Wissenschaftler des renommieren Institute for Energy Economics and Financial Analytics (IEEFA) in London haben den Vorschlag gemacht, den Kohleausstieg in der Lausitz über eine Stiftung zu finanzieren. Nur dann könnten im Laufe der Jahre die erforderlichen Milliarden eingesammelt werden. Andernfalls müsste der deutsche Steuerzahler einspringen.
Auf mindestens 2,6 Milliarden Euro hat ein Forscherteam um Gerard Wynn und Javier Julve die Kosten geschätzt, die zur Sicherung und Renaturierung der Kohletagebaue in der Lausitz zwischen 2018 und 2030 notwendig sind. Vattenfall hatte dagegen nur 1,4 Milliarden Euro veranschlagt. „Wir haben herausgefunden, dass Vattenfall die Rekultivierungskosten möglicherweise um die Hälfte unterschätzt hat“, schreibt die beiden Autoren in ihrem Report, dessen wichtigster Teil auch auf Deutsch vorliegt. „Unsere höheren Zahlen basieren auf historischen Daten für Sanierungskosten und der Größe des Lausitzer Reviers.“
Vattenfall hat Zahlen geschönt
Schon seit der Wende werden frühere Kohlegruben in der Lausitz und in Mitteldeutschland geflutet und renaturiert – mit Bundesmitteln aus den Taschen der Steuerzahler. Zuständig ist die Firma LMBV, die den Nachlass des früheren Kohlebergbaus der DDR verwaltet. Ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung liegen mittlerweile umfangreiche Erfahrungen in der Sanierung vor, auch und vor allem, was die Kosten pro Hektar Grubenfläche betrifft. Die von Vattenfall ermittelte Summe soll die Tagebaue in der Lausitz abdecken, die derzeit noch ausgebeutet werden, darunter die Riesengrube von Welzow-Süd.
Ganz offenbar hat Vattenfall die Zahlen geschönt. Das dürfte verheerende Folgen für das Geschäftsmodell der neuen Eigentümer aus Tschechien haben. Sie rechnen mit einem positiven Cashflow aus den Kraftwerken bis 2030 von rund 3,1 Milliarden Euro. Zieht man 2,6 Milliarden Euro für die Renaturierung ab, bleibt faktisch nichts übrig. Wenn die Tschechen das Geld nicht aufbringen, bleibt die Finanzierung – wieder einmal – beim deutschen Steuerzahler hängen.
Stiftung kann unabhängig agieren
Vattenfall hatte sein Kohlegeschäft in der Lausitz vor einigen Monaten an zwei tschechische Investoren abgegeben – an Energetický a Průmyslový Holding (EPH) und PPF Investments Limited. Als Mitgift legten die Schweden eine Milliarde Euro obendrauf, um den Tschechen den späteren Rückbau der Gruben und Kraftwerke zu versüßen. „Hinzu kommen 0,6 Milliarden Euro an Kapazitätszahlungen für zwei Kraftwerksblöcke als Bereitschaftskapazitätsreserve“, rechnen die Autoren der Studie vor. „Wir schlagen vor, dass die tschechischen Investoren die Hälfte dieser unerwarteten Einnahmen, rund 0,75 Milliarden Euro, als Garantie für die Minenrekultivierung direkt in eine Stiftung einzahlen.“
Zusätzlich schlägt die IEEFA vor, dass die Kraftwerke während der Ausstiegsperiode eine Abgabe von drei Euro je Megawattstunde Kohlestrom zahlen sollen, was zusätzlich 1,5 Milliarden Euro ergibt. Das ist gerade einmal knapp ein Viertel des geschätzten durchschnittlichen nicht diskontierten Cashflows von 11,79 Euro je Megawattstunde bis 2030.
Potsdam und Berlin stecken den Kopf in den Sand
Nur dann sei es möglich, die Summe von 2,6 Milliarden Euro bis 2030 einzusammeln und für die Renaturierung der zerstörten Flächen einzusetzen. Die Form einer Stiftung erlaubt es, solche Summen transparent zu verwalten und unabhängig vom Betrieb der Kohlegruben und der Kraftwerke zu agieren.
Zudem besteht die Gefahr, dass die liquiden Mittel aus der Übernahme in dubiosen Kanälen der tschechischen Investoren versickern. Bislang haben weder das Land Brandenburg noch der Bund eine Forderung nach ausreichend abgesicherten Rückstellungen aufgemacht. (HS)
Der Autor dieses Beitrags hat zum Kohlebergbau in der Lausitz, die Folgen für die Umwelt und saubere Alternativen einen Roman veröffentlich: „Zen Solar“. Details und Leseproben finden Sie hier.