„Tschüss Deutschland, hätte ich gesagt – wenn ich nicht bei Ersol angefangen hätte“, sagt Stephan Werner „ dann wäre ich jetzt bestimmt in der Schweiz oder in Österreich“. Dort wo man in seinem Alter noch nicht zum alten Eisen gehört. Denn in Thüringen hatte der 45-Jährige genug von den ständigen Terminen auf dem Arbeitsamt. Als gelernter Schlosser arbeitete er in der DDR 24 Jahre lang für die Reichsbahn. Nach der Wende war es vorbei Sicherheit und Festanstellung. Werner nahm, was er bekam: Gebäudereinigung und andere Dienstleistungen auf Zeit. Bei der Arbeitsagentur war er regelmäßiger Gast. Per Zufall sah er dort einen Flyer von Ersol. Dort wurde eine mehrmonatige Qualifizierung Mikrotechniker ange boten. Ersol genießt einen guten Ruf im Großraum Erfurt. Also zögerte Werner nicht lange und bewarb sich. Kurz darauf wurde er tatsächlich zum Bewerbungsgespräch eingeladen.
Harte Vorauswahl
Fünf Tage verbrachte Werner im so genannten Assessment-Center. Das Assessment, zu deutsch Einschätzung, ist weit mehr als nur ein Bewerbungsgespräch. Acht Stunden am Tag werden die Kandidaten auf Eigenschaften getestet, die für ihre zukünftige Arbeit entscheidend sind. beispielsweise Teamfähigkeit, Mathematik und logisches Denken. „Es war hart“ sagt Werner, „aber ich habe mich durchgebissen.“ Er wollte sich nicht unterkriegen lassen, auch das war eine wichtige Voraussetzung für seine spätere Arbeit. Die Vorauswahl spielt für beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, eine wichtige Rolle: denn wer schon beim Assessment die Lust verliert, wird sicherlich auch an der Waferherstellung keine Freude haben „Wir wollen vorher herausfinden, ob die Bewerber für die Arbeit in der Fabrik wirklich geeignet sind,“ sagt Sabina von Thuemmler, Personalleiterin bei Ersol. Denn Ersol möchte Arbeitnehmer gewinnen, die dem Unternehmen lange erhalten bleiben.
Die Arbeit in der Solarfabrik stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeiter. Nicht jeder kommt mit dem anstrengenden Schichtbetrieb zurecht. Eine naturwissen schaftlich oder handwerkliche Vorbildung ist hilfreich aber kein Muß. „Wir nehmen auch Fachfremde“, sagt von Thuemmler „unter unseren neuen Mitarbeitern gibt es ehemalige Bäcker, Verkäufer und viele andere Berufe.“ Denn schließlich werden die zukünftigen Fachkräfte in der mehrmonatigen Schulung mit großer Sorgfalt auf ihre spätere Arbeit vorbereitet. Dazu gehört jede Menge Theorie. „Eine echte Herausforderung“, sagt Werner über den Unterricht „Elektronik, Englisch und jede Menge Chemie, stundenlang trockene Chemie. Aber es war eine Top-Ausbildung“. Er kann es beurteilen, denn heute arbeitet er in der chemischen Abteilung der Waferherstellung. Nach der Schulung ging es direkt in den Betrieb. Zunächst für ein Jahr als so genannter Praktikant. Im Werk lernte er dann alle Bereiche von Grund auf kennen. „Ein Praktikant ist bei Ersol nicht das gleiche, wie in anderen Firmen“, erklärt Werner. „Wir werden bezahlt und man hat die Sicherheit übernommen zu werden, wenn man sich nicht völlig tölpelhaft anstellt“. Von den 20 Praktikanten wurden 18 übernommen. Stephan Werner ist zufrieden: „In meiner Schicht sind die besten Leute. Eine Top-Truppe, richtig gut drauf“.
Auch die Personalleiterin von Thuemmler ist mit den Ergebnissen der Weiterbildung sehr zufrieden. Dass die neuen Mitarbeiter ganz unterschiedliche Hintergründe haben, sieht sie als Vorteil. Vor allem was die Altersstruktur angeht. „Durch die Weiterbildung kommen auch viele ältere Arbeitnehmer zu uns. Dadurch kommt es zu einer gesunden Durchmischung, gerade bei einem so jungen Unternehmen wie unserem. Durch den demographische Wandel wird es ohnehin zu einer verlängerten Lebensarbeitszeit kommen. Wir würden uns etwas wegnehmen, wenn wir auf ältere Mitarbeiter verzichteten.“
Geplante Übernahme
Ersol hat in den vergangen Jahren viel Erfahrung in der Weiterbildung gesammelt. Die Kurse verlaufen im Prinzip alle ähnlich: Assessment, Schule und dann Praktikum. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und örtlichen Bildungsträgern, wie dem Bildungswerk für berufsbezogene Aus- und Weiterbildung hat das Unternehmen mehrere Programme auf den Weg gebracht. Neun Fortbildungsveranstaltungen zum Mikrotechnologen haben bisher stattgefunden:149 Mikro technologen wurden ausgebildet. Fast 90 Prozent der frisch gebackenen Spezialisten wurden von Ersol übernommen. Im Herbst 2006 hat Ersol mit der IWM Gesellschaft für Internationale Wirtschaftsförderung und Management die ersten beiden Kurse „Fertigungsassistent Solar-Halbleiter-Elektronik“ gestartet. Die 36 Teilnehmer wurden zur Hälfte bei Ersol eingestellt oder in regionale Metall- oder Elektrobetriebe vermittelt. Dann wurde das Projekt erweitert: In Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen und der Handelskammer wurde die IHK Fachkraft Ingot- und Waferproduktion in der Solarindustrie ins Leben gerufen. Zur Zeit laufen 10 Kurse, mit 158 Teilnehmern.
Hohe Nachfrage im Osten
Die rasante Entwicklung der Photovoltaikbranche erklärt den hohen Bedarf an Fachkräften. Dies zeigt sich besonders in Ostdeutschland mit seinen zahlreichen Solarfabriken und Industrie-Clustern. Laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sind in Ostdeutschland in den Jahren 2005 und 2007 über 3000 Arbeitsplätze in der Photovoltaik-Branche entstanden. Mittlerweile ist jeder 100. Industriearbeiter in den neuen Bundesländern in der Solarbranche beschäftigt.
Diese Perspektiven machen die Photovotaikbranche als Partner für die Arbeitsagenturen interessant. „Unternehmen, die für Mitarbeiter auch langfristige Perspektiven bieten, sind für uns als Arbeitsagentur wichtige Partner am Arbeitsmarkt“, sagte Raimund Becker, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit auf einer gemein samen Pressekonferenz mit Ersol und der Agentur für Arbeit in Erfurt. Im Fokus stand der Fachkräftemangel in Hochtechnologiebranchen. Auch Klaus-Peter Hansen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Erfurt begrüßt die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Arbeitsämtern. „Kommen frühzeitig Signale aus der Wirtschaft, z. B. bei Neuansiedlungen oder langfristig geplanten Investitionen, passen wir unsere Dienstleitungen und Qualifizierungen zum richtigen Zeitpunkt dem gewünschten Bedarf der Unternehmen an.“
Wie viele Firmen in Deutschland von einer auf den Eigenbedarf abgestimmten Weiterbildung Gebrauch machen, ist bisher noch schwer zu erfassen. Die meisten Maßnahmen laufen erst seit einigen Jahren. Da sie auf regionaler Ebene geplant und durchgeführt werden, werden sie nicht zentral erfasst. Die Bundesagentur lässt aber verlauten, dass es auch in anderen Bundesländern Aktivitäten in Zusammenarbeit mit großen Herstellern gibt. Und das scheint besonders für die neuen Bundesländer zu gelten. So hat auch Q-Cells in Sachsen-Anhalt Ende 2007 mit der gezielten Weiterbildung von Arbeitssuchenden gute Erfahrungen gemacht. 28 Arbeitslose hat der größte deutsche Solarzellenhersteller für verschiedene Bereiche des Produktionsprozesses ausgebildet. Nach drei Monaten Praktikum übernahm er Anfang des Jahres 25 der Bewerber. „Wenn wir wieder einmal größeren Bedarf für die Produktion haben, werden wir das wieder machen“, sagte der Unternehmenssprecher