Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Ein Trend, kein Naturgesetz

Herr Fath, Sie entwickeln und verkaufen Produktionsanlagen für die Solarzellen. Sind die Tage der Zellproduktion in Deutschland gezählt?

Fath: Ich bin ein starker Verfechter des Produktionsstandorts Deutschland, was Zell- und Modulproduktion betrifft, aber auch bezüglich der Siliziumproduktion wie beispielsweise Wacker. Wenn man alles richtig macht, dann kann man in Deutschland konkurrenzfähig gegenüber chinesischen Wettbewerbern produzieren.

Wie viele Anlagen haben Sie denn letztes Jahr nach Deutschland verkauft?

Fath: Es sind schon einige – konkrete Zahlen können wir aber aus Gründen der Vertraulichkeit nicht nennen.

Fischbeck: Peter, darf ich da gerade mal einhaken. Nicht alle diese Anlagen gingen an Hersteller, teilweise gingen sie an Forschungsinstitute. Außerdem wurden die Anlagen später teilweise nach Asien verschifft. Es ist ja eine Sache, dass der Kunde Europäer ist, aber es ist eine andere, wo er die Anlage betreibt. Deswegen wäre es schon interessant zu erfahren, wohin die Anlagen wirklich gingen.

Fath: Es sind schon ein paar Anlagen gewesen, die in Deutschland eingesetzt wurden und werden. Aber es ist im Gesamtvolumen der von uns verkauften Anlagen natürlich nur ein kleiner Teil, der an deutsche Unternehmen verkauft wurde, die sie dann auch in Deutschland eingesetzt haben. Ein Satz noch zuden Forschungsinstituten: Ich finde es sehr wichtig, dass wir in Deutschland führend in diesem Sektor sind.

Fischbeck: Also meine Antwort auf die Frage, ob die Tage der Zellproduktion in Deutschland gezählt sind, lautet: zumindest was Neuinvestitionen anbetrifft, ja. Neue Kapazitäten würden nur unter ganz, ganz, ganz speziellen Randbedingungen in Deutschland entstehen.

Warum nicht?

Fischbeck: Man muss die Realitäten anerkennen, wie sie sind. Ich gebe Peter Fath in einem recht: Wenn man die einzelnen Kostenarten, also Materialkosten, Energiekosten, Personalkosten und so weiter zusammenrechnet, kommt man nicht zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass eine Produktion in Europa oder sogar in Deutschland wirtschaftlich nicht möglich wäre. Der Personalkostenanteil ist vergleichsweise gering, er liegt im einstelligen Prozentbereich. Es gibt aber zwei Aspekte, die einen wesentlichen Unterschied machen: Das eine ist der Kapitalzugang. Wer finanziert Ihnen den Ausbau der Kapazität? Und das ist in Asien viel, viel leichter als in Europa, sowohl was Fremd- als auch Eigenkapital anbetrifft. Investoren, die bereit wären, in Europa in eine Zellfertigung zu investieren, muss man mit der Lupe suchen. Bosch ist ein berühmtes Ausnahmebeispiel. Aber auch Bosch hatte geplant, die nächste Kapazitätserweiterung in Malaysia zu errichten und nicht in Europa. Das spricht schon eine klare Sprache. Das andere sind die Realitäten, dass es heute schon weltweit eben über 50 Gigawatt an Zell-Fertigungskapazitäten gibt. Und davon stehen über 75 Prozent in Asien, insbesondere in China und Taiwan. Das führt dazu, dass dort auch im Zulieferbereich eine Infrastruktur entsteht, die einen gewissen Sog erzeugt. Was die Finanzierung angeht, ist außerdem hinlänglich bekannt, dass Länder wie China und Malaysia mit sehr günstigen Steuerbedingungen Firmen anlocken. Diese Länder gewähren mehrere Jahre Steuerfreiheit. Das ist in Europa nicht EU-konform, so dass solche Vergünstigungen hier nicht möglich sind, selbst wenn die Politik es wollte.

Herr Fath, ist das der Grund, warum Sie den größten Teil nach Asien verkaufen?

Fath: Also ich sage das mal so: Ich stimme zu, dass der Zugang zu Investitionskapital in Asien, insbesondere in China, einfacher ist als in Deutschland. Die Rahmenbedingungen gibt die Finanzwelt vor. Auf der anderen Seite orientiere ich mich daran, ob es von den Produktionskosten, den Total Cost of Ownership, her Sinn macht, in Deutschland zu produzieren. Dann sage ich nach wie vor: Ja. Das gilt auch inklusive der Finanzierungskosten. Wenn wir die in China mit denen in Europa vergleichen, schenken die sich nichts.

Fischbeck: Die reinen Zinskosten unterscheiden sich zwar nicht. Aber die Möglichkeit, überhaupt erst einmal ein Darlehen zu bekommen für eine Erweiterungsinvestition ist hierzulande anders. Ich kenne keine Bank in Deutschland, die momentan bereit wäre, eine Zellfertigung zu finanzieren, wenn die Firma keine Vermögenswerte als Sicherheiten hat. Sie müssten quasi Gold als Sicherheit hinterlegen.

Fath: Ich als Technologe sage: Wenn man sich nur die Herstellkosten anschaut – das Finanzierungsthema ist eine andere Fragestellung – und alle Dinge richtig macht, dann macht es nach wie vor Sinn, in Deutschland zu produzieren. Wenn wir die Energiewende wollen, wenn wir wollen, dass Wertschöpfung bei uns stattfindet, wenn wir annehmen, dass die Photovoltaik eine der Säulen der Energiewende ist, dann ist es gegebenenfalls auch die Aufgabe von unserer Regierung, entsprechende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.

Ich fasse das einmal kurz zusammen. Sie, Herr Fath, sagen, technologisch und was die Produktionskosten angeht, wäre es durchaus sinnvoll, hier zu produzieren. Sie, Herr Fischbeck, sagen: Na ja, eigentlich ist das fast egal, denn die Banken geben kein Geld. Liegt das daran, dass die Banken in Deutschland dumm sind?

Fischbeck: Da muss ich einhaken. Ich glaube, der Unterschied ist doch noch ein anderer. Es auf die Banken zu schieben, halte ich für sehr verkürzt. Wenn man es einfach in Excel durchrechnet, und das macht eine Firma wie Centrotherm ja andauernd, dann kommt man zu dem Schluss, dass man vielleicht auch hierzulande produzieren könnte. Das Interessante ist aber auch, und, Peter, da wirst du mir nicht widersprechen: Schon seit zwei, drei Jahren, wenn ihr eure Kostenroadmap darlegt, kommt ihr zu der Schlussfolgerung, der günstigste Investitionsstandort liegt in Asien. Das Resultat eurer Kalkulationen war nie, dass der zu bevorzugende Standort für eine neue Zellfertigung ein europäischer ist.

Fath: Jetzt muss ich dahingehend weiter präzisieren. Wenn man die Total Cost of Ownership durchrechnet, dann stellen wir fest, dass die Kosten in Deutschland maximal sieben Prozent über denen in Asien liegen. Wenn man alles richtig macht und wenn man das Made in Germany thematisiert – es gibt auch gewisse Qualitätsunterschiede –, kann man diesen leichten Kostenunterschied wieder wettmachen.

Fischbeck: Da muss ich noch mal einhaken. Es ist ein Unterschied, ob man über die gesamte Wertschöpfung redet oder nur über die Zellfertigung. Bei der Zellfertigung gibt es ein zweites großes Produktionszentrum, nämlich Taiwan. Namhafte europäische und japanische Modulhersteller, die diese sogenannten Qualitätsmodule herstellen, beziehen ihre Zellen aus Taiwan. Diese Zellen genügen den höchsten Qualitätsanforderungen. Das ist auch naheliegend, wenn das Equipment zum Beispiel von solchen Lieferanten wie Centrotherm oder anderen europäischen Ausrüstern kommt. Diese Anlagen werden bei den Spitzenherstellern in Asien, in China wie in Taiwan, nicht anders eingesetzt als eben in Japan, in den USA oder in Deutschland. Insofern möchte ich wirklich den Beweis sehen, dass aus einer europäischen Fertigung eine bessere Zelle mit einer längeren Haltbarkeit und einem höheren Ertrag kommt. Den Beweis ist man mir bisher schuldig geblieben.

Fath: Jetzt muss ich da auch gleich wieder einhaken. Meine Aussage gilt, wenn man sich einen reinen Zellhersteller anschaut und Äpfel mit Äpfeln vergleicht, also nicht eine Gigawattfabrik in Taiwan mit einer Hundert-Megawatt-Fabrik in Europa. Dann gibt es natürlich, was die Standortfaktoren betrifft, einen gewissen Kostenvorteil in China. Wenn ich jetzt wiederum China mit Taiwan vergleiche, gibt es da schon ein leichtes Kostendelta. Und wenn ich dann den Vergleich von Taiwan und Deutschland mache, gibt es auch noch ein kleines Delta von vielleicht ein, zwei bis drei Prozent. Da nehmen wir die gleiche Qualität an.

Fischbeck: Wenn man alles optimal macht, dann sind in der Tat die Differenzen gering. Und dann müsste man fragen: Lohnt es sich dafür, Währungsrisiken und politische Unsicherheiten auf sich zu nehmen? Könnte man nicht doch annehmen, dass dann auch wieder neue Fertigungskapazitäten in Europa entstehen? Aber wir sind hier nicht auf der grünen Wiese, sondern es gibt schon eine installierte Basis von über 55 Gigawatt und der überwiegende Teil davon steht in Asien. Das führt zu einem gewissen Ökosystem in diesen Regionen, was einfach Realitäten schafft, die sich nicht mehr zurückdrehen lassen.

Fath: Da halte ich wieder dagegen: Wir müssen auch die Innovationsgeschwindigkeit berücksichtigen, die die Photovoltaik an den Tag legt. Nehmen wir an, ich bin ein neuer Investor. 500 Megawatt will ich in Europa, Deutschland, Taiwan oder China aufbauen. In den letzten drei, vier, fünf Jahren hat sich eine aggressive Innovationsschraube gedreht. Das heißt, ich brauche ständig neue Techniken, Upgrades und neue Linien. Wo kommen diese neuen Techniken her? Die kommen zu einem überwiegenden Teil entweder von den deutschen Maschinenbauern oder von den deutschen oder europäischen Forschungsinstituten. Dann sage ich als Produzent in Deutschland: Okay, ich setze mir die neueste Linie hin. Dann bekomme ich den engen Support durch die Maschinenbauer. Ich habe den Schulterschluss mit den deutschen Instituten, die Innovationen liefern oder sie begleiten können. Dann kann ich die Innovationsschraube besser und schneller drehen als andernorts bei Unternehmen, die weiter weg sind und eine Sprachdifferenz haben.

Bosch hat die Ausbaupläne in Malaysia zwar erst einmal auf Eis gelegt – aber warum wollte das Unternehmen denn dort bauen? Hat auch Bosch in Malaysia günstigere Einkaufsbedingungen und einen besseren Zugang zum Geld als hier?

Fischbeck: Da reden wir wieder über das Steuerthema, ein politisches Thema. Man kann da jetzt eventuell auch über unfaire Praktiken reden. Aber Fakt ist: Jeder globale Konzern muss alle ertragsrelevanten Faktoren in seine Standortentscheidungen mit einbeziehen. Auch REC hatte gute Gründe, warum nach einem langen Screening-Prozess die Standortentscheidung für die integrierte Fabrik auf Singapur gefallen ist und nicht auf Norwegen. Dieser Wettbewerb der Länder untereinander, Zukunftsinvestitionen anzusiedeln, ist sicherlich grenzwertig. Es ist sehr attraktiv für ein Land zu sagen: Mensch, die wollen hier in unserem Land eine Zukunftsindustrie, erneuerbare Energien, Solarindustrie ansiedeln, die unterstützen wir. In Europa gibt es da einfach enge Grenzen, die gesetzt sind.

Fath: Aber es gibt ja noch andere Faktoren. Finde ich zum Beispiel in Malaysia die qualifizierten Ingenieure? Zum Vergleich: An einem Standort irgendwo in Ostdeutschland finde ich alle möglichen Spezialisten und Ingenieure, auch mit Nähe zum Maschinenbau. Es sind aber nun mal diese nicht technisch oder produktionstechnisch getriebenen Standortfaktoren, die Firmen trotzdem bewegen, teilweise abgelegenen Regionen ein Werk hinzubauen.

Fischbeck: Ich unterschreibe das. Aber letztendlich läuft das Ganze unter dem Stichwort Globalisierung. Diese Länder nehmen sich gewisse Freiheiten heraus. Aber warum verklagt man sie nicht vor der OECD? Warum gerade zum Beispiel China nicht? Weil das natürlich für viele Hersteller ein wichtiger Absatzmarkt ist. Kein europäischer Exporteur will es sich mit China verderben. Also handelt man nach dem Motto, dann passe ich mich halt deren Regeln an. Das spielt am Ende in die Investitionsüberlegungen mit rein. Ich gebe dir recht: Wenn wir nur über die nackten Produktionskosten reden, wäre die Schlussfolgerung oder das, was wir jetzt sehen, nicht zwingend. Es gibt übrigens noch mehr Determinanten. Es herrschen auch andere Renditeerwartungen in diesen Regionen. In Asien sind diese viel niedriger, eine niedrige einstellige operative Marge reicht dort aus, um Investoren zufrieden zu stellen. Hier in Europa oder in Nordamerika heißt es: Das ist kein spannender Business Case, daran bin ich nicht interessiert.

Wie ist das bei konkreten Unternehmen?

Fischbeck: Ein ganz konkretes Beispiel aus einer anderen Industrie: Das nach Marktkapitalisierung weltgrößte Unternehmen, Apple, hat eine phänomenale Rendite. Sein Auftragsfertiger ist Foxconn, welcher in China produziert. Foxconn hat zwar Milliardenumsätze, aber nur eine Minimarge. Foxconn und seinen Investoren reicht das offenbar. Wer würde denn das als westlicher Investor mittragen? Und ich meine, so sieht es auch in der Zellfertigung aus. Ich glaube nicht, dass das noch eine Industrie ist, wo je wieder attraktive Margen verdient werden. Und das ist etwas, was in Asien auf Kapitalgeberseite toleriert wird. In Europa machen wir dann stattdessen etwas, wo die Eintrittsbarrieren höher sind und entsprechend höhere Margen erzielt werden können – zum Beispiel im Maschinenbau.

Zitat

„Man muss die Realitäten anerkennen, wie sie sind.“

Stimmen aus dem photovoltaikFORUM

Chinesische Solarzellen und -module haben qualitativ im Vergleich zu deutschen Produkten aufgeholt. In der Regel sind sie auch noch preisgünstiger zu haben. Daher haben wir im Photovoltaikforum nachgefragt, ob es überhaupt noch gute Gründe gibt, Zellen und Module aus einheimischer Produktion zu kaufen.
Allein die Vielzahl der Antworten zeigt, wie emotional aufgeladen dieses Thema ist. Forumsmitglied waschi schreibt etwa: „Für mich sind deutsche Module absolut tot. Und sollten sich ein paar Firmen erholen, kommt bestimmt wieder ein Polit-Elefant und trampelt durch den Laden.“ Er würde eher auf chinesische Module setzen, weil er sich bei großen chinesischen Herstellern sicherer sein kann, dass es sie auch in ein paar Jahren noch gibt.
Für bcalloy ist dieses Argument allerdings nicht unbedingt ausschlaggebend. Was die Sicherheit von Garantien betrifft, schreibt er: „Keiner weiß, wer in drei Jahren noch am Markt ist. Garantien nützen auch nichts mehr. Nach meiner Erfahrung ist der Aufbau das entscheidendste Kriterium für die Langlebigkeit und die einwandfreie Funktion und nicht die Herkunft.“
Forumsmitglied markga ist ähnlicher Meinung. „Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines Garantieanspruches in 20 Jahren relativ gering ist, wäre mir bei den heutigen Preisen ein deutsches Modul von einem namhaften Hersteller allemal lieber als ein preiswerter Asiate“, schreibt er.
Das Mitglied mit dem Namen Solarteur aus Leidenschaft hat eher Bedenken, was die Produktionsbedingungen chinesischer Hersteller angeht. „Ein deutsches Modul kostet etwa zehn bis 15 Prozent mehr als ein China-Modul“, schreibt er. Dafür könne er sich dann aber auch relativ sicher sein, dass dieses Modul unter fairen und umwelttechnisch guten Bedingungen gefertigt wurde und dass eine gute Qualitätsprüfung vorhanden ist“.
Eisbaer143 schreibt: „Viele Personen, aber auch Unternehmen wurden unter anderem aus dem Grund Anlagenbetreiber, weil ihnen etwas an unserer Zukunft und Umwelt liegt. Daraus resultiert dann auch oft der Ansatz der regionalen Wertschöpfungskette. Sven710 bringt das so auf den Punkt: „Wir leben halt in Deutschland. Ergo sollten wir auch bevorzugt einheimische Produkte kaufen.“
Mancher Solarteur ist da aber anscheinend anderer Ansicht. Open Source Energy beispielsweise erwartet von einem deutschen Hersteller entweder hohe Wirkungsgrade oder ein Produkt, das ihm auf der Baustelle einen BOS-Vorteil verschafft. „Nur 60 Zellen zusammenzubacken, ist in der heutigen Zeit wohl etwas wenig“, schreibt er. Dass deutsche Hersteller am Ende sind, glaubt er allerdings nicht. Diese brauchen seiner Ansicht nach nur „neue Ideen, um sich vom Wettbewerb abzuheben“.

Vollversion auf der Webseite

Das ist die Hälfte des Gesprächs, das Michael Fuhs mit beiden Experten führte. Die Vollversion finden Sie unter
www.photovoltaik.eu
Webcode: 0081
Dort lesen Sie darüber, ob es weitere Kostendifferenzen und Subventionen gibt, die Investoren nach Asien locken, über die Auswirkungen des gegenwärtigen Trends auf den deutschen Maschinenbau, über die strategische Bedeutung der Solarzellenproduktion und über die Chancen der CIGS-Dünnschichtproduktion in den westlichen Industrienationen.

Michael Fuhs