich die Stelle, wo Ihre Forschung an metallurgischem Silizium ins Spiel kommen müsste. Das war ja etwas, was Sie schon aus Berkeley mitgebracht haben.
Ganz genau. Als ich hierherkam vor zwei Jahren, da war das Thema, das wir heute „Upgraded Metallurgical Silicon“ nennen – provokativ „Dirty Silicon“, also schmutzig im Vergleich zum Halbleiter-Silizium – für den in der Wolle gefärbten PV-Spezialisten ein absolutes No-No. Wissen Sie, ein PV-Spezialist, der seit 20 Jahren Solarzellen aus Silizium gemacht hat, hat gelernt, dass es – um höchste Effizienzen zu bekommen – das Beste ist, das beste Silizium, den reinsten Prozess zu verwenden und alle Metalle außen vor zu lassen. Und das ist auch heute noch so der Fall.
Was also sind die Vorteile von metallurgischem Silizium?
Das Erste ist natürlich, dass das metallurgische Silizium sehr viel billiger zu produzieren ist, dass die Produktion sehr viel weniger Energie kostet, denn die Energie, die man aufwendet, um Solarzellen zu produzieren – das ist ja immer die große Frage. Gut zwei Jahre müssen Solarzellen arbeiten, nur um die Energie wiederzugewinnen, die für die Herstellung verwendet wurde. Wenn man also diesen Energieinhalt der Solarzelle um möglicherweise den Faktor Zehn verringern kann, ist das natürlich sehr günstig. Und das dritte Argument ist natürlich: Dieses Upgraded Metallurgical Silicon kann man sehr viel schneller mengenmäßig hochfahren als den Siemens-Prozess. Man kann leichter höhere Mengen zu billigeren Preisen herstellen. Das ist das Spannende.
Wie weit ist die Anwendung beim Dirty Silicon?
Als ich vor zwei Jahren hierherkam, war das ein Thema, wo alle Spezialisten sagten: „Also, lasst die Hände davon, das macht gar keinen Sinn.“ Heute dagegen – stimuliert dadurch, dass dieses Material jetzt anfängt, verfügbar zu werden, und die bekannteste Firma ist Elkem in Norwegen –, heute dagegen ist das eines der aufregendsten Themen in der Solarbranche. Was konkret passiert, ist: Die Firmen beginnen, dieses Upgraded Metallurgical Silicon dem sauberen Silizium beizumischen. Die haben gemerkt: „Ach, wenn wir zehn Prozent da reintun, oder 30, vielleicht sogar 50 Prozent, dann kommen wir immer noch gut hin mit unserer Solarzelleneffizienz.“ Wir arbeiten hier ein bisschen anders, wir sagen uns: Eigentlich ist es besser, zu versuchen, aus diesem Material Solarzellen herzustellen, den Prozess speziell darauf zuzuschneidern, das heißt wirklich zu sehen, wie kann man es machen. Ich persönlich möchte an die 100.000 Jahrestonnen denken, denn wir wollen ja wirklich die Weltenergieversorgung umstellen, und dazu brauchen wir, glaube ich, die Technologien, die auf diesem Material beruhen (siehe auch Seite 53, Anm. d. Redaktion).
Sie sind seit kurzem ja auch Sprecher des Forschungsverbunds Sonnenenergie. Da wurde in der Vergangenheit öfter beklagt, dass der Forschungsetat zu niedrig sei. Wie sehen Sie das?
In den letzten Jahren sind die Forschungsetats auf dem Gebiet der Photovoltaik eigentlich recht erfreulich erhöht worden. Das hat auch einen einfachen Grund: Wir haben inzwischen schon eine richtig solide Industrie dahinter. Daher haben wir Forschungsaufträge von der öffentlichen Hand sowie von der Industrie und Verbundprojekte mit beiden, und im Moment läuft das wirklich recht gut. Wir haben es nicht so nötig, jetzt eine aufwändige Lobby-Arbeit zu betreiben. Andere Lobbys, wie zum Beispiel die Brennstoffzellen-Lobby oder die Windkraft-Lobby, sind in mancher Hinsicht besonders auch auf europäischer Basis aktiver und erfolgreicher. Alles, was wir tun müssen, ist: Wir müssen dafür sorgen, dass die Entwicklung, so wie sie sich zurzeit darstellt, weitergeht. Dazu gehört, dass das so erfolgreiche Einspeisegesetz nicht wesentlich verschlechtert wird und dass auch der Gesetzgeber sieht, dass auch dieses Gebiet der Photovoltaik nach wie vor hoch innovativ ist. Das ist also sozusagen die Message, die ich gern weitergeben möchte, dass die Photovoltaik durchaus noch ein hoch innovativer Bereich ist, in dem wir Forschungsinstitutionen sehr wichtige Beiträge für die Fortentwicklung der Industrie liefern. Zur Relevanz dieses Themas möchte ich Ihnen ganz kurz die folgende Beobachtung mitgeben: In den letzten 20 Jahren konnte ich in Berkeley beobachten, was an Hightech-Wellen entstanden ist. Vor 20 Jahren, also in den 80er Jahren, war die Mikroelektronik das große Ding. Und Sie wissen vielleicht, in Deutschland haben wir bei der Mikroelektronik ziemlich den Zug verpasst. Nach der Mikroelektronik kam in Berkeley als nächste Welle die Nanotechnologie. Alles war plötzlich nano, es gab dafür üppige Forschungsmittel. Auch in der Nanotechnologie haben wir in Deutschland mitgemacht, aber sie hat noch zu keiner wesentlichen Industrie geführt, vielleicht ändert sich das noch in der Zukunft. Die nächste Welle war die Biotechnologie. Überall wurde Bioengineering betrieben, dies reicht von gezielten genetischen Verbesserungen bei Pflanzen bis zur Stammzellenforschung. In Deutschland haben wir in diesen Feldern Probleme mit ethischen Bedenken, und die Bevölkerung will nichts von genmanipulierten Pflanzen hören. Daher haben wir auch mit diesen Technologien keine wesentliche Industrie entwickeln können. Und die vierte technologische Welle, die jetzt seit drei Jahren auch drüben in Berkeley sehr heftig verfolgt wird, ist die Energiewelle, ausgelöst durch die immer deutlicher werdende Klimakatastrophe und die Verknappung fossiler Brennstoffe. Jetzt zum ersten Mal reitet Deutschland auf dem Wellenkamm, oder auch Europa, man kann das ruhig europäisch sehen. Und ich sage gern, wir müssen mit unserem Surfbrett oben auf diesem Wellenkamm bleiben. Wir haben zum ersten Mal die Chance, an weltweit führender Stelle in einer Technologie mitzumachen, die nicht nur eine Zehn-Jahres-Welle ist, sondern die eine Stufe darstellt, einen Paradigmenwechsel, weil wir eben den Energiemix der Welt bleibend und nachhaltig umstellen müssen. Die Tatsache, dass die Firma Q-Cells aus Thalheim in Sachsen-Anhalt gerade in diesen Tagen die größte Solarzellenfirma der Welt wird, sagt ja schon genug. Wir müssen den Gesetzgebern und der Politik klarmachen: „Liebe Leute, erkennt doch bitte einmal, was wir hier geschaffen haben, was Ihr hier vor euch habt. Wir hier in Deutschland und Europa sind absolute Weltspitze. Spitze in der Technologie, Spitze in den Kosten, Spitze am Markt.“ Um das zu behalten, erfordert es natürlich Aufmerksamkeit vom Gesetzgeber und Geldmittel. Die USA sind jetzt dabei, gigantische Geld
mittel im Energiesektor in Gang zu setzen, weil sie dies auch erkennen. Aber wir sind zum Glück diesmal mit unserer Nase vorne, wir waren die Ersten, die in dieser Technologie entschieden auch in die industrielle Anwendung gesprungen sind. Diese Stellung aufrechtzuerhalten verlangt weitere Förderungen von staatlicher Seite für die Forschung und im Rahmen des EEG. Dies ist jetzt das Entscheidende.
Wie erklären Sie sich vor diesem Hintergrund die hohe Degression, die das Kabinett in seinen EEG-Entwurf schreibt?
Die Politik beobachtet, dass die Profite der PV-Firmen zurzeit sehr hoch sind, weil der Einspeisetarif für Photovoltaik im Erneuerbare-Energien-Gesetz attraktiv ist und wir daher eine Knappheit an Reinstsilizium und an Modulen haben. Die Politiker stellen sich vor, dass sie durch eine drastische Reduzierung des Einspeisepreises die Preise nach unten zwingen können, und sie könnten damit sogar Recht haben. Der große Fehler, den sie meines Erachtens machen, ist: Der Mechanismus, mit dem sie die Preise nach unten bringen, ist, dass sie die Nachfrage abschnüren. Denn wenn der Einspeisepreis wirklich um – wie es jetzt geplant ist – um neun Prozent sinkt, dann sieht die Effizienzrechnung natürlich ganz anders aus. Ich halte das für einen falschen und gefährlichen Ansatz. Wenn man sich wirklich als politisches Ziel setzt, die maximale Menge an erneuerbarem Strom so schnell wie möglich zu erreichen, dann sollte man ruhig den PV-Firmen für eine Übergangszeit ihre Profite lassen und den einzelnen Häuslebesitzern gute Renditen ermöglichen. Dann können wir uns darüber freuen, dass die Industrie so schnell wächst, weitere Arbeitsplätze schafft, und deswegen sollte man die Degressionsschraube nicht überdrehen. Neun Prozent – im Moment ist ja wirklich die Zahl neun Prozent für 2009 auf dem Tisch, man sagt, man geht jährlich von fünf bis sieben Prozent aus und setzt darauf als extra Abschnürungsschritt, weil die Branche zurzeit so gute Profite macht, noch mal zwei Prozent – dies halte ich für wirklich sehr gefährlich. In Japan ist der Photovoltaikmarkt total zusammengebrochen, nachdem man dort vor wenigen Jahren die Unterstützung durch drastische Schritte reduzierte, weil man dachte, das ist schon ein Selbstläufer. Wir sind wenigstens noch fünf bis zehn Jahre vom Selbstläufer entfernt, wir brauchen heute noch die finanziell attraktiven Einspeisepreise.
Nun sagen aber auch einige Firmen, dass sie eine höhere Degression wohl schon verkraften würden. Das heißt, es ist anscheinend noch ein Spielraum drin.
Ich persönlich kann durchaus darüber diskutieren, ob wir die fünfprozentige Degression des Einspeisetarifs für Neuanlagen auf eine sechs- oder siebenprozentige Degression erhöhen, aber dieser noch zusätzlich geplante Zwei-Prozent-Schritt, der noch dazu im selben Jahr greifen soll, wo wir sowieso den Degressionssatz bereits erhöhen, das ist heller Wahnsinn, und ich bin wirklich sehr dagegen. Aber insgesamt hoffe ich doch, dass wir die Kircheim Dorf lassen und es nicht dazu kommt, dass wir den Markt abschnüren.
Wie lange ist eine Förderung überhaupt noch nötig?
Natürlich haben wir vor uns die Aufgabe, dass wir in den nächsten 20 Jahren vielleicht 50 bis 100 Milliarden oder sogar mehr in diese Entwicklung hier in Deutschland investieren müssen. Und ich sage dazu: „So what?“ Diese Zahlen brauchen wir, um weiterhin oben auf dieser Welle zu reiten, um von jetzt 30.000 Arbeitsplätzen auf 50.000, 100.000 Arbeitsplätze und viel mehr zu kommen, wenn wir die sekundär geschaffenen Arbeitsplätze mitberücksichtigen. Die Kohlesubventionen haben akkumuliert bisher 120 Milliarden nominelle Euro gekostet, und wenn man die Inflation mit einrechnet, kommt man auf fast 200 Milliarden echte Euro an Subventionen. Und damit haben wir eine absterbende Technologie unterstützt, und jetzt kommt das Interessante: Das wichtigste Argument für diese Unterstützung war eine wenigstens partielle Energieautarkie. Ich sage immer: Warum übertragen wir nicht das Argument Energieautarkie auf den Solarmarkt? Denn Solarenergie, die bei uns produziert wird, ist autarke Energie. Wir sollten uns ganz klarmachen, wenn wir im Jahre 2020 die Gesamtrechnung machen, bis dahin wird dann PV keinen Einspeisetarif mehr brauchen, dann werden wir vielleicht sogar mehr als 100 Milliarden Euro in diese Technologie gesteckt haben, über den Einspeisemechanismus. Aber das Ergebnis wird sein, dass Deutschland weltweit besonders wettbewerbsfähig sein wird, weil wir unabhängig vom Ölpreis von vielleicht 200 Dollar pro Barrel oder mehr sein werden, unabhängig von den Wahnsinnspreisen anderer sich verknappender fossiler Rohstoffe, und uns wirklich eine eigene, nachhaltige Energiebasis mit 20, 30, 40 Prozent Solarenergie geschaffen haben. Diese Vision, die sollte man ins Auge fassen, und nicht die kurzfristige Diskussion der Bedenkenträger: „Mein Gott, die machen viel zu hohe Profite, denen müssen wir die Kehle zuschnüren.“ So ein Unsinn – meines Erachtens.
In Berkeley, wo Sie über 20 Jahre gelebt und gearbeitet haben, geschieht ja sehr viel in Sachen Solarenergie. Nach der Präsidentenwahl im Herbst wird das Thema sicherlich noch mal ganz neuen Aufwind erhalten.
Ja, davon bin ich überzeugt. Ich hab vielleicht sogar ein wenig mitgeholfen. Im Januar war ein Workshop in New York, den Al Gore persönlich organisiert hat. Und da hatte ich die Gelegenheit, Al Gore auch den Einspeisetarif mit den wesentlichen Details zu erklären. Und ein paar Tage später kam eine Nachricht, dass Hillary Clinton den deutschen Einspeisetarif lobt. Ich habe Ähnliches inzwischen schon mehrfach gehört. Es würde mich sehr freuen, wenn ich da ein bisschen geholfen habe, denn zu sagen, dass irgendwas in Deutschland besser ist als in Amerika, das ist für Amerikaner schon ungewöhnlich.