„Die Leute hier sind natürlich stark verunsichert“, sagt Peter Ernsdorf, Bevollmächtigter der IG Metall in Ostbrandenburg. Er spricht von der Aleo Solar AG in Prenzlau. Die Existenzangst gehe um unter den rund 700 Angestellten des Modulherstellers. „Das ist doch verständlich. Wir befinden uns in einer strukturarmen Gegend. Und wenn einer der wichtigsten Arbeitgeber plötzlich Kurzarbeit einführt, werden die Leute nervös.“ Und dass nicht nur Prenzlau, sondern eine ganze Region betroffen ist, zeige ein Blick auf den Parkplatz von Aleo Solar. Dort seien Autokennzeichen aus ganz Ostbrandenburg zu finden. „Die Leute kommen von weit her. Und derzeit arbeiten sie zum Teil gerade mal 28 Stunden in der Woche bei einem Stundenlohn von 7,30 Euro. Es sind sogar ganze Schichten eingestellt worden.“
Besonders beunruhigt seien Arbeitnehmer, die nur über einen befristeten Arbeitsvertrag verfügen. Aus einer Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung geht hervor, dass gerade im Osten Deutschlands viele Arbeitnehmer der Solarindustrie nur mit zeitlich befristeten Arbeitsverträgen eingestellt werden. „Und diese Leute machen sich natürlich Sorgen, dass ihre Verträge nicht fortgeführt werden“, sagt Ernsdorf. So geschehen bei Aleo Solar. „Rund 50 Angestellte haben in Prenzlau ihren Arbeitsvertrag nicht verlängert bekommen.“ Und eine solche Entwicklung würde die Angestellten mit unbefristeten Verträgen natürlich auch verunsichern, so der Gewerkschaftsvertreter. Seit Anfang März arbeitet die Belegschaft in Prenzlau in Kurzarbeit, beantragt ist sie bis Ende August.
Aber nicht nur in Prenzlau wurde Kurzarbeit zur bitteren Realität. Auch Q-Cells, eines der größten Solarunternehmen Sachsen-Anhalts, fährt seit dem 1. Mai Kurzarbeit. Als Grund für diese Maßnahme nannte Q-Cells eine schwache Nachfrage bei gleichzeitig vollen Lagern. „Die Situation ist schwierig, die Nachfrage noch nicht angelaufen“, sagt Stefan Dietrich, Pressesprecher von Q-Cells. Und so mussten sich bei Q-Cells rund 2.500 Mitarbeiter auf Kurzarbeit einstellen. Bei Q-Cells direktem Nachbarn auf der Sonnenallee in Bitterfeld-Wolfen sieht die Situation nicht besser aus. Auch die Belegschaft von Sovello muss bis Ende Oktober in Kurzarbeit gehen. Betroffen sind 1.100 Mitarbeiter. Der letzte Winter sei einfach zu hart und zu lang gewesen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Nachfrage. „Wir haben derzeit einen Lagerbestand, der zwei Monatsproduktionen entspricht“, sagt Stefan Leppin, Sprecher des Unternehmens Sovello.
Devise: Kosten runter
Auch der Anlagenbauer Manz Automation AG reagierte auf die wirtschaftliche Situation mit Kurzarbeit. Seit Mai gilt diese für die beiden Standorte in Reutlingen und Tübingen. „Für die Dauer von vorerst sechs Monaten sieht diese Maßnahme eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 80 Prozent vor. Weitere Reduzierungen werden der Entwicklung der Auftragseingänge angepasst. An den Produktionsstandorten in Taiwan, China und der Slowakei wurde bereits Anfang des Jahres durch Abbau von Überstunden, Kurzarbeit und Anpassungen des Personalbestands eine deutliche Entlastung der Kostenseite realisiert“, sagt Stefan Sell, Pressesprecher von Manz. Zugleich kombiniere Manz die Kurzarbeit mit einem Programm zur intensiven Weiterbildung der Mitarbeiter. Dies stehe im Einklang mit dem geplanten Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. „Wir wollen die aufgebauten personellen Kompetenzen und Produktionskapazitäten nicht wieder reduzieren, sondern setzen auf eine konsequente Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Denn im Zuge einer sich normalisierenden konjunkturellen Lage rechnen wir wieder mit deutlich zweistelligen Wachstumsraten in der Solarindustrie“, sagt Vorstandsvorsitzender Dieter Manz.Auch im Berliner Stadtteil Adlershof war zu Beginn des Jahres Kurzarbeit ein Thema. Obwohl das letzte Geschäftsjahr erfolgreich verlief, verzichteten die Verantwortlichen bei dem Solarmodul-Hersteller Solon SE auf eine Prognose für das Jahr 2009. Vielmehr wurden aufgrund der schlechten Konjunkturaussichten alle Kosten geprüft und geplante Investitionen verschoben. „Dabei haben wir auch über die Möglichkeit der Kurzarbeit nachgedacht“, sagt Therese Raatz, Sprecherin von Solon. Die sei dann aber bald wieder vom Tisch gewesen. Aber ganz ungeschoren kamen die Mitarbeiter von Solon nicht davon. „Für 200 Zeitarbeiter in unserem Werk in Greifswald haben wir damals die Verträge nicht verlängert“, sagt die Sprecherin. „Die Lager waren einfach zu voll.“ Diese Situation habe sich in der Zwischenzeit allerdings wieder geändert. „Mittlerweile fahren wir die Produktion dort wieder hoch, so dass ein Teil dieser Zeitarbeiter wieder bei uns beschäftigt ist“, sagt Raatz.
Während die meisten Firmen die schlechte wirtschaftliche Lage zu spüren bekommen, meldete die Solarworld AG, dass sie mit Zuwachs in das Jahr 2009 gestartet ist. Der Umsatz legte demnach im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent auf 176 Millionen Euro zu. Der operative Gewinn erreichte wie im Vorjahr 39 Millionen Euro.
Netto verdiente der Konzern 24 Millionen Euro und damit fünf Millionen Euro mehr als vor Jahresfrist. Dass Solarworld Erfolge vermelden kann, während andere Unternehmen Kurzarbeit haben, erklärt Vorstandsvorsitzender Frank Asbeck so: „Unsere Ausbaupläne waren offenbar realistischer. Ein gesundes Unternehmen kann organisch nicht mehr als 20 bis 30 Prozent im Jahr wachsen. Alles andere sind überspannte Erwartungen.“
Vielfältige Probleme
Als Gründe für die schlechte Situation nennen Unternehmen immer wieder den langen Winter und die wegbrechenden internationale Märkte wie beispielsweise Spanien. Ein weiterer Grund sei die Zurückhaltung beim Endkunden, der darauf spekuliert, dass die Modulpreise noch weiter sinken. Hinzu komme die erschwerte Finanzierung von Solarprojekten. Nach Ansicht von Dieter Ammer, Vorstandsvorsitzender und Mitgründer der Conergy AG, könnten die Modulpreise tatsächlich noch fallen. Bisher sind die Preise bereits um 15 bis 20 Prozent gesunken. Ammer schließt nicht aus, dass in einigen Herstellersegmenten die Preise von siliziumbasierten Modulen auf Grund des Drucks um 50 Prozent einbrechen könnten. „Ziel muss es sein, seine Margen auf der jeweiligen Stufe der Wertschöpfung zu verteidigen. Trotzdem wird es zu Umverteilungen kommen. Die hohen Margen zu Beginn der Wertschöpfung werden abschmelzen zu Gunsten des Endes der Kette, also des Handels und der Installateure.“ Vor kurzem räumte der Chef des Hamburger Solarkonzerns ein, dass der Umsatz seines Unternehmens um 70 Prozent zurückgegangen sei.Ein weiteres Problem sind die zögerlichen Banken. Aufgrund der Finanzkrise sind diese mit der Vergabe von Krediten zurückhaltend. Bei den Solaranbietern werden „insbesondere neue Marktteilnehmer, die nicht in den vergangenen Jahren Kapitalreserven aufbauen konnten, von der restriktiveren Kreditvergabe durch die Banken betroffen sein“, sagt Wolfgang Seeliger. Seeliger ist einer der Autoren der vor kurzer Zeit erschienenen Photovoltaik-Branchenanalyse 2009 der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Aber auch Solarprojekte auf Nachfragerseite sind in der Regel auf eine Fremdfinanzierung angewiesen. Und auch hier werden die Banken die Latte höher legen, was die Nachfrage nach Solarprodukten schwächt. Knapp 70 Prozent der vom Europressedienst befragten Unternehmen gaben an, dass sie von der Finanzkrise betroffen sind. Als größtes Problem nannten sie die Schwierigkeit, Kredite von Banken zu erhalten.
Nach Ansicht von Seeliger haben Solarhersteller aktuell Probleme, den Markt einzuschätzen. „Trotz teilweise üppiger Auftragsbestände tun sich die Unternehmen schwer, konkrete Aussagen zu machen. Grund hierfür ist, dass die Kundenseite mit einer Nachfrageschwäche zu kämpfen hat, wie die Gewinnwarnungen von LDK, Q-Cells oder Suntech zeigen. „Aufgrund der deutlich eingetrübten Marktsituation wurden verschiedene Expansionspläne erst einmal zurückgestellt oder reduziert.“
Ein Großteil der Marktteilnehmer erwartet, dass sich die Situation zur zweiten Hälfte des Jahres verbessert, so etwa Solarworld, Solon, Manz oder Q-Cells. Branchenexperten geben sich da allerdings kritischer und verweisen auf die Überkapazitäten. „Wir sehen das eher skeptisch, da uns klare Signale für eine Verbesserung der Marktgegebenheiten fehlen“, sagt Wolfgang Seeliger. „Neben der allgemeinen negativen Wirtschaftssituation kämpft die Solarindustrie mit einem strukturellen Problem: Das Angebot orientiert sich anscheinend nicht an der Nachfrage.“