Die Mitglieder der Kirchengemeinde St. Urban in Emeringen im Alb-Donau-Kreis haben einen langen Atem. 2008 beantragte die Gemeinde eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung, um auf der Pfarrscheuer neben Pfarrkirche und Pfarrhaus eine Photovoltaikanlage installieren zu können. Pfarrkirche und Pfarrhaus sind jedoch Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung. Das Referat Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Tübingen befürchtete eine Störung des Ensembles durch die Photovoltaikanlage – und das Landratsamt lehnte den Antrag ab. Zu Unrecht, wie jetzt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschied (Aktenzeichen 1 S 1070/11): „Denkmalschutz darf kein absoluter Grund mehr sein, die Genehmigung einer Photovoltaikanlage auf einer Pfarrscheuer zu verweigern“, so die Richter.
Es habe ein Anschauungswandel hin zur Notwendigkeit der vermehrten Nutzung von erneuerbaren Energien stattgefunden, so die Urteilsbegründung. Zwar würde eine Photovoltaikanlage das besonders schützenswerte Erscheinungsbild erheblich beeinträchtigen, jedoch sei der Antrag deshalb noch nicht abzulehnen. Die Denkmalschutzbehörde habe in ihrer Ermessensentscheidung eine falsche rechtliche Auffassung, wenn sie den Denkmalschutz über den Klimaschutz stelle. „Dieser ist grundgesetzlich sowie landesverfassungsrechtlich verankert und den Belangen des Denkmalschutzes vorrangig.“ Die Denkmalschutzbehörde müsse nun abwägen, ob sie die Genehmigung dennoch erteile, und das öffentliche Interesse an der Erschließung erneuerbarer Energien „mit dem ihm zukommenden Gewicht“ in die Abwägung einbeziehen. Das bedeutet, dass durch Photovoltaikanlagen hervorgerufene Beeinträchtigungen in stärkerem Maße hinzunehmen sind als bei anderen baulichen Maßnahmen.
Gelungene Kooperationen
In Deutschland stehen gut 440.000 Gebäude unter Denkmalschutz, viele andere Gebäude unterliegen denkmalpflegerischen Auflagen. Pläne für Photovoltaikanlagen stoßen da oft auf Widerstand, obwohl etliche Dächer sehr gut geeignet wären, und landen letztlich vor Gericht. Andererseits gibt es viele gelungene Kooperationen (siehe photovoltaik 06/2008). Und gerade Kirchengemeinden sehen mittlerweile im Einsatz der Photovoltaik ein sichtbares Zeichen für den Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung. Ein besonders gelungenes Beispiel ist die Bergkirche von Schönau im Schwarzwald: Die weithin sichtbare Photovoltaikanlage, auch als Schönauer Schöpfungsfenster bekannt, gilt als „moderner Fingerzeig Gottes“ für das Mandat zur Bewahrung der Umwelt sowie einen Beitrag zum Denkmalschutz: Indem die Solaranlage den Ausstoß von Schadstoffen vermeide, schütze sich die Kirche als Denkmal selbst vor den Schäden durch Emissionen. Das abgeschlossene Projekt „Kirchengemeinden für Sonnenenergie“ zeigt ebenfalls, dass sich Photovoltaik und Denkmalschutz nicht ausschließen oder gar widersprechen. Und technisch sind viele verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Farben, Formen und Größen von Solarmodulen und Solardachziegeln möglich, die optisch weniger stark ins Gewicht fallen als Standardmodule.
Für Auseinandersetzungen über eine Baugenehmigung sorgen oft die Regelungen in verschiedenen Gesetzen, Verordnungen und Satzungen. Die für Denkmalschutz und Baumaßnahmen einschlägigen Rechtsgrundlagen enthalten in der Regel Genehmigungsvorbehalte insbesondere für die Nutzungsänderung baulicher Anlagen, die das Ortsbild oder die Stadtgestalt prägen. Und in Dörfern oder Stadtteilen mithistorisch gewachsenen Strukturen wird oft der gesamte Ortskern unter Ensembleschutz gestellt und damit als Denkmalbereich ausgewiesen, so dass zumindest zum Zeitpunkt des Inkrafttretens derartiger Normen all diese Flächen aus Gründen des Denkmalschutzes für den Bau von Photovoltaikanlagen nicht zur Verfügung stehen sollten.
Unübersichtliche Rechtslage
Für die Beachtung und Einhaltung baurechtlicher Bestimmungen und die Beachtung einschlägiger Bestimmungen im Denkmalschutzgesetz ist der Bauherr verantwortlich; Bauherr und Investor sollten daher unbedingt zusammenarbeiten. Für den Bau einer Photovoltaikanlage auf oder an einem denkmalgeschützten Gebäude oder in dessen Nähe besteht zunächst eine denkmalschutzrechtliche Genehmigungspflicht nach den Vorschriften des einschlägigen Denkmalschutzgesetzes des jeweiligen Bundeslandes. Neben den Denkmalschutzgesetzen gibt es Durchführungsvorschriften zum Denkmalschutzgesetz. Diese werden in Form von Verwaltungserlassen bekannt gemacht und können beachtenswerte Ausführungen enthalten. Einige für Wissenschaft und Kultur verantwortliche Landesministerien haben zwischenzeitlich darauf hingewiesen, dass den „Belangen des Umweltschutzes nach Möglichkeit Rechnung“ getragen werden soll. Eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung sei dann möglich, wenn die denkmalbereichsprägende Bedeutung nur geringfügig beeinträchtigt werde. Es gibt Beispiele, wonach nicht mehr als zehn Prozent der denkmalgeschützten Dachfläche mit Solaranlagen bedeckt werden dürfen. Doch nach Auffassung des Solarenergie-Fördervereins Aachen führt der sicherlich positive Ansatz, „den Belangen des Umweltschutzes nach Möglichkeit Rechnung zu tragen“, durch die Begrenzung auf zehn Prozent der denkmalgeschützten Dachfläche kaum zum Bau von mehr für die Energiewende dringend benötigten Solaranlagen.
Das Baugesetzbuch enthält ebenfalls Ausführungen zum Denkmalschutz und zur Denkmalpflege. Zur solaren Strahlungsenergie enthält das Gesetz Ausführungen zum Bauen im Außenbereich sowie in den Sonderregelungen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie. Landesbauordnungen werden unter Beachtung der Vorschriften des Baugesetzbuches verabschiedet. Und Kommunalpolitiker und Verwaltung können in Satzungen eine Güterabwägung zwischen den das Ortsbild oder die Stadtgestalt prägenden Faktoren und den kommunalen Anforderungen zur Umsetzung der vereinbarten Ziele des Klima- und Umweltschutzes und der dezentralen Energieerzeugung treffen. Oft werden Photovoltaikanlagen in Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen aber noch nicht erwähnt.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz enthält keine Ausführungen zum Denkmalschutz. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) schon, aber nichts Konstruktives: Soweit bei Baudenkmälern oder sonstiger besonders erhaltenswerter Bausubstanz die Erfüllung der EnEV-Anforderungen die Substanz oder das Erscheinungsbild beeinträchtigt oder andere Maßnahmen zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand führen, kann von den Anforderungen der EnEV abgewichen werden.
Behörden frühzeitig einbinden
Fazit: Bei einem Investment in eine Photovoltaikanlage auf oder an einem denkmalgeschützten Gebäude oder in dessen Nähe werden an den Bauherrn beziehungsweise den Investor sehr hohe Anforderungen gestellt: ein zeitintensives Studium der im jeweiligen Einzelfall einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Verwaltungserlasse, Gespräche mit den für unterschiedliche Entscheidungen verantwortlichen öffentlichen Stellen, die Einholung baufachlichen Sachverstands. Eine Integration von Photovoltaikanlagen in einen denkmalgeschützten Baubestand ist aber regelmäßig dann möglich, wenn alle Beteiligten (insbesondere Denkmalschutzbehörden und Investoren) eng und frühzeitig bereits in der Planungsphase zusammenarbeiten, um eine optimale Lösung zu finden. Denn jedes Projekterfordert eine Einzelfallbetrachtung und -entscheidung. Und jedes erfolgreiche Projekt lässt hoffen, dass bald auch verwaltungsseitige Schranken und Vorbehalte wie eine pauschale Begrenzung der bebaubaren Dachfläche in denkmalgeschützten Gebieten der Vergangenheit angehören.
Investoren und Anlagenbetreiber sollten Erhaltungs- und Gestaltungssatzungen in Bezug auf Aussagen zum Umwelt- und Klimaschutz sowie zur Nutzung erneuerbarer Energien prüfen, sich am Markt ausgiebig umsehen und Erkundigungen einholen, welche Systemlösung im Einzelfall die städtebauliche Gestalt des Gebietes am wenigsten beeinträchtigt. Und es ist ratsam, eine möglichst gelungene architektonische Planung und Einbindung der solaren Stromerzeugungsanlage in das betreffende Gebäude anzustreben sowie sich mit den kommunalen und gegebenenfalls kirchlichen Bauabteilungen sowie sicherheitshalber auch mit der zuständigen Denkmalschutzbehörde über das Vorhaben bereits in der Planungsphase zu verständigen.
Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ebnet leider keinen eindeutigen und zweifelsfreien Weg. Eines kristallisiert sich allerdings heraus: Je kleiner und unauffälliger die Photovoltaikanlage im Verhältnis zur Dachfläche ist, desto eher scheinen Denkmalschützer geneigt, dem Vorhaben stattzugeben. Und Investoren können künftig zu Recht schnellere Genehmigungsverfahren einfordern, wenn die Vergütungssätze schneller sinken. Dann muss niemand mehr so einen langen Atem haben wie die Kirchengemeinde St. Urban.