Die Strompreise in Deutschland sind für industrielle Großverbraucher zu hoch – trotz allen Privilegien. So heißt es. Eine aktuelle Studie stützt diese These nicht.
Die häufig verbreitete Behauptung, die Strompreise für die Industrie seien in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch, ist – so allgemein – nicht haltbar. Das ergibt eine aktuelle Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) gabt die Studie in Auftrag. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Industriestrompreise für die verschiedenen Branchen stark auseinander klaffen und Teile der deutschen Industrie in den Genuss sehr günstiger Stromkosten kommen.
Die Wissenschaftler zeigen in der Studie, dass die Statistiken des europäischen Statistikamtes Eurostat die tatsächlichen Industriestrompreise in Deutschland zu hoch ausweisen. So geht Eurostat von einem Preis für Großverbraucher von 10,6 Cent je Kilowattstunde im Jahr 2013 aus, ohne Strom- und Mehrwertsteuer. Laut Forscher zahlen privilegierte stromintensive Betriebe 2013 für ihren Strom im Durchschnitt nicht 10,6 Cent, sondern 4,8 Cent pro Kilowattstunde. Also weniger als die Hälfte des Eurostat-Wertes.
Eigenverbrauch nicht erfasst
„Die Höhe der deutschen Industriestrompreise wird von Eurostat weiterhin systematisch überschätzt, da Eigenstromerzeugung und – verbrauch nicht von den Daten erfasst werden“, heißt es in der Studie. Durch die Befreiung eigenerzeugten Stroms von Steuern und Abgaben resultierten für Großverbraucher günstigere Strompreise. „Für Deutschland betraf das 2013 rund ein Fünftel des industriellen Stromverbrauchs.“
Im laufenden Jahr 2014 werde der Eurostat-Wertes von 4,8 Cent unter anderem durch die niedrigen Börsenstrompreise voraussichtlich auf bis zu 4,1 Cent sinken. Zudem bilden die Eurostat-Daten nur den Fremdstrombezug ab – der von vielen Abgaben und Umlagen befreite Eigenstrom wird nicht erfasst. Auch Daten des deutschen Statistikamtes Destatis zu den tatsächlichen Stromkosten unterschiedlicher Branchen weisen eine sehr große Bandbreite auf. Im Gegensatz zum häufig bemühten Argument der Verteuerung der Industriestrompreise durch die Energiewende ist de facto eine Entlastung der stromintensiven Großverbraucher festzustellen, schreiben die Forscher.
Das deutsche Stromnetz ist stabil
Die Forscher zeigen zudem, dass auch in den USA die Strompreise für die energieintensive Industrie nicht niedriger sind als in Deutschland. US-Unternehmen zahlten 2012 durchschnittlich 5,2 Cent je Kilowattstunde, in Deutschland 4,8 Cent. In den USA unterscheiden sich die Strompreise von Bundesstaat zu Bundesstaat allerdings deutlich. Deshalb wählten die Wissenschaftler zwei Bundesstaaten aus, die eine ähnliche Industriestruktur haben wie Deutschland: Texas und Pennsylvania. Dort zahlten Industriekunden 3,7 bis 5,4 Cent und 5,7 bis 7,0 Cent je Kilowattstunde.
Zudem sei das deutsche Stromnetz sehr stabil. In den USA beispielsweise seien die Ausfallzeiten sechs bis acht Mal so lang. „Für Deutschland ist hier insbesondere das äußerst hohe Niveau der Netzstabilität hervorzuheben. Es erspart das teure Vorhalten von Reservekapazitäten, was einen Wettbewerbsvorteil für deutsche Unternehmen gegenüber amerikanischen Konkurrenten bedeutet“, heißt es in der Studie. (Niels H. Petersen)