Wie viele Mitglieder hat der BSW-Solar zurzeit?
Joachim Goldbeck: Ende 2015 hatten wir 800 Mitglieder. Etwa 100 davon haben wir im Jahresverlauf neu gewonnen. Aber natürlich gab es Zeiten, in denen wir mehr Mitglieder hatten.
In den Boomjahren 2009 oder 2010 hatte der Verband nicht nur mehr Mitglieder, auch hatten seine Mitglieder viel größere Budgets. Wer Politik machen will, braucht auch Geld. Wie sieht die Situation derzeit aus?
Sie haben recht, wir hatten mehr und finanzkräftigere Mitglieder. Kein Wunder: Im Jahr 2010 setzte die Branche in Deutschland rund 20 Milliarden Euro um, 2015 waren es nur rund 1,5 bis zwei Milliarden Euro. Das merken wir natürlich auch an unserem Budget.
Wie gehen Sie damit um?
Wir sind effektiver geworden. Und wir machen aus jedem Beitragseuro inzwischen drei Euro, indem wir für besonders innovative Projekte zum Beispiel öffentliche Fördertöpfe oder Stiftungsgelder anzapfen. So geschehen zum Beispiel bei der sehr erfolgreichen Energiewendekonferenz im vergangenen Jahr, die Ende März im Außenministerium veranstaltet wurde. Dort waren 20 ausländische Minister und mehr als 1.000 Teilnehmer aus 70 Ländern zu Gast. Die Veranstaltung wurde überwiegend vom Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium finanziert, die Idee kam von uns. Weil die Konferenz so erfolgreich war, wird sie auch in diesem Jahr wieder stattfinden. Generell ist klar, dass uns die schmalen Budgets zwingen, das Geld möglichst weitblickend einzusetzen.
Sie wurden im November 2014 zum Präsidenten des BSW-Solar gewählt. Mussten Sie auch den Gürtel enger schnallen?
Ich wurde in ein Ehrenamt gewählt und trage sogar meine Reisekosten selbst. Hauptsächlich bin ich nach wie vor als Geschäftsführer von Goldbeck Solar tätig. Die vielen Gespräche und Abstimmungen für den Verband nehmen mich ungefähr einen Tag pro Woche in Anspruch. Bei bestimmten Veranstaltungen bin ich freilich mehrere Tage unterwegs, wie zum Beispiel bei einer Delegationsreise in den Nahen Osten zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Gabriel oder der Handelsblatt-Tagung Energiewirtschaft, auf der ich einen Vortrag gehalten habe.
Wer Politik mitgestalten will, muss verschiedene Kanäle nutzen. Sie erwähnten direkte Gespräche. Welche Möglichkeiten hat der BSW-Solar?
Da sind zum Beispiel die offiziellen Anhörungen zu nennen, zu denen wir regelmäßig eingeladen werden. Das betrifft gesetzliche Vorhaben, die in den Ministerien oder den Ausschüssen des Parlaments vorbereitet werden, etwa die EEG-Novelle. Aber wenn man zu einer solchen Anhörung eingeladen wird, ist die politische Entscheidung oft schon zu 95 Prozent gefallen. Also muss man im Vorfeld mit den zuständigen Referenten ins Gespräch kommen, ebenso mit den Instituten, die den Referenten zuarbeiten. Um die Belange der Solarwirtschaft voranzubringen, initiieren wir auch parteiübergreifende Referentengespräche. Das sind informative Treffen, bevor die Entwürfe erstellt werden. Schließlich ist es wichtig, auch zur politischen Entscheidungsebene einen engen Draht zu pflegen. Diese Kontakte sind über viele Jahre gewachsen. Mit Ministern und Staatssekretären stehen wir ebenso im regelmäßigen Austausch.
Wie gestaltet sich die Arbeit innerhalb des Verbandes? Immerhin wollen 800 Mitglieder unter einen Hut gebracht werden ...
Ich stimme mich zunächst direkt mit Helmut Jäger ab, der im Vorstand mit der Solarthermie befasst ist. Dazu haben wir einen regelmäßigen Jour Fixe zusammen mit den Geschäftsführern unseres Verbandes, bei dem wir aktuelle Fragen erörtern und die gemeinsame Vorgehensweise abstimmen. Hinzu kommen regelmäßige Vorstandssitzungen und Konsultationen mit unserem Kuratorium und unseren vielen Fachgruppen. Dort diskutieren wir gleichfalls die aktuellen Fragen, um ein breiteres Bild von der Branche zu bekommen, in der Photovoltaik und in der Solarthermie. Solche Treffen dienen auch der Sammlung von Ideen.
Daneben läuft die fachliche Arbeit, die technische und kaufmännische Themen oder Fragen der Normung betrifft. Wie wird das organisiert?
Rund 200 Mitglieder sind in unseren verschiedenen Fachgruppen tätig. Manchmal sind die Themen eng mit Kooperationen verknüpft, die wir mit anderen Verbänden im Ausland pflegen. Beispiele dafür sind unsere Projekte PV Legal, PV Grid und PV Finance, die der BSW-Solar mit Unterstützung der EU initiiert hat. Bei PV Legal ging es darum, internationale Hürden für die Photovoltaik zu erforschen und abzubauen. Mit den Solarverbänden in Großbritannien und Frankreich haben wir eng zusammengearbeitet, um den Brandschutz oder neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mit PV Austria gab es eine fruchtbare Kooperation, um die finanzielle Belastung des Eigenverbrauchs zu verringern.
Wie funktioniert die europäische Zusammenarbeit auf der politischen Ebene in Brüssel und Straßburg?
Beim europäischen Branchenverband der Solarthermie, Estif, sitzen wir mit im Vorstand. Der europäische Photovoltaikverband Epia hat sich nun als Solar Power Europe neu aufgestellt. Dort arbeiten wir in den Fachgruppen mit. Auch hier gilt, dass eine sinnvolle Aufgabenteilung bei der breiten Front der Themen und begrenzten Ressourcen der beste Weg ist, etwas zu erreichen.
In diesem Jahr steht wieder eine Novelle des EEG an. Welche Ziele verfolgt der BSW-Solar?
Ein wichtiges Ziel ist es, die politisch favorisierte Ausschreibungspflicht für Dachanlagen weitestgehend zu vermeiden und stattdessen die überfällige Reparatur des EEG-Degressionsmechanismus zu erreichen. Ein weiteres Branchenanliegen ist es, die Blockade von Mieterstromprojekten aufzulösen.
Was genau meinen Sie damit?
Bisher müssen Mieter die volle EEG-Umlage bezahlen, wenn sie Solarstrom vom Dach des eigenen Mietshauses nutzen wollen. Eigentümer müssen nur 40 Prozent der EEG-Umlage zahlen. Wir fordern die Gleichbehandlung. Darüber hinaus wollen wir nicht aus den Augen verlieren, dass die EEG-Umlage auf Sonnenstrom generell unsinnig ist. Sie gänzlich abzuschaffen, daran arbeiten wir weiter. Auch wenn der Gang vor die Gerichte sehr langwierig und mühselig ist. Wichtig ist, dass Strom aus der direkten Nachbarschaft so behandelt werden soll wie Eigenstrom. Auch und vor allem für Mieter. Das betrifft übrigens nicht nur die Mieter von Wohnraum. Auch im gewerblichen Segment versprechen wir uns eine deutliche Belebung des Marktes. Heutzutage werden Fabriken oder Logistikhallen von spezialisierten Anbietern gebaut und dann an die Nutzer vermietet. Die Nutzung von Sonnenstrom vom Dach muss viel einfacher werden, damit auch im gewerblichen Bereich mehr passiert. Die bisherigen Regelungen sind viel zu kompliziert und behindern die Photovoltaik, die für viele Unternehmen ein guter Weg ist, um ihre Energiekosten zu senken.
Im vergangenen Jahr war der Markt in Deutschland sehr schwach, auch in diesem Jahr wird er nur langsam an Fahrt gewinnen. Was kann die Politik tun, um die geplanten Zielkorridore beim Photovoltaikzubau zu erreichen?
Zum einen kann sie die EEG-Umlage auf eigenverbrauchten Sonnenstrom abschaffen. Aus unseren Gesprächen wissen wir jedoch, dass die Bereitschaft dazu bei Wirtschaftsminister Gabriel nur sehr gering ist. Ein zweiter Weg, der auch bei der Novelle des EEG beachtet werden müsste, ist die Reparatur des „atmenden Deckels“. Der Degressionsmechanismus ist so nach zu justieren, dass künftig nicht nur eine Überförderung, sondern auch eine Unterförderung gleichermaßen vermieden wird. Die Höhe der Marktprämie beziehungsweise der Solarstromvergütung muss im Falle anhaltenden Markteinbruchs schneller und stärker angepasst werden.
Ende 2015 lief die Förderung der Stromspeicher aus. Nun hängt die Branche in der Luft, denn außer Absichtserklärungen ist nichts passiert. Die neuen Förderregeln bei der KfW stehen noch nicht fest, bis zum Sommer ist es noch lange hin. Wie werden Sie bei diesem Thema aktiv?
Die Batteriespeicher stehen in unserer Aufmerksamkeit ganz oben, das unterstützen wir sehr. Die wichtigsten Anbieter sind mittlerweile bei uns Mitglied, wir haben seit Herbst auch ein Vorstandsmitglied aus dieser Branche. Dass es die KfW-Förderung gab, ging auf Initiative des BSW-Solar zurück. Auch dass trotz der bereits verkündeten Beendigung der Förderung nun doch ein neues Förderprogramm in Aussicht gestellt wurde, ist unseren Bemühungen zu verdanken. Die Anschlussförderung kam Ende Februar. Wir waren dazu fortlaufend im direkten Gespräch mit den Ministerien.
Im Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sitzen Sie auch mit den Vertretern der Windkraft zusammen. Die Windkraft braucht den Netzausbau, die Photovoltaik betreibt eher den Rückbau beziehungsweise den intelligenten Umbau der Netze. Auch treibt die Offshore-Windkraft neben den Kosten für den Netzausbau ganz wesentlich die EEG-Umlage, durch ihre sehr hohe Förderung. Wie lange halten Sie diesen Konflikt noch aus?
Im Augenblick sehe ich diesen Konflikt noch nicht, zumindest nicht bei unserer Zusammenarbeit im BEE. Die gemeinsamen Interessen sind stärker. Bezüglich des Netzausbaus glaube ich nicht, dass wir die vielen neuen Trassen wirklich brauchen. Der von einigen Akteuren propagierte Ausbau lässt sich reduzieren. Andererseits ist ein gewisser Ausbau notwendig und sinnvoll, um Windstrom zu transportieren. Viel wichtiger erscheint mir der Netzumbau hin zu bidirektionalen Netzen für Strom und Daten.
Welche Chancen sehen Sie für die intelligenten Netze?
Wir sollten genau analysieren, was wir durch IT-Lösungen gewinnen können. Wir brauchen eine dynamische Preisbildung der Dienstleistungen im Netz, für einen bestimmten Moment in einer bestimmten Region. Der Preis für die Netznutzung muss sich danach richten, wie viel Schaden oder wie viel Nutzen der eingespeiste oder verbrauchte Strom im Netz verursacht. Das wird erst möglich, wenn die Stromnetze über ein bestimmtes IT-Rückgrat verfügen. Denn für die Kunden bestehen die Kosten aus zwei Komponenten: erstens aus den Bezugskosten für den Strom, die Sie beispielsweise an der Börse variieren und optimieren können. Dieser Anteil ist bereits sehr transparent. Doch die Netzkosten sind bislang völlig intransparent, darin sehe ich ein erhebliches volkswirtschaftliches Potenzial.
Sie schlagen sich täglich mit Realpolitik und Realwirtschaft herum, da bleibt wenig Zeit für Träume oder Wünsche. Wenn Sie als Präsident des BSW-Solar einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Dass die Solarbranche mit einer Stimme spricht und ihre Kräfte noch stärker im BSW-Solar bündelt. Nur dann können wir uns in der Politik Gehör verschaffen. Ich wünsche mir, dass sich noch mehr Akteure aus unserer Branche in den Verband einbringen, durchaus auch mit Kritik. Dann können wir in zwei Richtungen sichtbar werden: in der breiten Öffentlichkeit und in der Politik. Es bringt uns überhaupt nichts, wenn wir uns darauf beschränken, um Subventionen zu betteln oder öffentlich zu klagen, wie schlecht es unserer Branche geht. Im Gegenteil: Solar wächst weltweit stark, und neben einem gesunden Heimatmarkt wollen wir daran prägend teilhaben – und auf der Ebene haben wir auch vollen politischen Rückhalt. Wir sollten uns jeweils auf den positiven Beitrag konzentrieren, den wir leisten können. Dann wird es auch wieder bergauf gehen.
Das Gespräch führte Heiko Schwarzburger.
Auswärtiges Amt
Große Konferenz in Berlin
Am 17. und 18. März 2016 lädt die Bundesregierung erneut zum internationalen Energy Transition Dialogue ein. Die Veranstaltung findet im Auswärtigen Amt in Berlin statt.
Im vergangenen Jahr fand die erste Auflage dieser Konferenz statt, die der BSW-Solar maßgeblich initiierte. Mehr als 1.000 Gäste aus 70 Ländern waren gekommen, um von den deutschen Erfahrungen in der Energiewende zu profitieren. Unter den Gästen befanden sich 20 Minister. In diesem Jahr werden deutlich mehr Gäste erwartet.
Joachim Goldbeck
stieg 1998 bei ASE in die Solarbranche ein. 2001 gründete er innerhalb des Familienunternehmens Goldbeck die Goldbeck Solar GmbH und ist seitdem Geschäftsführer, zunächst in Erfurt und seit 2004 in Hirschberg an der Bergstraße. Das Unternehmen baut und betreut PV-Anlagen auf Gewerbe- und Industriedächern sowie Freilandanlagen in Europa und einigen Ländern darüber hinaus. Seit November 2014 ist er Erster Vorsitzender und damit Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft.